Ob im Unterricht, bei den Hausaufgaben oder bei der Vorbereitung auf die nächste Klassenarbeit: Zu oft sind Schüler nicht ganz bei der Sache. Die Klage von Eltern über Konzentrationsschwächen ihrer Kinder ist alt – aber die Dimension neu. Tatsächlich ist Aufmerksamkeit in Zeiten ständig brummender und piepsender Handys knapper als je zuvor. Kinder und Jugendliche sind heute viel mehr Reizen ausgesetzt. Das macht es natürlich nicht leichter, sich eine längere Zeit nur auf eine Sache zu konzentrieren.
Doch klar ist: In der Regel besteht bei allem Gedaddel und Gechatte kein Grund zur Sorge. Die meisten Kinder können sich noch immer ausdauernd auch mit Offline-Tätigkeiten beschäftigen – lesen, spielen, ein kniffliges Rätsel lösen oder eine schwierige Handarbeit machen. Wer sich auf so etwas über 20 bis 30 Minuten hinweg fokussieren kann, hat kein grundsätzliches Konzentrationsproblem.
Allerdings fällt vielen Schülern das Fokussieren deutlich schwerer, wenn es um schulisches Lernen geht. Das liegt jedoch meist eher an mangelnder Motivation – und an den vielen anderen Dingen, die in dem Moment spannender sind als Mathehausaufgaben oder Englischvokabeln. Wenn Kinder konzentrierter lernen sollen, müssen daher auch die Rahmenbedingungen stimmen.
Denn Konzentration und Motivation sind eng miteinander verknüpft. Und zwar in beide Richtungen: Wenn eine Schülerin nicht motiviert ist, sich mit
einem bestimmten Lernstoff zu beschäftigen, wird sie sich nicht darauf konzentrieren können; und wenn sie sich nicht recht auf eine Sache konzentrieren kann, wird sie daran schnell die Freude verlieren. Deshalb sollten Schüler und Eltern Konzentrationsschwierigkeiten immer aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten und bekämpfen.
Die erste Frage ist: Fehlt die Motivation?
Auf der einen Seite steht dabei die Frage, ob etwas der Schülerin oder dem Schüler das Lernen verleidet. Das kann zum Beispiel die Abneigung gegen ein bestimmtes Fach oder die Schule allgemein sein. Nicht immer liegen die Gründe dafür auf der Hand. Hier gilt es, sensibel nachzuforschen:
- Stimmt die Chemie mit der Lehrkraft nicht? Dann hilft oft ein klärendes Gespräch zu dritt. Falls sich danach an der Situation nichts ändert, tröstet vielleicht die Aussicht auf einen Lehrkraftwechsel im nächsten Schuljahr.
- Interessiert sich das Kind für ein Fach oder einen bestimmten Lernstoff nicht? Das kommt vor und ist normalerweise kein großes Problem, weil es sich mit Stärken in anderen Fächern oder Stoffbereichen ausgleichen sollte. Tipp: In vielen Fällen lässt sich Interesse durch außerschulische Aktivitäten in dem speziellen Bereich wecken.
- Hat das Kind Lernlücken, die es ihm schwer machen, im Unterricht mitzukommen? Dann sollte es diese schnellstmöglich schließen, um einen Teufelskreis zu vermeiden. Dabei kann professionelle Nachhilfe unterstützen.
- Passt die Schule nicht zum Kind? Auch wenn der Schritt zunächst schwerfällt: In diesem Fall ist ein Wechsel fast immer eine Wohltat für frustrierte Schüler.
- Ist das Kind blockiert, oder hat es sich gar aufgegeben? Wenn Eltern diesen Eindruck haben, ist die Schulpsychologin eine gute erste Anlaufstelle.
Solche Probleme können dem Kind die Freude und den Mut nehmen, sich an etwas Neues heranzuwagen. Das ist jedoch die Grundbedingung für effektives Lernen, denn wir lernen nur dann gut, wenn wir damit positive Gefühle verbinden. Ohne Motivation kann Konzentration kaum gelingen.
