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Kluge Konzepte und zwei goldene Regeln: So bleiben Schultoiletten sauber

Sie entwerfen ein Ampelkonzept, stellen Pflanzen auf, installieren Diskokugeln oder extragroße Spiegel: Einige Schulen legen sich für saubere Schultoiletten richtig in Zeug. Das lohnt sich für alle – und man kann damit sogar Preise gewinnen


Das sieht gut aus heute. Alles ist sauber und trocken, Klopapier ist noch genug da, Seifenspender und Handtuchrolle sind voll. Es riecht angenehm, und die Pflanzen sehen auch zufrieden aus. Ein klarer Fall für die zwei jungen Kontrolleure: Heute steht die Ampel auf Grün.

Je zwei Kinder erstatten an der Münchner Stielerschule jede Woche Bericht: Sind die Schultoiletten sauber? Dann zeigt die Toilettenampel grün. Sind sie, na ja, schon noch so ok? Dann zeigt sie gelb. Und wenn es müffelt oder eklig aussieht, schaltet die Ampel auf rot – und die Lehrkraft sorgt dafür, dass sich das ändert. Mit diesem einfachen Kontrollsystem haben die Münchner Grundschule und das Förderzentrum an der Stielerstraße etwas erreicht, woran die meisten anderen scheitern: Ihre Toiletten sind sauber – und bleiben es in der Regel auch.

Wie bleiben Schultoiletten sauber? Das fragen sich viele Schulen

Eklige Schultoiletten sind eines der häufigsten Ärgernisse im Schulalltag. Lehrkräfte und Eltern, vor allem aber die Schülerinnen und Schüler selbst klagen über Dreck und Gestank, über Papiertücher am Boden, über Vandalismus und fehlendes Klopapier. „Ich würde mich in unserer Schule nie auf eine Toilette setzen“, sagt zum Beispiel die 13-jährige Münchnerin Marie: „Wenn ich unbedingt pinkeln muss, hocke ich mich drüber. Und alles andere mache ich zu Hause. Den Hintern abputzen kann man sich in der Schule eh nicht, weil entweder kein Klopapier da ist, oder es hat jemand draufgepinkelt.“ Die Schülerin besucht ein Gymnasium am Stadtrand – in ruhiger, wohlhabender Gegend, kein Brennpunktviertel.

Ich würde mich in unserer Schule nie auf eine Toilette setzen Marie, Gymnasialschülerin in München

Wie Marie geht es vielen Kindern und Jugendlichen. Fast die Hälfte der Schülerinnen und Schüler vermeidet es, in der Schule zu urinieren, das hat eine Studie der German Toilet Organization (GTO) in Zusammenarbeit mit dem Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit des Universitätsklinikums Bonn (IHPH) ergeben. Das Defäkieren, also das „große Geschäft“, vermeiden sogar 85 Prozent. Etwa 1000 Berliner Schülerinnen und Schüler der 9. Klasse wurden für die Studie befragt – und ihre Antworten waren eindeutig: Wir haben ein Toiletten-Problem.

Verschmiert, verschmutzt, vernachlässigt: Die meisten Toiletten sind Orte zum Abgewöhnen

„Es ist schmutzig. Der Boden ist nass. Papierhandtücher liegen herum. Zum Teil gibt es Vandalismus im Sinne von Schmierereien, manchmal auch weitergehende Beschädigung von Inventar“: So fasst Andrea Rechenburg vom IHPH typische Beobachtungen aus ihrer Studie zusammen. Neben einem Fragebogen, den die Schulleitung ausgefüllt hat, haben sich die Expertinnen und Experten der GTO auch vor Ort in den teilnehmenden Schulen einen Eindruck gemacht. Viele der üblichen Klagen haben sich laut der promovierten Biologin dabei bestätigt, aber: „Bei den Begehungen stellt man manchmal fest: Gar so schlimm ist es auch wieder nicht.“

Wenn ich mich einem Ort nicht wohl fühle, dann meide ich ihn Andrea Rechenburg, Biologin

Objektiv betrachtet seien die Schultoiletten durchaus funktionell gewesen, sagt Rechenburg. „Die Grundausstattung und auch der hygienische Zustand waren in der Regel akzeptabel.“ Insofern sei zumindest das Problem der Funktionalität vermutlich nicht ganz so groß, wie die Schülerinnen und Schüler es empfinden. Trotzdem sei ihr negatives Gefühl verständlich – und das hat Folgen, weiß Rechenburg: „Wenn ich mich einem Ort nicht wohl fühle, dann meide ich ihn. Und wenn ich ihn dann doch besuchen muss, passe ich womöglich nicht so gut auf ihn auf, wie ich sollte.“

