Kennen & Können

Futter für Leseratten

Jawohl, manche Kinder verschlingen einen Harry-Potter-Band in 24 Stunden. Ihr Lesehunger ist unersättlich. Mit diesen Tipps ist Nachschub garantiert


Ein Treffen der Elternvertreter unserer Berliner Grundschule. Frau Pelzer, eine beliebte und engagierte Lehrerin, referiert über ihr Konzept der Leseförderung. Dazu gehören Lesefitness-Zettel („Bitte ankreuzen, ob Ihr Kind heute fünf oder zehn Minuten gelesen hat“) und regelmäßige Besuche in der Bibliothek. „Wahnsinn, wie Sie das schaffen“, ruft ein Vater dazwischen, „wo die Kids da doch sowieso alle nur zum CD-Regal wollen …“ Manche Eltern wiehern los, viele nicken, auch die Schulleiterin grinst. Ich rolle innerlich mit den Augen.

Am liebsten würde ich aufstehen und sagen: „So ist es aber nicht bei allen!“

Natürlich, es ist hervorragend, dass die Schule so viel unternimmt, um Kinder zum Lesen zu bringen. Wunderbar, wie Frau Pelzer sie motiviert.  Aber – was ist mit den Kindern, die sowieso schon gern lesen? Den Bücherwürmern, die in der Bibliothek nie bei den CDs ankommen, weil sie gleich am ersten Regal hängen bleiben? Die ihre Nase nicht zehn Minuten am Tag in ein Buch stecken, sondern 240? Die Stoff, Stoff, Stoff brauchen? Die Eltern solcher Kinder freuen sich natürlich, dass der Nachwuchs liest, einerseits, aber, und das ist die andere Seite, wissen sie kaum noch, wie sie neues Lesefutter besorgen sollen.

Ich weiß, wovon ich spreche, ich habe selbst so ein Geschöpf zu Hause. Meine Tochter ist acht Jahre alt. Sie liest ein Buch von 150 Seiten in einer Stunde, den zweiten Band von Harry Potter an einem Tag – und fragt anschließend: „Mama, kann ich Band drei lesen? Aber bitte jetzt gleich!“ Zum Glück gibt es viele Wege, kleine Vielleser zufriedenzustellen. Einige davon finden Sie hier.

 

Leseclubs in Buchläden

Erscheint ein neues Buch, erhalten Händler vorab ein kostenloses Leseexemplar vom Verlag. Viele geben diese an interessierte Kinder weiter. So stehen zum Beispiel in den Filialen der Berliner Kette Buchbox eigens Regale für die „Lesekinder“. Wer als solches registriert ist, darf sich bedienen, soll das Buch aber später zurückbringen und am besten auch eine kleine Rezension für die Internet-Seite verfassen. Dieses Prinzip gilt auch in der mehrfach prämierten Kinderbuchhandlung Buchsegler in Berlin-Pankow. Etwa 30 Kinder ab acht Jahren gehören zur „Lesecrew“, die sich einmal im Monat im Laden trifft. Angeleitet von Inhaberin Wiebke Schleser und ihrem Team stellen die Kinder einander spannende Bücher vor, sprechen mit Autoren und besuchen Verlage. „Solche Angebote gibt es überall in Deutschland“, sagt Margit Müller, Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen (avj). Ihr Rat: einfach mal vor Ort nachfragen!

 

Ein Lesegerät anschaffen

Das Kind will eine Kiste Bücher mit in die Ferien nehmen, aber der Kofferraum ist schon voll? Da empfiehlt sich die Anschaffung eines eBook-Readers. Auf drei Dinge sollten Sie beim Kauf achten: Lässt sich eine Hintergrundbeleuchtung hinzuschalten, damit man das Gerät auch draußen gut benutzen kann? Reicht es, die Bücher zu Hause oder im WLAN-Bereich des Hotels herunterzuladen? Geräte mit Internet-Zugang (3G) sind deutlich teurer. Und: Möchte man die eBooks bei Amazon kaufen oder leihen, dann muss es zwangsläufig ein Gerät aus der Kindle-Reihe sein. Will man die Bücher bei anderen Händlern erstehen, ist ein anderes Gerät nötig, zum Beispiel ein Tolino, denn die beiden Systeme sind nicht kompatibel.

