Meinen & Sagen

Rufus Beck: „Ich fand die Schule einfach schrecklich!“

Da gibt es nichts zu beschönigen: Schauspieler und Hörbuchsprecher Rufus Beck wählt klare Worte über ein Schulsystem, das seiner Meinung nach an den Bedürfnissen der jungen Generation vorbeigeht. Und doch ist er dankbar, dass das Schicksal es gut gemeint hat – mit ihm und seinen eigenen Kindern


Eigentlich hatten Sie uns für unsere Interviewanfrage einen Korb gegeben: Sie hätten die Schule derart gehasst, dass Sie nichts zum Thema beisteuern könnten … Doch wir konnten Sie überzeugen: Genau das ist das Thema! Also, was genau hat Ihnen so das Kraut ausgeschüttet?

Ach, Schule war für mich von Anfang bis Ende eine Qual. So etwas wie Interesse, Neugier oder Spaß wurde bei mir nicht geweckt. Es gab in all den Jahren einen einzigen Lehrer, der den Deutschunterricht spannend und kreativ gestaltet hat und uns begeistern konnte. Mit dem wir ein Theaterstück einstudiert und Literatur in Form ­einer Schülerzeitung gelesen haben. Aber sonst bedeutete Schule für mich Zeit absitzen. Mir leuchtete nicht ein, dass die Lerninhalte irgendwas mit dem Leben zu tun haben. Mit dieser ablehnenden Grundeinstellung war ich nicht bereit, meine Ressourcen zu öffnen.

Wo, glauben Sie, liegt der Hund begraben? Lag’s nur an den Lehrern?

Ich denke, das Problem liegt im Schulsystem

Ich denke, es liegt an unserem deutschen Schul­system. Die meisten Lehrer bei uns sind Beamte auf ­Lebenszeit, sind dem Staat unterstellt. Und wenn sie sich nicht wirklich etwas zuschulden kommen lassen, hangeln sie sich von einer Beförderung zur nächsten. Vielleicht hatte ich auch wirklich Pech mit meinen Lehrern, ­denen es an Leidenschaft, Herz und Kreativität fehlte. Kinder sind doch Individuen, auf die Erzieher individuell eingehen müssen, um ihre Talente und Neigungen hervorzuholen und zu fördern. Das ist bei mir nie geschehen, daher habe ich mich eingekapselt.

Entsprechend schlecht waren Ihre Noten, vermutlich?

Sie waren schlecht, aber gut genug, um mich Jahr für Jahr durchzuwursteln. Damit habe ich mir natürlich ­viele Optionen, Studium oder Berufsausbildung betreffend, verbaut. Jetzt weiß ich, das alles hat eine bestimmte ­Logik. Mit besseren Noten wäre ich vielleicht dem Wunsch meines Vaters nachgekommen und wäre Jurist geworden. So bin ich an der Uni bei Islamwissenschaft, Ethnologie und Philosophie gelandet. Eine akademische Karriere ist daraus nicht geworden. Aber ich habe in der Zeit in ­Heidelberg die richtigen Leute getroffen, die mich mit der Schauspielerei in Verbindung gebracht haben.

Sie machen dennoch nicht den Eindruck, als sei Bildung bei Ihnen zu kurz gekommen.

Ich habe erst als Schauspieler die Gelegenheit genutzt, Versäumtes nachzuholen. Sprachen, Politik, Kunst, Literatur … für mich haben sich neue Horizonte aufgetan. Mir wurde die Schauspielerei ja nicht in die Wiege gelegt. Ich habe einmal als Schüler in einem Theaterstück mitgespielt, mit 16 habe ich mein erstes Stück gesehen. Trotzdem haben mich später Menschen zum Theater gebracht. Dieser Beruf hat mich ausgewählt. Von da an habe ich gelernt, mir Texte einzuprägen, sie wiederzugeben, mich zu konzen­trieren, auf den Punkt fokussiert zu sein. Das Schicksal hat es wirklich gut mit mir gemeint.

Das klingt dann doch nach einer späten Versöhnung mit der Schule?

