Auf dem Papier liegt zwischen Wohn- und Wahnsinn nur ein einziger Buchstabe. In der Realität ist es manchmal noch viel weniger: „Ich bin ein bisschen durchgeknallt“, sagt Melanie Nedelko und lacht, „still sitzen ist nichts für mich, ich habe ständig neue Ideen.“
Wenn es mal wieder so weit ist, werden in der 135 Quadratmeter großen Dachgeschosswohnung im Wiener Süden die Möbel verrückt, Wände frisch angepinselt, Vasen besprüht oder Kissenbezüge genäht – und fleißig neu dekoriert. „Es fasziniert mich, wie man mit wenigen Handgriffen und einfachen Mitteln ein völlig neues Wohngefühl schaffen kann“, sagt Mutter Melanie, der kreative Kopf der vierköpfigen Familie. Ehemann Thomas und die beiden Töchter Emily, 9, und Alissa, 7, nehmen Melanies Dekorationswut gern hin – denn obwohl die Wege dorthin variieren, bleibt das Ziel immer dasselbe: ein heimeliges, behagliches Wohlfühlzuhause.
Dafür setzt die gelernte Krankenschwester auf viel Licht, freundliche Farben und reichlich Wohntextilien. „Decken, Kissen, Teppiche, Vorhänge – mit Stoffen bekommt man Gemütlichkeit und Wärme in die Räume“, sagt sie. Das Händchen für Stoffe hat sie von ihrer Mutter, einer Schneiderin. Einen ähnlichen Effekt hat, obwohl ungleich weniger kuschelig, naturbelassenes Holz. Über dem Esstisch hängt deshalb ein wild verzweigter Ast zwischen den Leuchten. Und ein besonderer Hingucker ist der große Stapel Brennholz, der sich in der Wohnzimmerecke türmt. Eine aus der Not geborene Idee: „Als wir eingezogen sind, war draußen noch kein Platz für das Feuerholz. Um es vor Nässe zu schützen, haben wir es drinnen gelagert. Das hat uns so gut gefallen, dass der Stapel bleiben durfte – obwohl wir mittlerweile ein Gartenhäuschen dafür haben.“
Wenn man öfter etwas Neues ausprobieren will, sind günstige Möbel einfach besserMelanie Nedelko
Die Leidenschaft für schönes Wohnen begleitet Melanie schon ihr ganzes Leben, stilistisch hat sie viele Phasen durchlebt: orientalisch, 19. Jahrhundert, Shabby-Look. „Ich habe alles ausprobiert und so nach und nach meinen eigenen Stil entwickelt“, sagt sie. Und der wäre? „Skandinavisch inspiriert, helle Farben, natürliche Materialien, klare Formen, reduziert und gleichzeitig gemütlich.“ Der nordische Touch ist tatsächlich unübersehbar. Ein bisschen Schweden schwingt immer mit, denn die Nedelkos sind Stammkunden bei Ikea: „Wenn man öfter etwas Neues ausprobieren will, sind günstige Möbel einfach besser.“ Einbauschränke oder massive Wohnwände bereiten der kreativen Mutter Kopfschmerzen, da setzt sie lieber auf austauschbare, erweiterbare und immer wieder neu kombinierbare Möbel, denen sie obendrein öfter mal einen neuen Anstrich verpasst. Alle paar Monate treibt es sie in den Baumarkt, um dort neue Farben oder Spühlacke zu besorgen. „Ein Regal oder eine Wand zu streichen verändert den kompletten Raum, kostet wenig Geld und ist leicht wieder zu ändern“, sagt sie.
Überhaupt macht der Mut zu Mustern und Farbe viel aus im Heim der Nedelkos. Große Punkte auf dem Teppich, zarte Rauten an der Wand im Kinderzimmer oder dünne Streifen auf Kissen und Decken bringen Pepp in die Wohnung. Erfrischend unwichtig sind der Wienerin hingegen teure Designerstücke. Hier ein Eames-Chair, dort ein Tablo-Tisch von Normann Copenhagen, das war’s. Stattdessen gibt es jede Menge DIY, Selbstgemachtes also. Die Bilder an den Wänden? Selbst gezeichnet oder fotografiert. Der Lampenschirm im Kinderzimmer? Einfach verkehrt herum aufgehängt, weil es lustiger aussieht. Die Kissen auf dem Sofa? Selbst genäht. Die dekorativen Origami-Vögelchen aus bedrucktem Papier? Selbst gefaltet. Das funktioniert, die Wohnung strotzt vor Stil, auch ohne teure Statussymbole, und ist der beste Beweis dafür, dass gute Ideen ein dickes Konto problemlos ausstechen können.
Blogtipp
Melanie Nedelko bloggt auf http://wienerwohnsinn.at über Wohndesign und originelle Deko-Ideen und liefert die Anleitung zum Nachmachen oft gleich mit. Seit kurzem ist die Österreicherin auch als Porträt- und Hochzeitsfotografin tätig.
Inspiration finden die Nedelkos überall. Ihre Ideen hält Melanie in einem kleinen Notizbuch fest, die meisten Anregungen findet sie in Blogs, Zeitschriften, auf Reisen, Spaziergängen oder „bei Mister Google“. Dort sucht sie auch Hilfe, wenn sie mal nicht mehr weiter weiß – denn im Internet gibt es für fast alles eine Anleitung. Im Internet stöbert sie außerdem auf Online-Flohmärkten wie ebay.de oder willhaben.at nach kleinen Schätzen. Ihr Trick: Farben und Oberflächen ausblenden – man kann ja später selbst zum Pinsel greifen.
Das einzige Möbelstück übrigens, das von der Änderungswut verschont bleibt, ist eine alte Holztruhe aus Melanies Heimat Kärnten. Die diente der Familie lange Zeit als Couchtisch und hat dabei nicht nur einige Gebrauchsspuren davongetragen, sondern den Kindern auch beim Laufenlernen geholfen. „Die Mädchen haben sich immer daran hochgezogen“, erzählt Melanie. Heute steht sie im Kinderzimmer und bleibt unangetastet. Denn die Familiengeschichte hat keinen neuen Anstrich nötig.