Auffällig ist jedenfalls: Wo es in der Studie Vandalismus gab, wo also zum Beispiel Trennwände beschmiert oder zerkratzt waren, wurden die Toiletten nicht nur von ihren Benutzern schlechter bewertet – sie verdreckten auch schneller. Schmutz zieht Schmutz an, glaubt Andrea Rechenburg: „Wenn die Toiletten so aussehen, als würde sich niemand darum kümmern, dann kann ich mich darin aufführen, wie ich will.“

Saubere Schultoiletten in der Stielerschule in Münche - Magazin SCHULE
So sehen saubere Schultoiletten aus: An der Stielerschule in München sorgt ein Ampelsystem dafür, dass die Schülerinnen und Schüler gern zur Toilette gehen. Mit ihrem Konzept hat die Schule einen Hauptpreis beim Wettbewerb „Toiletten machen Schule“ der German Toilet Organization gewonnen.

Doch auch der umgekehrte Fall gilt: „Wo die Toiletten mehrfach gereinigt werden, also auch tagsüber sauber gemacht wird, da fühlen sich die Schülerinnen und Schüler in der Regel wohler, und es gibt sowohl weniger Verunreinigung als auch weniger Vandalismus“, erklärt die Wissenschaftlerin. „Wenn man als Nutzerin oder Nutzer sieht, dass da sauber gemacht wird, und vielleicht sogar das Personal kennenlernt, dann entsteht eine persönliche Bindung. Und die erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass mit dem Inventar besser umgegangen wird.“ Dass den Schulen das Budget für eine Extra-Reinigung fehlt, lässt Rechenburg dabei nicht als Entschuldigung gelten: Zumindest in Berlin stellt der Senat zusätzliche Mittel für eine Tagesreinigung bereit – die Schulen wussten dies nur offenbar nicht.

Schultoiletten müssen mehrmals am Tag gereinigt werden. Am Flughafen klappt das doch auch Svenja Ksoll, German Toilet Organisation

Mittags einmal mehr putzen, das ist also schon eine goldene Regel. Aber ist die Lösung des Schulklo-Problems wirklich so einfach? Zumindest ist das ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zu dauerhaft sauberen Toiletten, meint Svenja Ksoll, die für die German Toilet Organisation die Berliner Studie begleitet hat: „Schultoiletten sind hochfrequentierte Nutzungsanlagen, und die sollten im Tagesdienst mehrmals am Tag gereinigt und aufgefüllt werden. Am Flughafen klappt das auch.“ Dafür müssten allerdings auch die Verantwortungen klar sein: Wer kümmert sich im Reparaturen und um Füllgüter? Und zwar kurzfristig?

Nur wenn alle an der Schule eingebunden werden, bleiben die Schultoiletten auf Dauer sauber

Wie in der Stielerschule. Die Schülerinnen und Schüler dort wissen: Wenn sie eine verschmutzte Toilette oder eine verklemmte Klospülung melden, ändert sich dieser Zustand bald. „Wir haben jede Woche ein wechselndes Team aus Schülerinnen und Schülern, der technischen Hausverwaltung und Lehrkräften, das sich um solche Dinge kümmert“, erklärt die Grundschulrektorin Claudia Schöll. Es wird kontrolliert, repariert, eine Zwischenreinigung veranlasst. Die Blumen auf der Toilettenfensterbank werden gegossen, die Duftspender nachgefüllt. Die ganze Schulfamilie ist eingebunden, und zwar nicht nur in der Grundschule, sondern auch beim Förderzentrum, mit dem sie sich das Gebäude teilt. Ein großer Aufwand – aber einer, der sich lohnt. Und den vor allem die Schülerinnen und Schüler angestoßen haben.

„Das war in Schulversammlungen immer ein großes Thema“, erinnert sich Rektorin Schöll. Die Kinder hatten den ausdrücklichen Wunsch, dass ihre Schultoiletten schöner und sauberer werden sollten. Daraufhin nahmen sich zwei Schulmediatoren der Sache an. Die ehrenamtlichen Helfer der Mediationszentrale München hörten den Schülerinnen und Schülern zu, sprachen mit Eltern und Lehrkräften und banden die technische Hausverwaltung ein. Gemeinsam erstellten sie ein Konzept mit dem Ampelsystem im Zentrum – und bewarben sich damit 2024 beim Wettbewerb „Toiletten machen Schule“ der GTO.