Der nächste Schritt: Störfaktoren ausschalten!
Doch auch wenn ein Kind grundsätzlich motiviert ist zu lernen, kann es ihm schwerfallen, sich aufs Lernen zu konzentrieren: durch eine Umgebung und Bedingungen, die das fokussierte Arbeiten eher behindern als fördern. Eine ganze Reihe an Faktoren kann dazu führen, dass Kinder sich unnötig anstrengen müssen, um überhaupt in die Gänge zu kommen. Hier sind die wichtigsten – und Hinweise, wie man sie abschalten kann:
Müdigkeit: Ist der Körper nicht fit, schwächelt auch der Geist. Vor allem Jugendliche bekommen oft zu wenig Schlaf, was ihre Leistungsfähigkeit gerade in den ersten Schulstunden einschränkt. Ganz kann man dieses Problem nicht beheben, weil sich in der Pubertät der Biorhythmus verschiebt. Doch eines lohnt sich auf jeden Fall: spätestens eine Stunde vor dem Schlafengehen das Handy oder Tablet auszuschalten. Das bläuliche Licht der Displays macht nämlich wach und stört daher das Einschlafen. Ist ein Kind allerdings plötzlich in ungewöhnlicher Weise unkonzentriert, kann auch einfach eine Krankheit im Anmarsch sein.
Streit und Stress: Konflikte und Sorgen im Freundeskreis oder der Familie (auch unter den Eltern) blockieren den Kopf. Dagegen hilft nur eines: miteinander reden, zum Beispiel beim gemeinsamen Abendessen. Ebenfalls ein Stressfaktor ist übermäßiger Leistungsdruck. Merke: Konzentration lässt sich üben, aber nicht erzwingen.
Wenig Bewegung: Wenn Schüler Sport treiben oder toben, wird auch ihr Gehirn besser durchblutet – das fördert die Konzentration. Gerade in stressigen Lernphasen sollten Kinder zwischendurch immer wieder kurz an die Luft gehen oder zumindest vom Schreibtisch aufstehen und vielleicht eine Lockerungsübung machen. Ebenso wichtig ist die richtige Entspannung zwischen Lernblöcken.
Falsche Ernährung: Um leistungsfähig zu sein, braucht das Gehirn Energie und Wasser. Doch Fast Food und Softdrinks führen oft geradewegs ins Zuckerloch. Wasser führen Schüler ihrem Körper daher am besten so pur wie möglich zu. Ungesüßte Tees sind eine Alternative. Energie sollte in Form sogenannter komplexer Kohlenhydrate aufgenommen werden, die in Vollkornprodukten, Obst und Gemüse enthalten sind. Auch wichtig: gemeinsame Mahlzeiten. Sie machen Kinder zufriedener, wodurch sie sich besser motivieren können.
Ablenkung: Gedanken und Geräusche, Musik und Mitschüler, der Blick aus dem Fenster: Viele Dinge können vom Lernen ablenken. Wer seinen Arbeitsplatz klug einrichtet, arbeitet fokussierter. Dazu gehören natürliches Licht oder Tageslichtleuchten, ein mitwachsender Schreibtisch, ein beweglicher Stuhl und eine sinnvolle Ordnung für Schreibmaterial, Bücher und Hilfsmittel.
Medien: Häufiges Fernsehen und Computerspielen programmiert das Gehirn auf schnell wechselnde Reize, was die schulische Konzentration stört. Und Smartphones lenken sogar ausgestellt ab, wenn sie in Sichtweite sind. Beim Lernen sollte das Handy daher nicht im gleichen Zimmer liegen und keine Geräusche machen können. Immer sollte klar sein: Lernen geht vor!
(Vor-)Freude: Doch nicht nur negative Dinge können die Konzentration ganz allgemein stören. Wer sich auf seinen Geburtstag am Wochenende oder das Konzert morgen Abend freut, ist beim Lernen leicht abgelenkt. Und wer verliebt ist, hat auch anderes im Kopf als die Englischvokabeln. Es ist völlig normal und in Ordnung, dass Kinder sich einmal auf etwas anderes konzentrieren als das Lernen. Denn wer glücklich ist, lernt leichter.
