In Mathematik Schüler motivieren: Lehrerin lobt Schülerin - Magazin SCHULE
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Mehr Motivation für Mathematik: Erwisch’ sie, wenn sie gut sind!

Wenn Menschen an mangelnde Motivation im Schulunterricht denken, dann denken sie oft zuerst an Mathematik. Das müsste nicht so sein, sagt unsere Autorin, die selbst Mathelehrerin und Mutter ist


„Setzen, Sechs.“ Mein Mathelehrer Herr Schwarz zückte seinen Füllfederhalter und schrieb mit roter Tinte die Note in sein ledergebundenes Notizbuch. Der Schüler, dem die Note galt, hatte bereits heulend den Raum verlassen, nachdem Herr Schwarz ihn vor der ganzen Klasse an der Tafel bloßgestellt hatte. Herr Schwarz war zeit seines Lehrerlebens stolz auf sein „Feingespür“, genau diejenigen Schülerinnen oder Schüler zu erwischen, die den Stoff nicht verstanden oder die Hausaufgaben nicht erledigt hatten. Diese Szene hat mich damals sehr beeindruckt. Negativ. Und einen kleinen Teil dazu beigetragen, dass ich nun selbst Mathelehrerin bin. Schlicht und ergreifend um es besser zu machen als mein Lehrer.

Es ist keine Kunst, Fehler aufzudecken

Auch ich freue mich, meine Schüler zu erwischen – allerdings dann, wenn sie gut sind. Denn es ist ja keine besondere Kunst, die Fehler und Schwächen unserer Mitmenschen aufzudecken; dafür muss man wirklich kein Pädagoge sein. Auch macht es Menschen nicht stärker, wenn man ihnen ständig ihre Unzulänglichkeiten vorhält. Im Gegenteil kann Kritik die Motivation von Schülerinnen und Schülern viel leichter zerstören als aufbauen – vor allem dann, wenn sie so destruktiv vorgetragen wird wie damals von Herrn Schwarz. Unwahrscheinlich, dass der bloßgestellte Schüler unter ihm seine Motivation für Mathematik entdeckt hat.

Und das führt zu dem bekannten „Matheproblem“. Wenn Menschen an mangelnde Motivation im Schulunterricht denken, dann denken sie oft zuerst an dieses Fach. Auch der Motivationscoach David Kadel hat sich in einem Interview hier im Magazin SCHULE die Mathematik als Beispiel für ein Fach ausgesucht, durch das sich viele jahrelang bloß hindurchquälen. Warum ist das so?

Motivation für Mathematik könnte so einfach sein

Am Fach selbst liegt es zumindest anfangs nicht. Die meisten Kinder kommen noch motiviert aus der Grundschule an die weiterführende Schule, bei vielen ist Mathe sogar ein Lieblingsfach, denn Mathematik ist alltagsnah: Wir alle begegnen ihr täglich. Die meisten Kinder lösen auch gern Rätsel und Knobelaufgaben, und letztlich bedeutet das Lösen einer (komplexen) Matheaufgabe auch immer ein wenig Rätseln und Knobeln. Wenn es der Lehrkraft zudem gelingt, Mathematik anschaulich zu unterrichten und gut zu erklären, sollte es auch klappen, dass Kinder lange am Ball bleiben und dem Unterricht folgen.

Im schlimmsten Fall rauben die Eltern ihrem Kind die letzte Motivation

Dass sie Letzteres leider oft nicht hinreichend machen, hängt wiederum mit dem „Matheproblem“ zusammen. Wenn ich als Schülerin oder Schüler zu oft erlebe, dass ich an einer Aufgabe scheitere und eher meine Fehler als meine Stärken gesehen werden, komme ich irgendwann zu der Einstellung, dass ich das „ja eh nicht verstehen kann“. Im schlimmsten Fall wird mir der letzte Rest Motivation von meinen Eltern geraubt, mit dem womöglich hilfreich gemeinten Spruch, dass diese „Mathe früher auch nie mochten“. Und dann fällt mir das Verständnis tatsächlich schwer.

