Herr Wößmann, Sie haben die Daten von über 400 000 Viert- und Achtklässlern analysiert, die am internationalen Schülerleistungstest TIMS in Mathematik und Naturwissenschaften teilgenommen haben. Dabei haben Sie festgestellt, dass der Einsatz von Computern im Unterricht für den Lernerfolg der Kinder im Schnitt nichts bringt. Ziemlich enttäuschend, oder?
In der Tat, aber das ist auch nichts Neues. Zahlreiche Studien haben das schon gezeigt. Zwar sehen Sie meist einen Unterschied, wenn eine Schule oder eine Klasse verstärkt Computer im Unterricht einsetzt. Aber das ist ja kein kontrolliertes Experiment. Diese Schule hat ein bestimmtes Umfeld, ist vielleicht insgesamt besser ausgestattet, die Lehrkraft ist besonders motiviert, die Schüler sind nicht zufällig ausgewählt und kommen vielleicht aus überdurchschnittlich wohlhabenden Familien. Je mehr Sie solche Einflüsse herausrechnen, umso weniger bleibt von einem eventuellen positiven Lerneffekt übrig. Aber das ist gar nicht das Spannende an unserer Untersuchung.
Sondern?
Wir konnten zeigen, dass dieser fehlende Lerneffekt zumindest in Mathematik und Naturwissenschaften eigentlich aus zwei entgegengesetzten Wirkungen besteht. Wenn Computer eingesetzt werden, um Informationen und Ideen nachzuspüren, wirkt sich das deutlich positiv auf den Lernerfolg der Schüler aus. Umgekehrt sehen wir jedoch einen negativen Einfluss, wenn die Computer dazu benutzt werden, Fähigkeiten einzuüben.
Computer schaden beim Üben?
Schaden ist sicher zu viel gesagt. Aber der Lernerfolg hängt eben sehr davon ab, wie die Computer benutzt werden. Wann immer eine Lehrkraft Rechner einsetzt, geht das auf Kosten von Unterrichtszeit, die sie sonst anders verwendet hätte. Die große Frage ist, ob diese andere Methode effektiver gewesen wäre als der Computer.
VITA
Ludger Wößmann, 41, ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München und leitet das ifo Zentrum für Bildungsökonomik am ifo Institut. Er hat drei Kinder, zwei davon im schulpflichtigen Alter
Zum Beispiel?
Wenn man mit herkömmlichen Methoden nach Informationen und Ideen sucht, geht man vielleicht in die Biblio-thek, blättert in Büchern und findet dort eine spezielle Information. Da bieten Computer einen großen Vorteil. Mit ihnen können Schüler in Mathematik beispielsweise nicht nur recherchieren, wie viele Ecken und Kanten ein Würfel oder eine Pyramide hat, sondern sie können diese Körper auch drehen, aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten. Das geht dann über die reine Informationssuche hinaus. Genau umgekehrt ist es mit dem reinen Üben am Computer. Dabei wird der Lernstoff offenbar oftmals einfach einstudiert, ohne ihn vorher durchdacht zu haben. Hier wäre die klassische Methode mit Papier und Bleistift effektiver.
Gilt das dann auch für das Lernen zu Hause? Wikipedia ja, Übungssoftware nein?
Experimente haben gezeigt, dass Schüler von der Nutzung eines Computers zu Hause profitieren, wenn sie ihn vor allem für Recherchen und Hausaufgaben einsetzen. Umgekehrt hat es sogar einen negativen Lerneffekt, wenn der Rechner vor allem für Entertainment verwendet wird. Bei der Übungssoftware hängt es vermutlich davon ab, inwieweit sie den Schülern das Denken abnimmt. Unsere Daten deuten jedenfalls darauf hin, dass beim Üben klassische Methoden den Computern überlegen sind.
Sie haben selbst Schulkinder. Dürfen die allein an den Rechner – oder nach diesen Ergebnissen eher nicht?
Wir sind da zurückhaltend, weil wir wissen: Wenn die Kinder oft und allein am Computer sind, nutzen sie ihn meist nicht für schulische Dinge. Aber wenn sie etwa für ein Referat recherchieren, ist es erstaunlich zu sehen, wie schnell und umfangreich sie Infos zusammentragen. Das ist deutlich effektiver und macht oft auch mehr Spaß als das Lexikon früher.