Hochbegabte Kinder können anstrengend sein. Ihr Wissensdurst fordert Lehrkräfte heraus – aber doch lohnt es sich, auf sie einzugehen. Die Lehrerin Meike Diehm weiß das sehr gut: An der Berliner Anna-Lindh-Schule, an der sie seit 25 Jahren unterrichtet, koordiniert sie die Begabungsförderung. Daneben führt sie Fortbildungen zu diesem Thema und ist Moderatorin der Karg-Stiftung. Wie kann man hochbegabte und potenziell leistungsstarke Kinder und Jugendliche erkennen? Was ist notwendig, um diese in der Schule optimal zu fördern? Welche Erfahrungen haben Kolleginnen und Kollegen mit hochbegabten Kindern gemacht? Um Fragen wie diese drehen sich die „Impulskreise“ der Stiftung, die Diehm regelmäßig moderiert.
Was zeichnet hochbegabte Kinder in Schulklassen aus?
„Kinder mit einem hohen IQ saugen alles auf und merken sich das, was sie einmal gehört haben – wenn es sie interessiert“, erklärt Maike Diehm. „Sie können dieses neue Wissen oft sofort vernetzen und Zusammenhänge herstellen. Sie haben in der Regel ein gutes Gedächtnis und zu vielen Themen auch ein größeres Vorwissen als Gleichaltrige. Weitere Merkmale sind eine weitreichende Wahrnehmung und eine hohe Sensibilität – diese Kinder lassen sich nicht so leicht etwas vormachen. Manche beschäftigen sich zum Beispiel schon früh mit dem Thema Tod, können das aber zumeist emotional noch nicht verkraften.“
Für das Magazin Schule hat Meike Diehm aus ihrem persönlichen Schulalltag zehn Tipps für Lehrkräfte zusammengestellt. Ganz wichtig ist ihr dabei allerdings ein Gedanke: Jeder Mensch ist anders und nicht jedes Merkmal trifft auf jedes begabte Kind zu.
10 Tipps für den Unterricht:
1. Wiederholendes Lernen nur in Maßen: Hochbegabte hassen Wiederholungen und langweilen sich dann schnell. Statt sie zum Beispiel schriftliche Rechenverfahren üben zu lassen, die sie bereits beherrschen, sollte man ihnen lieber Knobelaufgaben geben oder schwierige Textaufgaben. Sie müssen aber auch lernen, dass Wiederholungen in manchen Bereichen wichtig sind.
2. Erlauben, Wissen zu zeigen: Hochbegabte brauchen Möglichkeiten, ihr Wissen auch mal präsentieren zu dürfen – zum Beispiel durch Vorträge zu selbstgewählten Themen oder eine Buchvorstellung. Viele von ihnen haben Spezialthemen, mit denen sie sich besonders auskennen. Wir nennen das an unserer Schule „Hobbythemen“. Bei denen muss man sie abholen, sonst drohen sie sich zu verweigern. Sie müssen aber auch lernen, dass ungeplante Vorträge, mit denen sie gerne herausplatzen, zeitlich nicht immer passen.
3. Erklären, warum Ordnung wichtig ist: Manchen hochbegabten Kinder ist Ordnung nicht so wichtig. Ihnen muss man vermitteln, dass auch das Äußere eine Rolle spielt und dass sie Struktur brauchen.
4. Langeweile vermeiden: Hochbegabte zeigen ihre Leistung nicht, wenn es zu einfach ist. Wenn Aufgaben in einer Klassenarbeit zu leicht sind, suchen sie die Schwierigkeit in der Aufgabenstellung, weil sie sich nicht vorstellen können, dass nur ganz einfache Zusammenhänge abgefragt werden. Sie verstehen dann die Aufgabenstellung nicht. Oder der Energielevel ihres Gehirns ist auf Grund der Einfachheit so niedrig, dass sie Flüchtigkeitsfehler machen. Wenn es zu langweilig ist, fangen sie an, sich zu verweigern. Wettbewerbe machen ihnen dagegen oft Spaß.
5. Spontan sein: Man muss damit rechnen, das die Kinder eigene Ideen einbringen. Es ist gut, wenn man dann Zeit und Lust hat, darauf einzugehen. Man sollte auch darauf vorbereitet sein, dass die Kinder ungewöhnliche Fragen stellen.
6. Das eigene Unwissen akzeptieren: Die Kinder wissen – obwohl sie noch klein sind – zu ihren Hobbythemen oft mehr als man selbst. Man sollte dann nicht so tun, als wüsste man besser Bescheid. Wenn die Kinder eine Frage stellen, die man selbst nicht beantworten kann, fragen, wer aus der Klasse zum nächsten Tag die Antwort recherchieren möchte. Vielleicht übernimmt das ja auch das fragende Kind selbst.
7. Verständnis zeigen: Problematisch wird es, wenn die Kinder schneller denken als sie zum Beispiel schreiben können. Das kann zu Frust führen und zu Aggression, gegen andere oder sich selbst, zu Depressionen bis hin zu Suizidgedanken.