Geht es uns allen nicht genauso? Ich selbst möchte ja auch nicht (nur) an meinen Fehlern gemessen werden, sondern vor allem zeigen, was an Gutem in mir steckt. Das aber kann ich vor allem dann, wenn jemand an mich glaubt und mir die Möglichkeit gibt, mein Potential zu entfalten. Genauso geht es meinen Schülerinnen und Schülern auch. Aber wie kann das im Schulunterricht gelingen, in dem das Überprüfen und Abfragen von Wissen doch ein zentraler Bestandteil ist?

Noten abschaffen? Das kann nicht die Lösung sein

Ich will weder mündliche noch schriftliche Noten abschaffen. Im Gegenteil: Ich halte dieses Feedback, verknüpft mit erklärenden Worten, für wichtig, um sich weiterzuentwickeln. (An dieser Stelle habe ich schon einmal erläutert, warum Schulnoten helfen, sich einzuschätzen.) Aber ich kann Freiräume schaffen und Möglichkeiten bieten. Daher gibt es in meinem Matheunterricht freiwillige Aufgaben von etwas größerem Umfang, die immer am Ende eines Monats abgegeben werden können. Die Schülerinnen und Schüler dürfen mir zeigen, was sie zu Hause in einem entspannten Umfeld ohne Zeitdruck oder gar Angst vor Kommentaren der Mitschüler geschafft haben. Diese Aufgaben benote ich (wohl wissend, dass die Bearbeitung auch mit Hilfe von von Eltern, Nachhilfe oder künstlicher Intelligenz erfolgt sein kann), berücksichtige die Ergebnisse bei der Zeugnisnote aber nur, wenn sie eine Verbesserung bedeuten.

Die schlechteste Note streiche ich nach dem Motto: Kann mal passieren!

Natürlich prüfe ich auch, was meine Schützlinge allein in einem vorgegebenem Zeitrahmen leisten. Regelmäßige Tests in Mathe zeigen den Kindern und Jugendlichen, was sie bereits gut können und wo sie noch Lücken haben. Wie bei Herrn Schwarz steht dann auch in meinem Notenbuch hin und wieder eine Sechs. Aber mit einem großen Unterschied: Bei mir wird am Ende des Halbjahres aus der Reihe an Testnoten die schlechteste gestrichen – ganz nach dem Motto: „Kann mal passieren“ statt „Wusste ich’s doch, dass du das nicht hinbekommst!“ Damit erhalten die guten Noten gleichzeitig mehr Gewicht.

In meinem zweiten Fach Biologie sind selbst erbrachte Zusatzleistungen ohnehin üblich. Oft möchten Schülerinnen und Schüler am Endes des Schuljahres ein Referat halten, um mir zu zeigen, was sie können (und – machen wir uns nichts vor – meistens auch, um eine schlechte Zeugnisnote abzuwenden). Eine schöne Gelegenheit, seine Fähigkeiten zu präsentieren. Aber wer erträgt schon 30 Referate am Stück? Ich ermuntere die jungen Leute daher, ein Referat dann zu halten, wenn es zum aktuellen Stoff passt. Oft finden sich in der Klasse Experten zu bestimmten Unterrichtsinhalten. Ihr Wissen dürfen sie gern vorstellen und zeigen, was sie drauf haben. Das nützt der Klasse und einer guten Note gleichermaßen.

Hat mein Mathelehrer nun damals als Lehrer alles falsch gemacht? Nein. Wie bei meinen Schülerinnen und Schülern hilft da eine wohlwollende Betrachtungsweise. Wenn ich mich an Herrn Schwarz erinnere, erwische ich auch ihn am liebsten bei dem, was er richtig gut gemacht hat: dem Organisieren von Wandertagen und -fahrten. Die waren immer klasse.

Mehr Motivation für Mathematik: Erwisch‘ sie, wenn sie gut sind! – Magazin SCHULE – Foto: Freepik



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