Schnell gemerkt ist schnell wieder vergessen – dieses Prinzip kennt wohl jede Schülerin und jeder Schüler aus eigener Erfahrung. Wenn wir uns Lernstoff merken sollen, neigen wir dazu, uns eine begrenzte Zeit lang möglichst intensiv damit zu befassen. Das erscheint uns effizient, gerade wenn die Zeit zum Beispiel vor einer Prüfung knapp ist. Tatsächlich haben wir die Inhalte im Anschluss an die Lerneinheit auch im Kopf – doch schon wenige Tage später sind sie daraus wieder verschwunden. So kommt es, dass wir uns manche Vokabeln und andere, wiederkehrende Lerninhalte im Laufe der Schulzeit immer neu aneignen müssen.
Lernpausen steigern das Erinnerungsvermögen
Erstaunlicherweise prägt sich unser Gehirn Dinge nicht unbedingt besser ein, je intensiver es sich damit befasst – sondern wenn das mehrfach in gewissen Abständen geschieht. Die Wissenschaft hat dafür sogar einen Namen: „Spacing-Effekt“ heißt das Phänomen, dass beim Menschen ebenso wie bei den meisten Tieren Pausen zwischen einzelnen Lerneinheiten das Erinnerungsvermögen steigern. Forschende am Max-Planck-Institut für Neurobiologie in Martinsried haben diesen Effekt an Mäusen näher untersucht und dabei auch für den Menschen lehrreiche Ergebnisse bekommen.
Unser Gehirn findet Dinge besonders relevant, wenn sie regelmäßig wiederkehren
Seit langem ist bekannt: Offenbar stuft unser Gehirn Lerninhalte dann als besonders relevant ein, wenn sie regelmäßig wiederkehren. Das ergibt auch Sinn, denn wenn wir vor einer Aufgabe immer wieder stehen, lohnt es, sich ihre Lösung auf Dauer einzuprägen. Begegnen wir einem Problem hingegen nur einmal oder sehr selten, spart sich das Gehirn den Speicherplatz und riskiert lieber, beim nächsten Mal noch einmal neu überlegen zu müssen.
Doch was im Alltag Sinn ergibt, wird in der Schule schnell lästig. Zum Beispiel beim Fremdsprachen Lernen: Wer in England lebt, hört ein eher seltenes Wort vielleicht nur alle paar Tage oder Wochen einmal. Das genügt, um es sich im Laufe der Zeit einzuprägen. In der Schule wird die Vokabel jedoch vielleicht erst nach einem Jahr wieder benötigt – zu spät für das Gehirn, um sie als relevant einzustufen. Ähnlich ist es mit dem Aufbau der Pflanzenzelle, chemischen Formeln, den Hauptstädten der Europäischen Union: Alles Lernstoff, der zwar garantiert wiederkehrt, aber doch zu selten, um ihn automatisch abzuspeichern.
Den „Spacing-Effekt“ nutzen
Deshalb lohnt es sich, beim Lernen den Spacing-Effekt gezielt zu nutzen. Das bedeutet: Lernpausen zu machen und Stoff zu wiederholen – auch wenn es erst einmal Zeit kostet. Drei konkrete Beispiele:
- Besser jeden Tag nur zehn Vokabeln lernen, als vor den nächsten Test 150 davon am Stück zu pauken.
- Grundwissen aus den Fächern wiederholt man besser regelmäßig kurz, anstatt es erst dann wieder intensiv zu lernen, wenn es im Unterricht gefragt ist.
- Beim Lernen auf Prüfungen lohnt es sich, bewusst Pausen einzulegen, ehe man sich mit demselben Lernstoff wieder befasst.
