Karoline Herfurth, seit 2018 sind Sie Kindern auch als kleine Hexe bekannt. Als Sie bei der Verfilmung des Kinderbuchklassikers von Otfried Preußler die Hauptrolle spielten, wollten Sie unbedingt eine künstliche Riesennase. Warum das?
Die kleine Hexe ohne große Nase – das geht wirklich nicht. Sie ist im Buch ja 127 Jahre alt, also noch eine junge Hexe. Als 33-jährige Frau ist es gar nicht leicht, eine so kindliche Figur zu spielen, da war die Nase eine große Hilfe. Außerdem hat mir die Nase sehr dabei geholfen, mich in die fantastische Stimmung des Films zu versetzen.
Haben Sie das Buch als Kind selbst gelesen?
Ich bin mit den Büchern von Erich Kästner, Michael Ende, Otfried Preußler und Astrid Lindgren aufgewachsen. Das Buch von der kleinen Hexe habe ich früher sehr gerne gelesen, aber es wurde mir auch viel vorgelesen.
Von Mama oder eher von Papa?
In meiner Patchworkfamilie war immer jemand da, der Zeit für mich hatte
Von beiden, aber auch noch von anderen Erwachsenen! Ich wuchs in einer großen Patchworkfamilie mit sieben Geschwistern auf. Es war immer jemand da, der Zeit für einen hatte. Aber am witzigsten war das Ins-Bett-Bringen mit meinem Papa.
Warum das?
Er ist immer beim Vorlesen weggedämmert – und plötzlich hat die Geschichte absurde Züge angenommen. Das Rotkäppchen geht auf den Fernsehturm und so …
Sie waren das zweitälteste Kind der großen Familie, pendelten zwischen zwei Haushalten in Berlin-Mitte und Berlin-Hohenschönhausen. Stellten Sie sich manchmal die Frage, wo sie eigentlich hingehören?
Ich habe es genossen, viele Menschen zu haben, die mich lieben
Natürlich muss jedes Kind erst einmal seinen Platz in einer Gemeinschaft finden und will dazugehören. Aber ich hatte immer einen festen Platz in einer riesigen Familie. Bei uns zu Hause war man nie allein. Ich habe es als Kind genossen, einen großen Kreis von Menschen zu haben, die sich für mich interessieren und die mich lieben. Eine Patchworkfamilie kommt der Theorie, dass es ein ganzes Dorf braucht, um ein Kind aufzuziehen, schon sehr nahe.
Lange waren Sie das einzige Mädchen unter den Kindern. Sind Sie mit Jungsspielen aufgewachsen?
Ach, so gendergerechte Spiele gab es bei uns nicht. Alle haben mit Puppen und mit Autos gespielt. Unsere Eltern waren ja eher offen, sie haben nicht in Pink und Blau gedacht.
Sie lebten passenderweise in der „Villa Kunterbunt“, einem Haus, das ihre Eltern mit Freunden saniert haben.
Genau, da standen die Türen immer offen, jeder kannte jeden. Wir Kinder sind im ganzen Haus herumgerannt. Als ich älter war, kletterten wir auch auf die Dächer von besetzten Häusern in Prenzlauer Berg.
Oh, das klingt gefährlich.
Die Punks wollten uns immer davon abhalten, hochzuklettern. Aber wir liebten den Nervenkitzel
War es vielleicht auch – die Punks, die die Häuser in der Dunckerstraße besetzt hatten, wollten uns immer davon abhalten, da hochzuklettern. Aber meine Freunde und ich liebten den Nervenkitzel und das Abenteuer, da hochzukommen. Die Häuser waren das reinste Paradies für Kinder – sehr bunt bemalt und besprüht, überall gab es etwas zu sehen. Angst hatten wir nur vor den Hunden oder davor, erwischt zu werden.
Doch eigentlich bezeichnen Sie sich eher als braven Teenager, oder?
Ich war kein besonders abenteuerlustiger Teenie. Ich habe im Kaufhof mal einen Hello-Kitty-Kuli geklaut, da war ich aber noch kleiner. Ich war dort öfter, weil wir zu Hause keinen Fernseher hatten und im Laden immer so ein Kinderfilm ohne Ton lief.
Wurden Sie erwischt?
