Mein Mann ist beim Männerabend, und meine Zwölfjährige genießt es, den Abend mit mir vor dem Fernseher zu verbringen. Obwohl sie über „den uralten Schinken“ mault, setze ich mich durch und schmeiße „La Boum – Die Fete“ in den DVD-Player. Wie oft haben wir uns schließlich schon „Violetta“, „Bibi & Tina“ oder „Soy Luna“ angeschaut? Zugegeben, man muss mich in der Regel nicht lange bitten, wenn dieser Mädchenkram im Fernsehen läuft. Sobald Kika die „Dance Academy“ zum achten Mal in Folge wiederholt, bin ich die Erste, die sich vor der Glotze einfindet. Und das ist auch schon ein Grund, weshalb ich eine überzeugte Mädchen-Mama bin.
Tief im Inneren werde ich wohl für den Rest meines Lebens eine Dreizehnjährige bleiben. Dass ich die Erwachsene von uns beiden bin, merkt man heute lediglich an der Verpflegung. Die Chips teilen wir, aber ich genehmige mir zusätzlich ein Glas Rotwein. Ich poste meinen Status auf Facebook: „Angelika schaut sich ‚La Boum‘ an.“ Eine Freundin schreibt prompt einen Kommentar unter meinen Post: „Sei froh, dass du Mädchen hast. Meine Jungs würden sich den Film niemals freiwillig angucken.“
Natürlich hätte ich mich auch über einen Jungen gefreut. Aber ich habe mich dem Willen der Natur sehr gern gefügt
Obwohl hier von freiwillig nicht ganz die Rede sein kann, hat sie in einer Beziehung recht: Ich bin wirklich sehr froh, Mädchen zu haben! Als ich damals, während der ersten Schwangerschaft in der 20. Woche, auf der Liege der Pränataldiagnostik-Praxis lag und der Arzt meinte, bei dem Riesengummibärchen in meinem Bauch würde es sich mit allergrößter Wahrscheinlichkeit um ein Mädchen handeln, stiegen mir die Freudentränen in die Augen. Ein Mädchen! Das hatte ich mir doch so sehr gewünscht!
Natürlich hätte ich mich auch über einen Jungen gefreut. „Man nimmt, was kommt“ und „Hauptsache, gesund“, so heißt es doch! Man darf sich nicht explizit ein Geschlecht oder eine Haarfarbe wünschen. Hormongesteuerte Frauen sind da extrem abergläubisch, und ich hätte mich nie getraut, öffentlich einen derart dreisten Sonderantrag an die Natur zu stellen. Aber nun hat die Natur es gleich zweimal so gewollt, und ich habe mich ihrem Willen sehr gerne gefügt. Denn während in einigen Ländern dieser Welt wie Indien und China immer noch massenhaft Mädchen abgetrieben werden, weil Töchter dort unerwünscht und wertloser als Söhne sind, kann ich mir nichts Schöneres vorstellen, als Töchter zu haben. Ich liebe es, eine Mädchen-Mama zu sein!
Mädchen-Mama zu sein bedeutet für mich, alles noch einmal erleben zu dürfen
Es ging mir nicht darum, niedliche Kleider zu kaufen, die Zimmer rosa zu streichen und schöne Flechtfrisuren am lebenden Objekt auszuprobieren. Denn auch wenn ich Rosa sehr mag und meine Frisurenfertigkeiten inzwischen perfektioniert habe, eine Tochter bedeutet für mich in erster Linie eines: Ich erlebe alles noch einmal, was ich als erwachsene Frau schon hinter mir habe. Eine Tochter holt aus einem alten Mädchen das junge wieder zum Vorschein! Eine Tochter ist für eine Mutter genauso besonders, wie ein Sohn etwas Besonderes für einen Vater ist. Das bringt das gleiche Geschlecht einfach mit sich.