Doch wie lang sollten solche Lernpausen sein? Darauf geben die Arbeiten aus Martinsried (hier die Originalpublikation) einige Hinweise. Annet Glas und Pieter Goltstein aus dem Neurobiologie-Team von Mark Hübener und Tobias Bonhoeffer ließen Mäuse in einem Labyrinth versteckte Schokolade finden. Nach einer Pause, die je nach Tier entweder 30 Sekunden oder 10, 30 oder 60 Minuten lang war, kamen die Tiere wieder in das Labyrinth und durften das Versteck noch einmal aufsuchen. Diesen Versuch machten die Forschenden dreimal hintereinander und maßen dabei, wie lange die Mäuse brauchten, um die Schokolade zu finden – und wie schnell es ihnen gelang, das gleiche einen Tag später noch einmal zu tun.
Längere Lernpausen wirken besser
Das überraschende Ergebnis: Zwar taten sich die Mäuse mit den längsten Pausen zwischen den Erkundungen zunächst am schwersten, sich den Weg zur Schokolade zu merken. Am nächsten Tag jedoch waren sie es, die sich besser an den Weg durch das Labyrinth erinnerten. Die längeren Lernpausen hatten also das Lernen zunächst verlangsamt, dem Gedächtnis aber letztlich gut getan.
Mit längeren Pausen lernt man langsamer – aber effektiver
Dem Grund dafür kamen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf die Spur, als sie die Gehirnaktivität der Mäuse während des Experiments untersuchten. Anders als von den Forschenden erwartet, stellten sie dabei fest, dass die Mäuse mit den kürzesten Lernpausen bei den einzelnen Erkundungen jeweils andere Nervenzellen verwendeten, während bei den Tieren mit den längeren Pausen immer wieder dieselben Zellen aktiviert wurden. Möglicherweise werden dadurch die Verbindungen zwischen den mehrfach verwendeten Zellen gestärkt, und die Erinnerung verfestigt sich.
Tipp: Lernstoff an mehreren Tagen wiederholen
Wie lassen sich diese Ergebnisse auf den Menschen übertragen? Wie lang sollten Lernpausen möglichst sein? Die Antwort darauf ist nicht einfach, dafür sind Maus und Mensch zu unterschiedlich. Auf jeden Fall „sollte das menschliche Gedächtnis im Hinblick auf eine längere Zeitskala betrachtet werden als das von Mäusen“, erklärt Pieter Goltstein vom Max-Planck-Institut für Neurobiologie. Für Schülerinnen und Schüler geht es also weniger darum, ob sie zehn Minuten oder eine halbe Stunde Luft schnappen gehen, sondern sie sollten sich das Lernen auf mehrere Tage aufteilen.
Auch wenn das durch ihre Versuche nicht direkt belegt sei, hat der Experte für Lernende einen praktischen Tipp: „Sollten Sie zur Vorbereitung auf eine Prüfung 15 Stunden benötigen, können Sie das Erlernte anschließend länger behalten, wenn Sie auf einen längeren Zeitraum verteilt fünf Mal jeweils drei Stunden lernen anstatt einmal 15 Stunden am Stück“, so Goltstein. Dabei sei es jedoch wichtig, sich dieselben Informationen wiederholt einzuprägen und nicht an jedem Tag ein anderes Kapitel zu lernen.
Der Nutzen von Lernpausen hat übrigens auch Grenzen. Eine weitere Gruppen von Mäusen hatte zwischen den Erkundungen ganze drei Stunden Pause. Das war offenbar zu viel: Sie konnten sich den Weg durch das Labyrinth nicht merken. Ihnen ging es wie Schülern, die zu lang warten, ehe sie Lernstoff wiederholen.
Wer effektiv lernen möchte, muss sich dafür also Zeit nehmen. Wichtig ist einerseits regelmäßiges Wiederholen: Dabei darf die Zeit zwischen den Wiederholungen umso länger werden, je besser der Lernstoff sitzt. Andererseits sollten Lernende ihre Vorbereitung auf Prüfungen rechtzeitig planen. Die meisten Schülerinnen und Schüler kostet das Wiederholen und Plan sicher Überwindung. Doch es lohnt sich: Wenn im Unterricht das nächste Mal wieder Grundwissen gefragt ist, genügt ein kurzer Blick darauf, um den Stoff wieder parat zu haben.
Lernpausen: Wie lang sollten sie sein? Foto: freepik