Denken & Diskutieren

Wundermittel Kokosöl?

Es soll gegen Bakterien wirken, das Immunsystem stärken und außerdem schön und schlank machen – überzeugte Fans von Kokosöl preisen es als „Superfood“ und Wundermittel. Zu Recht?


Seit einigen Jahren werde ich meiner Mutter immer ähnlicher. Ich entwickle einen Hang zum Misstrauen und bin nur schwer für Neues zu begeistern. Meine Mutter allerdings geht inzwischen den umgekehrten Weg. Sie wird so, wie ich als Kind war: optimistisch, gutgläubig, leicht zu überzeugen.

Neulich zeigte mir meine Mutter ein kleines Gläschen mit einer weißen Paste. Mehr als zehn Euro hatte sie dafür bezahlt. Auf dem Etikett stand „Natives Kokosöl extra“. „Habe ich aus dem Reformhaus“, sagte meine Mutter stolz, „soll Wunder wirken.“ Normalerweise quittiere ich derlei Äußerungen allenfalls mit einem milden Lächeln. Meine Mutter glaubt auch an die lebensverlängernde Wirkung von Knoblauchpillen.

Auf das Kokosöl allerdings reagierte ich mit Neugier. Eine Freundin nach der anderen schwärmt plötzlich davon, im Bus war ich Zeuge eines Lobgesangs, und vor Kurzem war zu lesen, dass Topmodels sich das Zeug nicht nur auf Haut und Haare schmieren, sondern der Gesundheit zuliebe vier Teelöffel täglich in den grünen Tee mixen. Auf dem Werbe-Flyer, den meine Mutter aus dem Laden mitgebracht hatte, standen weitere Vorzüge des Wundermittels: Kokosöl eignet sich zum Kochen und Braten, asiatische Frauen verwenden es traditionell als Schönheitskur für strapazierte Haare, Sportler zum Einreiben schmerzender Muskeln. Bei Hunden, Katzen und Pferden soll es übrigens vor Zecken schützen. Kurzum: ein „Heilgeschenk der Natur“ für nahezu jedes Zipperlein, wie der Produzent verspricht.

Auch beim Blick ins Internet: große Euphorie. Danach sorgt Kokosöl für gesunde Cholesterinwerte, stärkt das Immunsystem, unterstützt Verdauung und Stoffwechsel, wirkt lindernd bei Nierenproblemen und Herzkrankheiten, bei Bluthochdruck und Diabetes, bei HIV-Infektionen und Krebs, es ist von Nutzen in der Zahnheilkunde und erhält den starken Knochenbau. Außerdem soll es bei Alzheimer helfen, Erreger wie Grippe-, Hepatitis-, Herpes-, SARS- und andere Viren töten, dazu allerlei Pilzen und Bakterien den Garaus machen, bei Fußpilz und Tripper wirken und sogar der schlanken Linie guttun.

Warum dann nicht alle mit Kokosöl kochen? Die Antwort findet sich auch im Netz: Wir seien Propaganda-Opfer der um ihre Profite bangenden Mais- und Sojaölindustrie, die fälschlicherweise behauptet, Kokosöl sei wegen des hohen Gehalts an gesättigten Fettsäuren gesundheitsschädlich.

Fett bleibt nun mal Fett.Antje Gahl, Ökotrophologin

Für Verschwörungstheorien habe ich ebenso eine Schwäche wie für Experten und renommierte Institute. Irgendjemandem muss man vertrauen. Anruf bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Hier dürfte man wissen, was dran ist am Hype um das vielgepriesene „Superfood“.

Nein, Wunderwirkungen von Kokosöl auf die Gesundheit sind wissenschaftlich nicht belegt, beteuert Ökotrophologin Antje Gahl. Ja, tatsächlich gibt es Effekte beim Abnehmen, aber die sind verschwindend gering:„Fett bleibt nun mal Fett.“ Fachfrau Gahl räumt allerdings ein, dass der schädigende Einfluss gesättigter Fettsäuren vermutlich doch nicht so hoch sei, wie früher angenommen. Trotzdem werde der Verzehr von unbestritten gesunden ungesättigten Fettsäuren empfohlen, wie sie in Raps,- Soja,- oder Sonnenblumenöl enthalten seien. Gesättigte Fettsäuren kann der Körper schließlich selbst herstellen, ungesättigte Fettsäuren muss man ihm zuführen. Stimmt es wenigstens, dass Kokosöl zum Braten und Frittieren ideal ist?

Jein. Kokosfett und Kokosöl sind zwar hoch erhitzbar, können aber einen seifigen Geschmack ausbilden, erklärt die Expertin. Zurückhaltung sei bei teuren kaltgepressten Kokosölen angebracht, die einen sehr viel niedrigeren Rauchpunkt hätten. Grundsätzlich gilt die Faustregel: Kaltgepresste Öle eignen sich für die kalte Küche. Zum scharfen Anbraten oder Frittieren empfiehlt die DGE einfaches Pflanzenöl (Rapsöl), zum Frittieren auch Erdnussöl oder raffinierte Pflanzenöle. Zum Schluss gibt Antje Gahl noch einen wertvollen Tipp allgemeiner Art: Je schriller und verheißungsvoller ein Angebot, desto größer müsse die Skepsis sein!