Nein, aber mein Vater hat den Stift sofort entdeckt und mich gefragt, woher ich den hätte. Mein Papa hat natürlich, wie immer, jede Lüge durchschaut und ist mit mir zusammen zum Kaufhof gegangen, um den Stift zurückzubringen. Die Verkäuferin hat nur gelacht und mir mit einem Augenzwinkern Hausverbot erteilt – was aber eher eine Erziehungsmaßnahme war. Ich habe mich aber tatsächlich erst einmal nicht mehr reingetraut und dachte immer, wenn ich vorbeimusste, dass ich jetzt dort auf einer „Fahndungsliste“ stehe.
Wurden Sie von Ihren Eltern bestraft?
Im Gegenteil, mein Vater hat sogar das Taschengeld erhöht. Er sagte, wenn ich klauen müsste, dann hätte ich offensichtlich zu wenig Taschengeld.
Stimmt es, dass Sie bis heute das Abc tanzen können? Dann ist es nicht schwer zu erraten, auf welche Form von Schule Sie gegangen sind …
Ich war auf einer Waldorfschule, ja. Meine Mutter war selbst Lehrerin und vom Schulsystem der DDR vorbelastet. Sie hat nach dem Mauerfall nach einem alternativen Ansatz gesucht und sich die Waldorfschule angeguckt. Dort hat sie die bunten Räume gesehen und Kinder, die lachend über den Flur rennen. Übrigens habe ich Eurythmie – also die anthroposophische Bewegungskunst, bei der man lernt, seinen Namen zu tanzen – ganz freiwillig bis zum Abitur belegt.
Sind Sie mit der ganzheitlichen und etwas lockeren Pädagogik gut zurechtgekommen?
Ich war manchmal eine anstrengende und vorlaute Schülern
Sehr, ich mochte den Unterricht und fand auch viele Lehrer richtig toll. Obwohl ich, glaube ich, manchmal eine anstrengende und vorlaute Schülerin war.
Warum denn?
Mit einem Mathelehrer habe ich mich oft angelegt, weil ich bei ihm nichts verstanden habe. Dabei hatte ich nie Probleme mit Mathe, es war sogar eines meiner Lieblingsfächer. Ich fand es schade, dass der Lehrer einfach nicht erklären konnte.
Und von wem haben Sie richtig viel gelernt?
Von Frau Wagner, meiner Deutsch-Leistungskursleiterin. Sie hat mir beigebracht, in einfachen Sätzen zu
schreiben und mich klar auszudrücken. Das war ein richtiges Schlüsselerlebnis für mich – vorher habe ich immer in schrecklichen Schachtelsätzen geschrieben. Bis heute profitiere ich von Frau Wagners Deutschstunden.
In der elften Klasse mussten Sie dann die Schule wechseln, um auf der Rudolf Steiner Schule Berlin in Zehlendorf Ihr Abitur zu machen.
Ich kann dem Notensystem nichts abgewinnen
Ja. Im Abitur gab es für uns das erste Mal Noten. Das war zwar ungewohnt, aber ich halte das für unproblematisch. Ich kann dem Notensystem nichts abgewinnen. Mein Abitur habe ich dann in Biologie, Geschichte, Mathe, Russisch und Politischer Weltkunde gemacht.
Wollen Sie mir Ihren Schnitt verraten?
Ich hatte einen Abi-Schnitt von 1,5.
Hut ab! Gab es ein Fach, in dem Sie nicht so gut waren?
Nähen und Werken – waren nicht so mein Fall.
In der Schule wurden Sie auch als Schauspielerin entdeckt?
Ja, es war im Sommer 1999. Es gab hitzefrei, alle stürmten nach draußen ins Freibad. Meine Clique und ich hingen einfach noch ein bisschen gelangweilt auf dem Schulhof ab, als eine Frau im Sommerkleid kam, die mich nach dem Weg ins Direktorat fragte. Sie sah mich lange komisch an. Später kam sie zurück, gab mir ihre Karte und lud mich zum Casting ein. So bekam ich die Rolle in „Crazy“. Es war also doch ein Glück, dass ich so lange auf dem Pausenhof rumlungerte.
Patchworkfamilie? Fand Karoline Herfurth wunderbar – Interview – Foto: Studiocanal GmbH Filmverleih
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