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Schulcafé

Schlemmerstunde: Wer Schüler in der Pause zu gesunden und frischen Snacks verführen möchte, muss sich schon etwas einfallen lassen. Einem Düsseldorfer Schulcafé ist das Experiment gelungen


Über die Zutaten ihrer frischen Smoothies, Obstbecher, Suppen oder Salate entscheidet eigentlich der türkische Händler an der Ecke. Genauer: Sein Angebot, denn früh um sechs steht Natalie Gerwin vor Kisten voller Obst und Gemüse der Saison. Mit geübtem Blick wird ausgewählt, dann geht’s mit der leckeren Fracht zur Schule. Hier hat Mitarbeiterin „Mügge“ schon die Lieferung der Bäckerei angenommen, Körnersemmeln, Ciabatta-Brötchen und Bagel aufgeschnitten, Butter und Käse, Schinken, Lachs bereitgestellt. Daraus zaubert das eingespielte Duo herrliche Frühstückshappen, alle dekoriert mit knackigem Salat – die ab 7.30 Uhr bei Schülern und Lehrern reißenden Absatz finden.

Seit 2011 bietet das Schulcafé am Düsseldorfer Humboldt-Gymnasium gesunde, schmackhafte Zwischenmahlzeiten zu pennälerfreundlichen Preisen. Letzteres war Bedingung des neuen Konzepts, welches die althergebrachte und an vielen Schulen verbreitete „Büdchen“-Kultur ablösen sollte. Statt Süßigkeiten und Softdrinks am Kiosk (dem Büdchen) zu erstehen, sollten die Schüler neben frisch zubereiteten Nahrungsmitteln auch einen Platz bekommen, an dem sie sich mit Suppe oder Pizza an einen Tisch setzen konnten.

Ein Arbeitskreis „Brainfood“ lotete die Wünsche der künftigen Gäste aus, ebenso die Machbarkeit der Vorstellungen. Schulleitung, Förderverein, Eltern und Spender zogen an einem Strang. Bei der öffentlichen Ausschreibung im Frühjahr 2011 setzte sich Natalie Gerwin gegen alle Mitbewerber durch: mit innovativen Rezeptideen, unternehmerischer Bodenständigkeit und Erfahrung.

2,50 Euro kostet das kleine Mittagsgericht, die große Portion 3,50 Euro. Der Pizzateig ist natürlich selbst geknetet

Die dreifache Mutter hat Kunstgeschichte und Germanistik studiert, nebenher aber immer in Töpfen gerührt. Durchaus auch in größeren von Cafés oder Kneipen, wo sie mit kochen statt kellnern ihre Kasse aufbesserte. 2006 gründete sie mit einer Kollegin einen Cateringservice für offene Ganztagsschulen. Vier Jahre später arbeitete ein professionelles Team in der gepachteten Großküche quasi im Akkord, um 700 Mittagsmahlzeiten an verschiedene Standorte zu liefern: „Das war nicht mehr, was ich wollte“, befand Gerwin und stieg aus.

Ein Cateringprofi wie sie, der dazu noch über eigenes Equipment wie Töpfe und Geräte verfügte, passte perfekt ins Café-Konzept der Humboldt-Schulgemeinde. Der Förderverein erstand günstig eine neue Thekenausstattung, sorgte für Großgeräte wie Herd und Spülmaschine. Natalie Gerwin als Pächterin brachte ihre eigene Ausstattung mit, erhielt moderate Konditionen und verpflichtete sich im Gegenzug, die Preise für Schüler erschwinglich zu kalkulieren.

Nur die Idee, komplett auf Bioprodukte umzusteigen, ließ sich nicht realisieren: „Vieles ist im Augenblick einfach noch zu teuer“, bedauert die Café-Betreiberin. Stattdessen setzt sie auf Alternativen wie Biolimonade oder Schokoriegel aus Fair-Trade-Produktion. In der Küche kommen so viele natürliche Zutaten wie möglich in Töpfe und Pfannen, zum Beispiel Biobrühe, -gemüse oder -fleisch. Daneben schwört sie mit ihrem inzwischen vierköpfigen Team auf Resteverwertung: „Trockene Brötchen werden zu Semmelknödeln, Äpfel zu hausgemachtem Mus. Teige für Pizza oder Flammkuchen rühren wir selbst.“ Das schmeckt nicht nur besser als Tiefkühlkost, es ist auch günstiger.

Da das Gymnasium auch über eine Mensa verfügt, wird das Mittagessen im Café weniger stark nachgefragt. Etwa 40 Portionen eines Tagesgerichts wie mit Rinderhackfleisch gefüllte Kohlrabis oder Käsetortellini gehen über die Theke. In direkter Konkurrenz stehen die Gastronomie-Angebote nicht: An einem Automaten im Café sind durchaus auch Mensa-Bons erhältlich.

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Treffpunkt Schulcafé

Die Mensa ist an Schultagen zwischen 13 und 14.45 Uhr geöffnet und ihre Nutzung ausschließlich Schülern und dem Kollegium vorbehalten. Das Café, geöffnet zwischen 7.30 und 15 Uhr, ist mit dem hellen Mobiliar, Büchern, Spielen und Preisen zwischen 50 Cent für einen Fruchtjoghurt und 3,50 Euro (Student-Size: 2,50 Euro) für ein Mittagsgericht ganztägig ein beliebter Anlaufpunkt für Schüler und Lehrer in Pausen oder Freistunden.

Wie in den angesagten Cafés der City bekommt man auch hier Chai-Latte oder Cappuccino aus coolen Pappbechern – noch dazu preiswerter. Das macht das Schulcafé zusätzlich attraktiv, ebenso wie die Frühstückssnacks, die in dieser Vielfalt kaum ein Vater oder eine Mutter vor der Schule noch für den Sprössling zaubert. Und gegen frisch gebackene, duftende Muffins in der Vitrine hat das alte Kiosk-Flair kaum noch eine Chance.



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