Ein Hirsch mit blauen Beinen und rotem Bauch unter einer weiß verschneiten Fichte: Was nach expressionistischem Gemälde klingt, ist in Wirklichkeit das Bild einer Wärmekamera. Mit ihr erklärt Patrick Stader, Ranger im Nationalpark Schwarzwald, wo der Hirsch im Winter beim Ruhen seine Körperwärme sammelt: vor allem im Rumpf, während er die Gliedmaßen auf Kühlschranktemperatur absenkt. Indem er sich unter eingeschneiten Bäumen oder hinter Schneewehen versteckt, spart er Energie und verbessert seine Chancen, über den kalten und futterarmen Winter zu kommen.
„Das ist auch der Grund, warum es für den Hirsch so gefährlich wäre, ihn jetzt aufzuschrecken“, sagt Stader. Die Beine sind kalt und nur spärlich durchblutet, der Stoffwechel läuft auf Sparflamme, und ein plötzliches Aufschrecken wäre für das Tier ein halsbrecherischer Kaltstart. Außerdem kostet die Flucht durch tiefen Schnee viel Energie, und Kälte und Wind verursachen rasches Auskühlen. „Wild sollte man im Winter so wenig wie möglich beunruhigen“, sagt Stader.
Im Winter gelten andere Gesetze in der Natur als im Sommer – trotzdem muss man in der kalten Jahreszeit nicht zum Stubenhocker werden. Es gibt eine Menge zu lernen und zu erfahren! Etwa, dass viele Waldtiere im Winter auf ungestörte Rückzugsräume angewiesen sind. Die finden sie in entlegeneren Gebieten, an Waldrändern und in Dickungen, die Besucher im Winter möglichst meiden sollten. „Früher waren Menschen bei Schnee vor allem auf Wegen unterwegs“, erklärt Wildexperte Stader. „Heute kommen sie mit den Schneeschuhen praktisch überallhin.“ Umso wichtiger, dass Besucher in der Winterwildnis sensible Bereiche umgehen, dass sie beim Wandern und Wintersport möglichst auf den ausgewiesenen Wegen bleiben, vor allem in der Dämmerung und nachts, und dass sie beim Queren von Waldstücken bereits vorhandene Spuren nutzen.
Der erfahrene Ranger Stader bietet geführte Winterwanderungen im Nationalpark Schwarzwald an, wetterbedingt auch mit Schneeschuhen. Neben wichtigen Verhaltensregeln lernen Teilnehmer viel Interessantes darüber, wie sich die Natur in der kalten Jahreszeit verändert. Stader erläutert die zahlreichen Strategien, die verschiedene Lebewesen gegen Nahrungsmangel und unwirtliche Temperaturen entwickelt haben. „Ein besonderer Höhepunkt ist die Spurensuche im Schnee“, sagt Stader. „Da gibt es vieles zu entdecken, was im Sommer gar nicht erkennbar ist.“ Oft sieht man nicht nur, wer im Schnee entlanggelaufen, sondern auch, was dort geschehen ist, etwa wenn ein Fuchs versucht hat, ein Mäuseloch auszugraben, oder ein Kaninchen nach gemächlichem Hoppeln plötzlich losgerannt ist.
Tiere verraten auch durch Kotreste und Fraßspuren so einiges über ihre winterlichen Ernährungsgewohnheiten. Wenn der Auerhahn sein karges Wintermenü beispielsweise mit Zweigen von Nadelbäumen anreichert, findet man oft zur Hälfte abgezwickte Nadeln. Solche Entdeckungen machen einen Streifzug durch die Winterlandschaft immer wieder zu einem unerschöpflichen Fundus für spannende Geschichten.
Das gilt auch für die vielen Vögel, die bei uns überwintern. Wer ein Vogelhäuschen bestückt oder vielleicht sogar selbst aus Vogelfutter, Nüssen und Pflanzenfett einen essbaren Baumschmuck bastelt, kann vom Fenster aus beobachten, wie sich die Gäste den ganzen Tag über daran erfreuen.
Aktiv-Ideen für winterfeste Naturfreunde
Anorak, feste Schuhe, Handschuhe und Mütze – was man sonst braucht für einen herrlichen Winterausflug, liefert die Natur
Morgennebel im Moor: Wer hat die gruseligste Geschichte parat?
Sterngucken am Winterlagerfeuer: Wer kennt die meisten Sternbilder?
Neuschnee als Leinwand: Wir „malen“ mit den Stiefeln ein
gigantisches BildSchlammforscher unterwegs: Wir nehmen eine Bodenprobe unter die Lupe
Auf Biegen und Flechten: Wer bastelt aus Weidenzweigen den schönsten Korb?
Spurensuche im Schnee: Wer erkennt die meisten Tierspuren?
Es müssen aber gar nicht immer Schnee und Eis sein, die uns nach draußen locken. Auch feuchte Wiesen, Moore und Sumpflandschaften bieten beeindruckende Nebelschauspiele. An Flussniederungen lassen sich gut Weidenzweige sammeln und zu kleinen Kunstwerken flechten. Sogar der Himmel bietet im Winter ein ganz besonderes Schauspiel: Da es früher dunkel wird, ist das die ideale Jahreszeit für junge Sterngucker. Vielleicht hilft auch ein Besuch im nächstgelegenen Planetarium dabei, die eindrucksvollen Wintersternbilder Orion, Stier und Zwillinge bald ganz von selbst zu finden.
Auch bei Schlechtwetter lässt sich so einiges unternehmen. An einigen Naturorten in der Nähe von Gewässern gibt es die Möglichkeit, von überdachten Unterständen aus Zugvögel beim abendlichen Einflug in ihre Ruheplätze zu beobachten. Naturkundemuseen und Nationalparkzentren haben im Winter oft themenbezogene Sonderausstellungen, für Schulklassen werden Führungen angeboten. Es gibt also mehr als genug Gründe, auch in der kalten Jahreszeit immer wieder mal einen Abstecher in die Natur zu wagen. Die Bilder in unserer Galerie stellen einige Möglichkeiten vor, mehr finden sich im Internet unter naturorte.de.