Trotzdem: In Kokosöl wollen viele Menschen ein universelles Zaubermittel sehen. Warum nur? Meine Mutter meint: „Weil Träume romantisch sind und Fakten hart.“ Stimmt. Allerdings schmeckt es nicht schlecht, sogar die Kinder mögen es. Und in die Haarspitzen gebe ich es jetzt auch mal, versuchsweise.



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  1. von Peter Mus

    Ich und meine Familie nutzen seit Jahren Kokosöl. Nicht nur für die Küche sondern auch für die Körperpflege. Ob es hilft. Wir glauben schon. 100 % kann ich es aber auch nicht sagen, da wir uns generell gut ernähren. Neben dem Kokosöl verwenden wir auch viel Kurkuma. Auf http://www.kokosoel-blog.de wird ausführlich über Kokosöl berichtet. Wenn nur die Hälfte davon stimmt, lohnt sich Kokosöl. Da es noch gut schmeckt, werden wir weiter Kokosöl verwenden. Es ist trotzdem interessant mal einen kritischen Bericht zu lesen. Viele Grüße Peter

  2. Hallo, ich finde den Artikel und die enthaltene Skepsis generell Super. Ich bin seit 17 Jahren Psoriasis Patientin, ich habe alles ausprobiert, zum Schluss wurde es so schlimm, dass ich vor lauter Verzweiflung auf Cortison zurückgegriffen habe. Von Ursachenforschung bei diversen Ärzten keine Spur. Nach 17 Jahren jammern und meckern durfte ich dann Netterweise einmal zum Gastroentrologen und alle Tests machen die es gibt- zur Info ich habe eine Histamin- Gluten- und Laktoseintolleranz (HURRA!!!) Nun denn, jetzt ist das Kind in den Brunnen gefallen. Ich möchte in 2 Monaten Heiraten und kann niemandem diese Haut zumuten, vielleicht hilft ein Jutesack noch!!. Ich griff auf das altbewehrte Kokosöl zurück….Und es wird besser, das gesamte Hautbild verbessert sich. Die Nahrungsumstellung an sich ist schon vor längerer Zeit erfolgt, weshalb das darauf nicht mehr zurückzuführen ist. Warum also nicht mal daran glaube, dass die einfachsten Produkte auch mal helfen können? Früher gab es bei Erkältung doch erst eine heiße Zitrone mit Honig, hat auch geholfen bevor man sich ein Kilo Antibiotika angetan hat.
    Aber bitte weiter mit der Skepsis und dem tollen Humor.

  3. von Christian Spreng

    Spreche aus eigener, leidvollen Erfahrung; habe mir, vor Jahren, unter den Achseln und in den Leisten eine hartnäckige Pilzinfektion „eingefangen“! Mein Hautarzt verschrieb mir ein orales und lokales Antmykotika, für die Dauer von zwei Wochen; der Pilz wucherte nur noch schlimmer! Also nochmals erneut eine zweiwöchige Kur mit einem stärkeren Medikament; absolut keine Heilung, aber musste danach meine Leberwerte analysieren lassen, weil diese Antipilzmittel eine schädigende Wirkung auf die Leber ausüben…in meiner Verzweiflung suchte ich im Internet nach Alternativen und stiess zufällig auf’s Kokusoel, welches durch seine antimykotischen, antibakteriellen und antiviralen Eigenschaften „wirbt“. Habe es, mit grosser Skeptis, dreimal am Tag(oral+lokal)angewendet; nach nur 3 Tagen verschwand der Pilz vollständig und ist bis jetzt nie mehr zurückgekehrt…soviel zu Ihrem, sagen wir es mal freundlich, oberflächlichen Artikel!

  4. Ich habe auch vor kurzem von diesem Öl gehört und habe mich auch gefragt, was da wohl dran ist. Man weiß gar nicht mehr, was man glauben soll, es werden so viele Produkte mittlerweile gehypt. Also habe ich nach einer ähnlichen skeptischen Meinung gesucht und sie in diesem Beitrag gefunden, danke dafür:-) Ich denke, dass wenn jemand nach solchen Produkten sucht, dann möchte er sich etwas guten tun und er wird dann mit Sicherheit auch seine Ernährung umstellen oder mehr Sport treiben, man darf auch den Placebo-Effekt nicht vergessen, ich denke all das führt dazu, dass man sich besser fühlt und am Ende glaubt man, dass das an irgendeinem Produkt lag;-) Also ich werde mir dieses Öl trotzdem mal bestellen, weil ich damit kochen möchte. Ich hab hier noch eine informative Seite darüber gefunden, die (wen wunderts) auch dieses Öl anpreist, aber trotzdem findet man dort gute Infos: http://www.kokosoel.info/

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