Wir Frauen wissen, wie Teenie-Mädchen ticken. Wir kennen die Tücken der weiblichen Pubertät und wissen, wie wichtig eine allerbeste Freundin ist
Wir Frauen wissen, wie wir als Teenie-Mädchen getickt haben. Wir kennen die kleinen Tücken der weiblichen Pubertät und wissen, wie wichtig eine allerbeste Freundin ist. Wir können nachvollziehen, warum man mit 13 das Hundewelpenposter von der Kinderzimmerwand reißt, es durch das Bild eines Milchgesicht-Sängers ersetzt und diesen dann stundenlang anschmachtet. Wir wissen, wie weh es tut, wenn der drei Jahre ältere Schwarm einen auf dem Pausenhof keines Blickes würdigt. Ich werde meinen Töchtern später erklären, dass Jungs es in den seltensten Fällen wirklich so meinen, wenn sie sagen, dass sie anrufen werden. Ich werde Verständnis zeigen, wenn sie ihre Periode bekommen und deswegen gereizt und übellaunig sind. Ich werde ihnen eine Wärmflasche auf den Bauch legen, ihre Fragen zur Sexualität beantworten und sie mit einem gemeinsamen Fußnägellackierabend verwöhnen.
Hätte ich einen Sohn, würde ich wahrscheinlich seinem Vater die Erklärung überlassen, was es mit den feuchten Träumen auf sich hat und warum man die Vorhaut des Penis beim Waschen zurückschieben muss. Ich weiß zwar, mit welcher Methode man sich die Haare an den Beinen am effektivsten entfernt und wie man Augenbrauen schön in Form zupft, habe aber keine Ahnung von Bartstoppeln und ob man bei der ersten Rasur lieber einen Nass- oder Trockenrasierer verwenden sollte.
So muss ich mir nicht auf Fußballplätzen eine Blasenentzündung holen
Meine Töchter tanzen beide. Ich muss mir also nicht auf Fußballplätzen die Beine in den Bauch stehen, um mir dort, im schlechtesten Fall, eine Blasenentzündung zu holen. Eine befreundete Mutter stöhnte letztens, als sie ihren Sohn bei nasskaltem Wetter zum Training fahren musste: „Bäh, jetzt muss ich wieder eineinhalb Stunden auf dem Fußballplatz rumstehen.“ Sie meinte, sie hätte sich schon deswegen einen Hund angeschafft, um die Zeit während des Trainings, das ausnahmslos und zu jeder Jahreszeit im Freien stattfindet, zu überbrücken.
Selbst mein Mann sieht es positiv: Immerhin, meint er, sei die Chance, dass wir unsere Enkelkinder später öfter zu Gesicht bekommen, größer als bei Jungs
Natürlich hätten meine Töchter auch Fußball, Hockey oder sonst was spielen dürfen. Wollten sie aber nicht, und ich bin sehr froh, dass ich nun jemanden habe, der mich gern und ohne Nörgelei ins Theater und Ballett begleitet. Meinen Mann bekomme ich da nämlich freiwillig nicht hin. Manchmal lässt er seinen Blick sehnsüchtig über unseren großen Rasen im Garten gleiten. Wenn meine Jüngste dann fragt, ob er mit ihr Gummitwist spielt, stellt er netterweise seine Beine als Pfosten für das Gummiband zur Verfügung und belächelt ihre Rumhopserei. „Eigentlich ist es ganz gut, dass wir Mädchen haben. Die Chance, dass wir unsere Enkelkinder später öfter zu Gesicht bekommen, ist größer als bei Jungs. Mädchen gehen meistens eher zur Mutter“, behauptet er.
Man kann das nicht pauschalisieren, aber unsere Mutter-Tochter-Beziehung ist schon sehr intensiv und innig, wenn auch mitunter konfliktgeladen. Mit niemanden kann ich so gut streiten wie mit meiner Großen. Sie hasst es, dass ich sie so gut durchschauen kann. Denn während meine Töchter ihren Vater mit einem koketten Augenaufschlag und einem flehenden „Bitte, bitte, Papi“ um den Finger wickeln können, bin ich gegen weibliche Taktik absolut immun. Auch das gehört zum Mädchen-Mama-Sein:
„Na ja, so schlecht war der Film ja nicht“, meint meine Tochter nach unserer gemeinsamen Boum. „Meinetwegen können wir den zweiten Teil jetzt auch noch sehen.“ Voller Vorfreude krame ich die „La Boum 2“-DVD heraus. Es wäre doch gelacht, wenn der Hundeblick von Pierre Cosso sie nicht genauso zum Schmelzen bringt wie mich vor 30 Jahren. Wobei, wenn ich ihn mir so anschaue, muss ich sagen: Ein Sohn wäre ja eigentlich auch ganz nett gewesen.
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