Wundern & Wissen

Reist du nur, oder arbeitest du auch?

Was tun nach der Schule – arbeiten oder reisen? Am besten beides ­gleichzeitig: „Work and Travel“ ist ­beliebt bei Abiturienten. Beim Arbeits-Urlaubs-Abenteuer lernen sie fürs Leben


Um fünf Uhr in der Früh beginnt Max’ Arbeitstag. Bei Temperaturen von über 40 Grad bringt er die Kühe in die Anlage, melkt sie, manchmal impft er sie auch. Danach treibt er die Herde mit seinem Quad wieder auf die Weide. Außerdem muss er die Kälber füttern und Heu sammeln. Um sechs Uhr abends macht er Feierabend. Der 18-Jährige macht im Moment zusammen mit zwei anderen Jugend­lichen „Work and Travel“ auf einer Farm bei Melbourne. Er darf dafür dort kostenlos wohnen und bekommt zusätzlich etwa 1 000 Euro im Monat. Davon kauft er Essen und was er sonst noch so braucht. Den Rest spart er, denn er will sich noch das Land anschauen.

Work and Travel – Max im Kuhstall – Magazin SCHULE ONLINE
Praktikum im Kuhstall: Max jobbt auf einer Farm in Australien – mit dem verdienten Geld kann er danach durchs Land reisen

Seit einigen Jahren ist es Trend, im Gap-Year nach Australien oder Neuseeland zu fliegen, um dort zu arbeiten und zu reisen – „Work and Travel“ heißt der Trend. Allein im letzten Jahr haben über 25 000 Deutsche nach Angaben der austra­lischen Regierung das hierfür benötigte Aufenthalts- und Arbeitsvisum beantragt. Das dort existierende „Working ­Holiday Visum“, wird Deutschen, sofern sie im Alter von 18 bis 30 Jahren sind, ohne Probleme bewilligt – wenn keine Vorstrafen vorliegen.

Der Plan bei „Work and Travel“ ist, wie der Name es bereits sagt, zu arbeiten und von diesem Geld das Land zu erkunden. Im Fall von Max heißt das: Er wird noch ein paar Monate auf der Farm Kühe melken. Dann will er in Sydney Urlaub machen. Im Anschluss geht es weiter nach Neuseeland.

Ein Viertel startet „Work & Travel“ allein

Es gibt viele Gründe, die Jugendliche zu dieser Art des Auslands­aufenthalts motivieren: die faszinierenden Landschaften in Australien und Neuseeland, die Städte und das ­Klima – und natürlich die Lust auf Freiheit und Abenteuer. In nahezu jeder Stadt finden sich neue Jobs und günstige Unterkünfte. Außerdem ist es einfach, sowohl in Gruppen als auch allein zu reisen. Nach Henrike ­Thelen, die sich durch lange Aufenthalte in Australien für ihre Diplom­arbeit an der Christian-­Albrechts-Universität in Kiel mit „Work and Travel“ ­befasst hat, reist rund ein Viertel allein. Doch keine Sorge, die jungen Leute schließen schnell Freundschaft – bei der Arbeit oder beim Übernachten im Hostel.

 

Work and travel – ja oder nein?

Sechs Fragen, die Schülerinnen und Schüler sich vor einem Auslandsjob stellen sollten

  • 1. Traue ich mir das zu?

    Kann ich mir vorstellen, so lange von zu Hause weg zu sein und viel Zeit am anderen Ende der Welt zu verbringen?

  • 2. Gibt es andere Optionen?

    Kann ich mir auch vorstellen, als Au-pair fest bei einer Familie zu arbeiten oder Freiwilligenarbeit zu machen, oder gefällt mir wirklich „Work and Travel“ am besten?

  • 3. Will ich allein reisen?

    Für die einen ist es entspannter, allein zu reisen und neue Leute kennenzulernen, andere ziehen lieber mit Freunden los.

     

  • 4. Kann ich selbst gut organisieren?

    Traue ich mir zu, im Notfall spontan meinen Plan zu wechseln, oder fühle ich mich mit einer Organisation sicherer?

     

  • 5. Welche Jobs will ich annehmen?

    Fruitpicken, Kühe melken oder in einer Kneipe bedienen? Es gibt viele Möglichkeiten, allerdings sollten sich Interessierte vorab über die Jobchancen informieren.

     

  • 6. Was ist mein Plan B?

    Man sollte sich schon zu Hause überlegen, was man macht, wenn das Heimweh kommt oder kein Job in Sicht ist.

So ist es auch für Max okay, dass die Arbeit teilweise körperlich sehr anstrengend ist. Seitdem er sich besser auskennt und sich ein­gelebt hat, macht sie ihm sogar Spaß, vor allem das tägliche Quad­fahren. Sein Arbeitgeber ist nett, und er versteht sich gut mit ihm, was natürlich auch ein posi­tiver Faktor ist.

Wenn ich das schaffe, können andere es auchDarius

So viel Glück hat allerdings nicht jeder. Bei Darius etwa ist es ganz anders gelaufen. Der 19-Jährige wollte in Neuseeland zunächst arbeiten, hat jedoch schnell seine Pläne geändert. Sein Arbeitgeber auf der Kirschplantage habe nur herumkommandiert und mit Rauswurf gedroht, erzählt Darius. Er hat außerdem festgestellt, dass die eintönige Arbeit nichts für ihn ist. „Ich kann es keinem empfehlen, es hat überhaupt keinen Spaß gemacht“, sagt Darius. Deswegen hat er sich ein Auto gekauft und eine Schlafmöglichkeit eingebaut. „Das war ganz leicht. Wenn ich das schaffe, können andere das auch.“ Sein Wagen ist jetzt auch sein Hotel. Damit reist er herum und „WWOOFt“.