Und jetzt geht’s los: Konzentration kann man üben!
Wer solche Störfaktoren ausschaltet, ist schon einmal auf einem guten Weg, seine Aufmerksamkeit zu verbessern – und kann die andere Seite der Konzentration angehen. Denn niemand ist automatisch fokussiert, nur weil ihn nichts anderes ablenkt. Schon biologisch ist unsere Konzentrationsfähigkeit begrenzt: Je älter Schüler werden, umso länger können sie grundsätzlich bei der Sache bleiben – etwa doppelt so viele Minuten, wie sie Jahre alt sind. Von Erstklässlern kann man demnach höchstens eine Viertelstunde konzentriertes Arbeiten erwarten, von Neuntklässlern eine halbe Stunde.
Wie gut jemand dieses Potenzial abruft, hängt jedoch auch von seinem Training ab. Tatsächlich lässt sich Konzentration nämlich erlernen und üben. Allerdings können wir unseren Kopf nicht so einfach und gezielt trainieren wie einen Muskel – dafür ist der Vorgang des Denkens zu komplex. Wenn wir konzentriert sind, nutzen wir ein Netzwerk aus unterschiedlichen Gehirnbereichen, die jeweils eigene Funktionen haben. Dabei sind wir gleichzeitig aufmerksam und entspannt, nehmen manche Reize gesteigert wahr und blenden andere effektiv aus. Dieses Zusammenspiel funktioniert umso besser, je häufiger wir es verwenden.
Wer Sudokus löst, wird besser im Sudokulösen. Aber es gibt einen Nebennutzen
Deswegen lohnen sich verschiedene Aktivitäten, die auf den ersten Blick nicht viel mit dem nächsten Zeugnis zu tun haben. Zwar übt unser Gehirn immer nur genau das, was es gerade macht: Wer Sudokus löst, wird besser im Sudokulösen, wer Gedichte auswendig lernt, kann hinterher die Gedichte auswendig – die Note in Bio wird davon nicht unmittelbar besser. Doch es gibt einen Nebennutzen solcher geistreichen Spiele und Übungen: Unser Gehirn lernt, sich gezielt auf eine Sache zu konzentrieren – und merkt sich, dass dieser Zustand Spaß machen kann. Wenn dann noch einige Grundfertigkeiten wie der Umgang mit Zahlen oder Sprache dabei trainiert werden, fällt auch im Biounterricht die Konzentration leichter.
Die wichtige Aufmerksamkeitsübung ist: das Lesen. Keine andere geistige Tätigkeit trainiert unsere Konzentrationsfähigkeit so gut. Während wir Wörter entschlüsseln, ist unser Kopf mit vielen Dingen gleichzeitig beschäftigt: von der Sprache und dem Satzbau über das eigene Vorwissen und neue Erkenntnisse bis hin zu Emotionen. Dieser komplexe Vorgang erfordert viel Aufmerksamkeit, belohnt uns dafür aber durchgängig mit Spannung – und trainiert daher die Konzentration optimal. Auch Vorlesen und Vorlesen-Lassen haben diesen Effekt.
Darüber hinaus gibt es viele weitere Möglichkeiten, seinen Kopf fitter zu machen: Spiele wie Scrabble, Sudoku, Silbenrätsel oder Wortketten etwa steigern nebenbei das Wort- und Zahlenverständnis. Wimmelbilder oder Zeichen-Labyrinthe trainieren das gezielte Sehen. Und Mandalas, Skizzenhefte und Malbücher (die gibt es heute auch für Größere und Erwachsene) sind gut für die Feinmotorik. Bei all diesen Ideen gilt jedoch: Sie sind nur nützlich, wenn sie der Schülerin oder dem Schüler auch Spaß machen. Denn ohne Motivation kostet Konzentration einfach nur Kraft.
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