8. Aktuelle Themen aufgreifen: Viele hochbegabte Kinder verfolgen tagesaktuelle Ereignisse, gucken zum Beispiel Kindernachrichtensendungen im Fernsehen. Darauf eingehen!
9. Erklären statt anordnen: Anordnungen funktionieren bei Hochbegabten noch weniger als bei anderen Kindern. Sie wollen verstehen, warum etwas nicht geht oder sie etwas nicht dürfen. Man muss ihnen aber auch erklären, dass sie nicht immer eine Erklärung einfordern können, zum Beispiel wenn sie in Gefahr sind.
10. Sich nicht selbst verrückt machen: Man kann nicht jeden in jeder Minute auf seinem Niveau abholen. Das bekommt kein Lehrer hin. Die Kinder müssen auch lernen, es auszuhalten, dass es mal langweilig für sie ist.
Der Artikel ist ein Augenöffner. Wir selbst haben mehr als ein Kind davon.
Dieses Thema haben wir in der Schule angesprochen, und wir bekommen die professionelle Aussage wie: „Dafür sind wir nicht ausgebildet“. Und das von „Pädagogen“. Die Kinder leiden immer mehr unter dem Lernsysthemeverfall. Durch dass stark fallende Niveau, das sich nur noch an Menschen mit Migrationshintergrund orientiert. Damit meine ich, dass Schule vor einem Problem steht, z.B. im Deutschunterricht, in dem Pädagogen einen Spagat machen müssen zwischen den unterschiedlichen Grundkenntnissen, wie hier in der Sprache. Unsere Kinder sind in der zweiten Klasse und erst jetzt (nach 1 1/2 Jahren) ist das Thema dran: wie hält man einen Füller und Schreibschrift ist nicht wirklich in Sicht. Darunter leiden nicht nur Hochbegabte Kinder, sondern auch alle anderen.
Sehr geehrte Herr/Frau Prieß und Weber was ihre Kinder und Sie brauchen ist Hilfe. Wir selbst haben jetzt uns über das Internet mit einem Zentrum für Hochbegabte in Verbindung gesetzt und im neuen Jahr werden wir einen Termin dort haben. Das sollten Sie für ihre Kinder anstreben.
Erstens haben sie dann Gewissheit was mit ihren Kindern ist, auch wenn Sie Ihre Kinder zu ihrem Glück damit zwingen müssen. Irgendwann kommt ein Danke zurück.
Zweitens sie selbst erhalten Hilfe in dieser Situation. Das ist wichtig, denn nicht nur Kinder können daran Zerbrechen, genauso auch Eltern und Lehrer.
Drittens, und das ist der wichtigste Grund, das Kind erhält Hilfe und wird ernst genommen. Es erhält vielleicht sogar die Chance Kontakte zu knüpfen.
Für die Weihnachtszeit und das Neue Jahr Ihnen alles Gute.
Danke für diesen wunderbaren Artikel. Ich finde meinen Sohn sehr wieder in den Verhaltensbeispielen. Er ist typisch hochbegabt und das hat etwas tröstendes, dass er eine Gruppe hat, wo er sich wiederfindet, wie er ist. In der Schule hat er leider wenig Anschluß gefunden und langweilt sich chronisch, ist frustriert und in seiner Leistung leider auch immer schlechter geworden. So ein Kind quält sich durch das deutsche Schulsystem und das finde ich sehr traurig. Ich habe den Artikel an die Schule geschickt und hoffe, dass etwas für diese Kinder getan wird. Denn ein Hochbegabtes Kind kann auch verzweifeln und sich hoffnungslos und alleine fühlen, wenn es gezwungen ist, jeden Tag diese Qual zu erleiden und es anscheinend keinen Ausweg gibt. Das finde ich sehr erschütternd.
Auch ich finde den Artikel super. Es beruhigt mich persönlich sehr über das Thema Hochbegabung zu lesen. Ich sauge zurzeit Informationen darüber auf wie ein Schwamm da ich mir vermehrt „Sorgen“ um meinen Sohn (11 Jahre) mache. Alles oben Gelesene trifft auf ihn zu. Er ist nicht getestet aber ich bin mir sicher das er hochbegabt ist. Es ist so auffällig schon seit der Kita. Leider komme ich bei ihm selbst nicht wirklich weiter damit. Er langweitlt sich ständig. Schule macht ihm Spaß, nach eigener Aussagen, aber er ist nicht ausggelastet. Das merkt man. Er lernt nicht. Merkt sich alles lieber direkt. Versteht oft die Aufgabenstellung nicht weil er dachte es wäre anders gemeint. Also so wie er es sich selbst vorstellt. Er möchte aber auch keine Förderung. Alles was man anbietet ignoriert er. Ich verzweifele darüber jeden Tag. Er tut sich schwer Freunde zu finden und er hat keine Ausdauer bei vielen Dingen. Er tut sie und wenn sie erledigt sind will er nach Hause da es dann langweilig wird. Ich bin mir nicht sicher was der erste Schritt wäre um seine Misere zu beenden. Er will ja selbst garnichts ändern! Oder ist das typisch für solche Kinder und man sollte doch etwas unternehmen auch wenn er es nicht für notwendig hält? Ich will ja auch keinen „Schaden“ anrichten.