Ökologische Alternative: „WWOOFing“

Der Begriff steht für „World-Wide Opportunities on Organic Farms“ und ist eine ökologische Alternative zu „Work and Travel“. Über eine Website kann man sich die Profile von Farmern anschauen, die nach einer Hilfe für Haus, Familie oder einfache Farmar­beiten suchen. So sind Darius’ Auf­gaben hauptsächlich, im Haushalt mit­zuhelfen oder Unkraut zu jäten. Im Moment installiert er allerdings einen Wasserablauf, dafür muss er draußen mit ­einer Spitzhacke Lehm und Steine ­beseitigen.

Work and Travel – Darius mit Spitzhacke – Magazin SCHULE ONLINE
Auf zur Arbeit – mit Spitz­hacke ausgerüstet hilft Darius seiner Gastfamilie beim Installieren eines Wasserablaufs

Die Arbeitszeit beim „WWOOFing“ beträgt vier bis sechs Stunden am Tag. Im Gegenzug darf man auf der Farm wohnen und kostenlos essen. Dabei verdient man kein Geld. Für Darius ist das kein Problem, er hat Geld ­gespart. Seine Gastfamilie hat ihn sehr herzlich aufgenommen und gut integriert. Er lernt so Land und Leute nicht nur oberflächlich kennen, sondern auch ihre Lebensweise. Genauso wie beim „Work and ­Travel“ kann Darius selbst entscheiden, wie lange er bleiben will. Er kann jederzeit weiterreisen und das Land erkunden.

Wer Lust auf solch ein Reise-­Arbeits-Abenteuer hat, sollte sich vorab in Foren im Internet informieren. Dort tauschen sich Erntehelfer auf Zeit und Aushilfs- Kuhhirten über ihre Erlebnisse beim „WWOOFing“ oder „Work and ­Travel“ aus. Die meisten berichten zwar von anstrengender Arbeit, aber sie kommen fast immer mit vielen ­tollen Erfahrungen im Gepäck nach einigen Monaten zurück nach Hause.

Einige wenige erzählen von unerfreulichen Erlebnissen, etwa davon, dass sie weniger verdient hätten als ursprünglich angenommen. Andere schreiben, sie hätten ihren Lohn gar nicht erhalten. Außerdem gibt es ­Berichte über unfreundliche und ­ungeduldige Chefs.

Wichtig: ein Plan B und etwas Geld auf der hohen Kante

Aber das sind die Ausnahmen. Trotzdem ist es natürlich sinnvoll, einen Plan B in der Tasche und ein bisschen Geld auf der hohen Kante zu haben – falls irgendetwas auf diesem Abenteuertrip schiefgehen sollte. Zudem ist es wichtig, sich vor der Reise einige Fragen ehrlich zu beantworten: Kann ich mir tatsächlich vorstellen, einige Wochen oder sogar Monate so weit weg von zu Hause zu sein? Falls ja, will ich lieber allein reisen, oder ist mir wohler, wenn ich mit einem Freund oder einer Freundin unterwegs bin?

 

 

Wer schon weiter ist mit der Planung, sollte sich fragen: Welche Art von Arbeit kommt für mich am ehesten infrage – ein Job in einer Bar, auf einer Farm oder als Ernte­helfer? Angehende Fruitpicker sollten sich gut überlegen, wann in welchen Regionen was geerntet wird – und dann die Reise entsprechend genau planen. Apropos planen: ­Internetseiten wie www.auslandsjob.de helfen dabei, „Work and Travel“ oder ein anderes Programm vorzubereiten. Man findet dort Tipps zum ­Visum, eine Packliste, Informationen darüber, wie man ein Konto eröffnet und wie man eine neue Handynummer beantragt.

Nützliche Links

Außerdem kann man sich von ­einer Agentur unterstützen lassen. Sie hilft vor der Abreise und später auch vor Ort. Natürlich kostet das Geld. Max hat fast 1 400 Euro für das Programm bezahlt. Aber das ist es ihm wert, denn die Organisation gibt ihm eine gewisse Sicherheit und ­einen Rahmen. Als er in Australien ankam, hatte die Agentur erst einmal eine Einführungswoche organisiert. Er hat dort viel gelernt und neue Leute getroffen. Und was vielleicht noch wichtiger ist: Die Agentur vermittelt ihm jederzeit neue Jobs. Er braucht also keine Angst zu haben, einmal ohne Geld dazustehen. Max ist zufrieden und würde jederzeit wieder mit Agentur reisen.

Ganz anders ist es bei Darius. Er hat seinen Flug erst kurz vor der Anreise gebucht, das Visum auch spontan beantragt und ist einfach drauflosgereist. Er hat keine Probleme damit, spontan seine Pläne zu ändern, wenn nicht alles so läuft, wie es sein sollte. Er fühlt sich auch ohne Organisation sicher.

Sowohl Max als auch Darius sind noch ein paar weitere Monate am anderen Ende der Welt unterwegs – ihr Abenteuer Ausland geht noch weiter. Aber für beide steht jetzt schon fest, dass es sich gelohnt hat – trotz kleiner Tiefpunkte.

 

Work & Travel: Reist du nur, oder arbeitest du auch? – Fotos: Privat



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