Auch als Vater habe ich schlechte Erfahrungen gemacht

Nein, auf keinen Fall! Ich fand Schule schrecklich und kann auch im Nachhinein nichts beschönigen. Ich habe später auch als Vater schlechte Erfahrungen mit der ­Schule machen müssen. Beispiel: Meine Tochter Nathalie wurde angefragt, an einem Casting zu einem Fernsehfilm teilzunehmen. Da sich die Dreharbeiten zum Teil mit dem Schulunterricht überschnitten, musste ich mit den Lehrern wegen einer Unterrichtsbefreiung sprechen. Ich war zu der Zeit selbst gerade am Drehen und hatte wenig Zeit. Doch kein Lehrer war bereit, mir einen Termin außerhalb der offiziellen Lehrersprechzeiten zu geben. Da ist mir der Kragen geplatzt. Das brachte mich auf die Idee, ­meine Kinder auf eine private Schule zu geben.

Hatten Sie bei Ihren eigenen Kindern auch immer die Befürchtung, dass sie die Schule als ähnlich großes Fiasko erleben wie Sie selbst?

Absolut. Diese Gedanken haben sich wie ein roter Faden auch durch die Schulzeit meiner Kinder gezogen. Während meine eigenen Eltern sehr beschäftigt waren und von meinen Nöten nicht viel mitbekommen haben, habe ich die Situation sehr aufmerksam verfolgt. Und ich war ein Einzelkind. Meine Kinder dagegen konnten sich als Geschwister untereinander herausfordern, antreiben und unter die Arme greifen. Alle drei waren auf der Munich International School und haben sich sehr wohlgefühlt in dieser multikulturellen Mitschüler- und Lehrerschar.

Sie plädieren nach diesen Erfahrungen also für ein interna­tionales Schulsystem?

Nicht pauschal und nicht für jeden. Aber für uns als Künstlerfamilie war dieses Format die richtige Wahl. Mir ist klar, dass es ein großes Privileg ist, diese Option zu ­haben. Grundsätzlich gefällt mir dieses amerikanisch angehauchte System, in dem die Schüler die Lernstoffe ständig präsentieren und wiedergeben müssen. Das Sich-gut-verkaufen-Müssen halte ich für eine gute Übung, die im späteren Leben sehr nützlich sein kann. Es gab auch ­keine Probleme, die Kinder wegen Dreharbeiten vom Unterricht zu befreien. Natürlich haben wir Sorge dafür getragen, dass die Schulpflicht nicht vernachlässigt wurde. Daher waren meist Betreuer oder Erzieher am Set. Und während die Schauspielerkollegen in den Drehpausen ihre Füße hochlegten, mussten meine Kinder im Wohnwagen lernen.

Sie haben mit den „Harry Potter“-Hörbüchern Hunderttausende Kinder abgeholt, haben der Figur Ihren ganz persön­lichen Stempel aufgedrückt. Kam „Harry Potter“, ähnlich wie die Schauspielerei, zu Ihnen?

Die Eifersucht und Einsamkeit im Internat kannte ich zu gut

Sieht so aus. Dass ich „Harry Potter“ als Erzähler gestalten durfte, war ein großer Glücksfall. Da ich selbst einige Jahre aufs Internat ging, war mir die Figur auch sehr nahe. Die Eifersucht, die Revierkämpfe, die Einsamkeit – das kannte ich zu gut. Seit ich den ersten Band eingelesen habe, sind 20 Jahre vergangen. Noch heute sprechen mich junge Erwachsene auf der Straße an, die mir sagen: „Mit Ihnen habe ich meine Kindheit verbracht.“ Das macht mich schon stolz.

 

Rufus Beck (61) bezeichnet sich als „Zehnkämpfer der darstellenden Künste“. Er ist Schauspieler, Regisseur, Sänger, Sprecher und Autor; auch im Zirkus und auf der Musicalbühne ist er zu Hause. Einen überragenden Erfolg erzielte er als Erzähler der „Harry Potter“-Hör­bücher. Beck war mit der Autorin Joanne K. Rowling auf Tournee.



Unsere Themen im Überblick

Kommentare sind geschlossen.