„Und, wohin geht Emma nächstes Jahr?“ Wer auf diese Frage mit der Schule um die Ecke antwortet, erntet oft erstaunte Blicke. Wo die Eltern die Wahl haben, wetteifern Schulen oft mit unterschiedlichen Schwerpunkten oder Zweigen, mit Ganztagszügen um die Gunst der Schüler – da muss das Naheliegende nicht immer das Beste sein, meinen viele Eltern. Andernorts suchen Eltern nach Alternativen, weil die Sprengelschule aus allen Nähten platzt oder weil auf dem Land der Schulbus dorthin viel zu lange braucht. Und ohnehin haben viele Eltern die Sorge, dass ihr Kind an der öffentlichen Schule nicht die Förderung bekommt, die es braucht. Jedenfalls gibt es viele Gründe, nach Alternativen zu staatlichen und städtischen Einrichtungen zu suchen. Entsprechend groß ist das Interesse an Privatschulen – und das Angebot.
1. Welche Arten von Privatschulen gibt es eigentlich?
Seit dem Jahr 2000 ist die Zahl der Privatschulen in Deutschland um fast die Hälfte gestiegen. Heute gibt es 5 839 Schulen in freier Trägerschaft. Rund zwei Drittel davon sind konfessionelle Schulen, werden also beispielsweise von der katholischen oder evangelischen Kirche geführt. Die meisten dieser Privatschulen nehmen zwar auch Schüler anderer Konfessionen auf, der Religionsunterricht ist aber für alle obligatorisch, religiöse Bräuche und Gebete sind in den Schulalltag integriert.
Zwei Drittel der Privatschulen sind konfessionell
Die zweite große Gruppe der Privatschulen verfolgt einen reformpädagogischen Ansatz. Dazu gehören zum Beispiel die Waldorf-, Montessori- und Jenaplan-Schulen, außerdem die Freien Alternativschulen. In diesen Einrichtungen werden die Selbstständigkeit und Entfaltung der Schüler betont und gefördert, während gleichzeitig versucht wird, den Kindern zumindest teilweise den Leistungsdruck zu nehmen.
Und schließlich gibt es noch die bilingualen Schulen, die auf Englisch, Französisch, Spanisch oder Italienisch als zweite Unterrichtssprache setzen. An Internationalen Schulen etwa wird komplett auf Englisch unterrichtet und meist auch ein internationaler Abschluss erworben.
2. Sind Privatschulen nur etwas für Reiche?
Das dürfen sie nicht sein. Das Grundgesetz ist in diesem Punkt sehr eindeutig: Zwar können Schulen in freier Trägerschaft ihre Schüler frei wählen, aber das Gesetz gibt vor, dass „eine Sondierung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird“. Das Schulgeld muss deswegen sozial verträglich sein, die meisten Schulen bieten auch Stipendien und Geschwisterermäßigungen an.
Allgemeinbildende Ersatzschulen bekommen vom jeweiligen Bundesland Zuschüsse, je nach Region und Schule sind das zwischen 50 und 80 Prozent der Kosten je Schüler. Die Privatschulen selbst kritisieren den staatlichen Finanzausgleich als in den meisten Fällen zu niedrig. Einige Bildungsforscher hingegen weisen darauf hin, dass viele Schulen die Vorgaben der Bundesländer zu sozial verträglichen Schulgeldern missachten.
Privatschulen sind elitärer geworden
Jedenfalls sind die deutschen Privatschulen in den vergangenen Jahrzehnten elitärer geworden: Einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge findet man dort immer mehr Kinder von Akademikern und Vielverdienern. Mitte der Neunzigerjahre schickten etwa fünf Prozent aller Haushalte ihre Kinder auf eine Privatschule, unabhängig davon, ob die Eltern studiert hatten. Laut DIW sind diese Werte für Nichtakademiker seitdem kaum gestiegen. Von den Akademikerkindern indes gingen 2015 in den westlichen Bundesländern 17 Prozent und im Osten sogar 23 Prozent auf eine Privatschule. Der Verband Deutscher Privatschulverbände e. V. (VDP) hingegen hat aus denselben Daten errechnet, dass die Schülerschaft an freien Schulen beim Einkommen der Eltern praktisch genauso heterogen sei wie an staatlichen Schulen.