Mit ihrem Schulwettbewerb möchte die GTO den Einrichtungen einen zusätzlichen Anreiz bieten, sich auf den Weg zu sauberen Schultoiletten zu begeben. Insgesamt 50.000 Euro hat die Organisation dafür zuletzt an Preisgeldern zur Verfügung gestellt. Die Resonanz ist riesig: Über 200 Einrichtungen aus allen Bundesländern haben sich allein 2024 beworben. Einen der Hauptpreise hat die Stielerschule gewonnen – unter anderem gerade weil sie bei ihrem Konzept so viele unterschiedliche Akteure eingebunden hatte.

Verbesserungen sind immer ein Prozess und kein abgeschlossenes Projekt Svenja Ksoll

Denn genau diese übergreifende Zusammenarbeit ist der zweite wesentliche Schlüssel dafür, dass der Weg zu sauberen Schultoiletten gelingt, weiß Svenja Ksoll von der GTO: „Die Schülerinnen und Schüler müssen sich mit ihren Anliegen ernst genommen fühlen. Deswegen ist es absolut zwingend, dass sie auch strukturell an dem Prozess beteiligt sind.“ Das könne mit einer Umfrage und einer möglichen Umgestaltung der Toilettenräume anfangen, dürfe dort aber nicht aufhören: „Jedes Jahr kommen ja neue Menschen an die Schule, und diese sollten schnellstmöglich in den Prozess aufgenommen werden. Deswegen ist es sehr wichtig zu verstehen, dass die Verbesserung der Toilettensituation immer ein Prozess ist und kein abgeschlossenes Projekt.“

Manche wünschen sich Diskokugeln, andere Pflanzen. Und große Spiegel sind wichtig

Die Beiträge zu den bisherigen Wettbewerbsrunden zeigen, was alles möglich ist, wenn alle in der Schule an einem Strang ziehen: In einigen Toilettenräumen drehen sich jetzt Diskokugeln, in anderen finden Vernissagen statt. Viele Schulen haben die Wände verziert oder Pflanzen aufgestellt, manche bieten kostenlose Menstruationsprodukte im Mädchenklo an.

Und Spiegel sind wichtig: „Wenn es einen großen Spiegel gab, war das aus Nutzersicht immer mit das Schönste an einem Toilettenraum“, berichtet Andrea Rechenburg aus ihrer Studie. „Und zwar nicht nur für die Mädchen, sondern auch für die Jungs.“ Auch die wollten schließlich checken, ob die Kleidung stimmt und die Frisur sitzt. „Das mag für uns Erwachsene nicht so bedeutsam sein. Aber in dem Alter ist Äußerlichkeit einfach wichtig, und dann wird es schon positiv wahrgenommen, wenn ein Spiegel im Toilettenraum ist“, sagt Rechenburg. Das sei sicherlich nur ein kleiner Schritt auf dem Weg zur Toilette als Wohlfühlort. Aber dafür sei so ein Spiegel auch nicht das teuerste Objekt in der Schule.

Auch die Jungs wollen checken, ob die Kleidung stimmt und die Frisur sitzt Andrea Rechenburg

Auch die Grundschule und das Förderzentrum an der Stielerstraße sind auf ihrem Weg zur Wohlfühltoilette noch nicht am Ziel angekommen. „Heute dürfen wir feiern, aber danach geht die Arbeit weiter“, hat Schulleiterin Schöll ihren Schülerinnen und Schülern nach dem Triumph bei „Toiletten machen Schule“ gesagt. Bunter sollen die Toilettenräume als nächstes werden, nicht mehr so abweisend weiß. Aber dafür müssen in der Standverwaltung erst einmal einige Menschen überzeugt werden.

Außerdem kommen ja jedes Jahr neue Kinder in die Schule, welche die Toilettenampel erst einmal kennenlernen müssen. Und andere ziehen dafür weiter an eine andere Schule, wo sie vielleicht wieder in unappetitlichen Toilettenräumen stehen. Aber vielleicht bringt ein Kind aus der Grundschule an der Stielerstraße ja dabei ein paar gute Ideen an Maries Gymnasium mit.

„Wie bleiben Schultoiletten sauber?“ – Fotos: Pixabay, Magazin SCHULE



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