3. Was kostet der Besuch einer Privatschule?
Das Schulgeld kann sehr unterschiedlich ausfallen: Während einige, vor allem konfessionelle Schulen gar kein oder nur wenig Geld nehmen, verlangen andere Einrichtungen monatlich einen vierstelligen Betrag. Die bereits erwähnten Stipendien und Rabatte verkomplizieren das System zusätzlich; manche Bundesländer zahlen bedürftigen Eltern auch Zuschüsse auf das Schulgeld.
Durchschnittlich muss man für einen Platz an einer deutschen Privatschule zwischen 150 und 180 Euro monatlich zahlen. Genehmigte Ergänzungsschulen, die alternative Bildungsgänge und Abschlüsse anbieten, erhalten anders als Ersatzschulen gar keine Zuschüsse vom Staat. Dort ist das Schulgeld daher in der Regel höher.
4. Sind die Lehrer an Privatschulen besser?
Was ihr Personal betrifft, sind die Privatschulen in Deutschland in einer besonderen Situation: Der Staat hat hier das Monopol für die Lehrerausbildung. Zwar steht es jeder ausgebildeten Lehrkraft frei, an eine private Schule zu gehen. Die Bundesländer sichern sich jedoch für ihre öffentlichen Schulen meist die Jahrgangsbesten, indem sie mit der Verbeamtung winken.
In England gehen die besten Lehrer zu den Privaten
„Das ist in England ganz anders“, erklärt der Internatsleiter der Klosterschule Roßleben, David Lucius-Clarke. „Dort bekommen Lehrer an Internaten mehr Geld und mehr Urlaub als an staatlichen Schulen. Entsprechend kommen dort die besten gleich zu uns.“ Das bedeutet aber nicht, dass die Lehrkräfte an deutschen Privatschulen schlechter wären. Viele entscheiden sich bewusst für diesen Berufsweg, weil an solchen Schulen oft die Klassen kleiner, die Entscheidungswege kürzer und die Ausstattung besser sind. Außerdem bieten die pädagogischen Profile privater Schulen meist viel Raum für die Verwirklichung eigener Ideen.
Um den Nachteil auszugleichen, dass ihnen viele begabte Lehrkräfte von den Unis entgehen, investieren Privatschulen zudem vergleichsweise viel in die Auswahl und Fortbildung ihres Kollegiums, schließlich hängt das Image der Schule direkt mit der Qualität des Unterrichts zusammen. Diese Förderung und Anerkennung ihrer Tätigkeit macht Privatschulen für viele Lehrkräfte zu einem attraktiven Arbeitgeber, obwohl sie dort auch gewisse Nachteile hinnehmen müssen: Sie verdienen im Schnitt zehn bis 20 Prozent weniger als im öffentlichen Dienst und werden eben nicht verbeamtet.
5. Ist der Unterricht schwerer oder leichter?
Weder noch. Zwar zeigte sich bei den PISA-Testreihen, dass Schüler, die Privatschulen besuchen, tendenziell bessere Ergebnisse erzielten. „Allerdings“, so fasste es die OECD 2011 zusammen, „sind die Ergebnisse von Schülerinnen und Schülern öffentlicher Schulen, deren sozioökonomischer Kontext mit dem privater Schulen vergleichbar ist, in der Regel ebenso gut.“ Den größten Einfluss auf den schulischen Erfolg hat die Herkunft, also das Elternhaus.
Auch Private müssen sich an Vorschriften halten
Und auch Privatschulen müssen sich an Prüfungsvorschriften halten. Eltern können also nicht automatisch einen guten Notenschnitt erwarten, nur weil sie für die Ausbildung ihrer Kinder bezahlen. Trotzdem hört man immer wieder Geschichten von Schülern, die an staatlichen Schulen zu den Sorgenkindern gehörten und an Privatschulen plötzlich zu Einserkandidaten wurden. Eine mögliche Erklärung dafür könnte sehr einfach sein: Manche Kinder brauchen einfach eine intensivere Betreuung, um ihr Potenzial zu entfalten.
6. Wie finden Eltern die richtige Schule für ihr Kind?
Nicht nur das pädagogische Konzept sollte überzeugen, der persönliche Eindruck ist mindestens genauso wichtig. Ob die Atmosphäre und das Selbstverständnis der Schule den eigenen Erwartungen entsprechen, lässt sich nur vor Ort, in Gesprächen mit Schülern, Lehrern, anderen Eltern und bestenfalls auch der Schulleitung herausfinden. Viele Privatschulen laden regelmäßig zu Informationstagen ein, zu denen unbedingt auch die Schüler mitkommen sollten. Kinder haben oft ein gutes Bauchgefühl dafür, ob sie sich an einem Ort wohlfühlen werden.
Können Sie sich das Schulgeld langfristig leisten?
Außerdem wichtig: Eltern sollten ganz genau kalkulieren, ob sie sich das Schulgeld wirklich langfristig leisten können. Zum einen, weil sie einen Vertrag mit der Schule abschließen und sich an normale Kündigungsfristen halten müssen, vor allem aber, um einen Schulwechsel aus finanziellen Gründen zu vermeiden. Das gilt umso mehr bei Ergänzungsschulen, die nicht nach den offiziellen Bildungsplänen unterrichten. Von ihnen kann ein Wechsel ins staatliche Schulsystem sehr kompliziert werden.
7. Was erwarten Privatschulen von den Eltern?
Wer überlegt, sein Kind auf eine freie Schule zu schicken, sollte sich darüber im Klaren sein, dass von den Eltern meist besonderes Engagement erwartet wird. Kleinere Handwerker- und Hausmeistertätigkeiten, Begleitung bei Ausflügen – die Liste möglicher Elternaufgaben ist lang. Insbesondere in alternativpädagogischen Einrichtungen wie Montessori- und Waldorfschulen sind solche Dienste selbstverständlich.
Vom Elterneinsatz profitieren auch die Kinder
Die meisten Privatschulen setzen sowohl aus Prinzip als auch aus Pragmatismus auf die Mithilfe der Eltern: Einerseits spart der Einsatz Geld, andererseits fördert er aber auch die Beziehung zwischen Eltern und Schule. Der Bildungsforscher Klaus Hurrelmann glaubt, dass auf diese Weise sogar das Leistungsniveau gesteigert wird: „Die Eltern sind im System, lernen die Lehrer intensiver kennen.“ Davon profitierten dann letztlich die Kinder.
8. Kann mein Kind zurück auf eine staatliche Schule wechseln?
Grundsätzlich ja, alle Schüler haben das Recht, ins öffentliche Schulsystem aufgenommen zu werden. Zum Problem wird ein solcher Wechsel jedoch, wenn die Privatschule nicht staatlich anerkannt, sondern nur genehmigt ist. Genehmigte Ersatzschulen, zum Beispiel viele International Schools, sind nicht an die offiziellen Bildungspläne gebunden und vergeben keine staatlichen Abschlüsse wie die mittlere Reife oder das Abitur. Ihre Zeugnisse sind bei einem Schulwechsel nicht verbindlich, die öffentlichen Schulen entscheiden durch eine Aufnahmeprüfung selbst, in welche Klasse der Schüler eingestuft wird.
9. Für welche Kinder eignen sich Internate?
Manchmal ist es eine besondere Begabung, z. B. musikalisch oder sportlich, die Kinder auf ein Internat führt, oder die Eltern sind beruflich sehr eingespannt. Auch manches Lern- oder Verhaltensproblem bessert sich in der Ferne. Die rund 600 Internate in Deutschland haben unterschiedliche Konzepte, in einem Punkt ähneln sie sich aber: Die intensive Betreuung ist teuer. Staatliche Einrichtungen verlangen etwa 300, konfessionelle schon 500 und manche Eliteschmieden mehrere Tausend Euro im Monat. Internate im Ausland versprechen Fremdsprachenkenntnisse, sind aber meist noch teurer.
Viele schätzen die Gemeinschaft am Internat
Viele Schüler schätzen das Gemeinschaftsgefühl eines Internats, Alumni bleiben ihrer Schule oft ihr Leben lang verbunden. Aber nicht jeder verkraftet die Trennung von der Familie: Je nach Konzept kehren die Schüler entweder am Wochenende oder erst in den Ferien wieder nach Hause zurück.
Berater helfen bei der Auswahl geeigneter Internate, in jedem Fall sollten sich Eltern gemeinsam mit ihrem Kind das Internat vor Ort ansehen. Und ganz wichtig: In keinem Fall sollte ein Kind gegen seinen Willen auf ein Internat
geschickt werden.
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