 

Schnäppchenpreise bei Secondhandbüchern

Auf Internet-Seiten wie Medimops und Rebuy kann man gebrauchte Kinderbücher bequem nach Titeln suchen und günstig kaufen. Bei Booklooker offerieren neben Händlern auch Privatleute.

 

eBooks günstig leihen

Ein eBook kostet in der Regel etwa genauso viel wie ein gedrucktes Exemplar. Besser ist daher Leihen: entweder kostenlos im ePub-Format (Achtung, wird von Amazons Geräten nicht unterstützt) in der öffentlichen Bibliothek oder mittels einer Monatsflat, zum Beispiel bei skoobe.de. Amazon bietet Prime-Mitgliedern auch eine elektronische Leihbücherei.

 

Autoren treffen

Buchmessen und Lesefestivals lassen die Herzen von Bücherwürmern höher schlagen. Besonders umfangreich ist das Kinderprogramm der Leipziger Buchmesse (17. – 20. März 2016). Aber Achtung: Am Sonntag, dem offiziellen Familientag, ist es dort sehr voll, und viele Kinderbuchautoren sind längst abgereist. Darum lieber unter der Woche hinfahren und das Kind (nach Absprache mit den Lehrern) für einen Tag aus der Schule nehmen. Dafür kann es anschließend vor der Klasse von der Messe erzählen und mitgebrachte Materialien verteilen. Zu Hause unbedingt Bücher der Autoren, deren Lesungen man besuchen will, zum Signieren einpacken. Die Lieblingsautorin etwas fragen oder ihr etwas sagen, das geht mit Glück auch im Internet: Auf Buchcommunities wie lovelybooks.de laden Autoren und Verlage die Leser zum Austausch ein.

 

Private Tauschbörse

Auch Klassenkameraden, Nachbarskinder oder die Kids von Freunden lesen, wenn vielleicht auch nicht so viel wie der Bücherwurm. Oft freuen sie sich über das Angebot, etwas ausleihen zu dürfen – und reichen im Gegenzug selbst gern ein Buch weiter.

 

Einen Club der Vielleser gründen

Nach der Veranstaltung an unserer Schule habe ich die Lehrerin gefragt, ob sie ihr Förderkonzept nicht auch auf Kinder ausweiten könnte, die gern und gut lesen. Sie war von der Idee begeistert. Inzwischen gibt es an unserer Grundschule das Angebot „Deutsch für Leseprofis“. Etwa zehn Dritt- und Viertklässler kommen zusammen, stellen einander Bücher vor, üben für einen Vorlesewettbewerb und schreiben Geschichten. Mein eigener Bücherwurm ist mit dabei und sehr glücklich darüber.

 

Tipps für Vielleser

  • Weitere Buchmessen und Literaturfestivals, bei denen Kinderbuchautoren vertreten sind:

    „Internationales Literaturfestival“, 9. – 19.9.2015, Berlin

    „Harbour Front“, 9.9. – 10.10.2015, Hamburg

    „Frankfurter Buchmesse“,
    8. – 12.10.2015

    „KIBUM – Oldenburger Kinder-
    und Jugendbuchmesse“, 7. –17.11.2015

    „Kinder- und Jugendbuchwochen Stuttgart“, voraussichtlich Ende Februar 2016

    „White Ravens Festival“, München, Sommer 2016

Antolin nutzen

Antolin ist ein Online-Portal für Schüler von Klasse 1 bis 10 und wird von Lehrern gern zur Leseförderung eingesetzt. Aber auch Vielleser haben ihren Spaß daran, Quizfragen zu Büchern zu beantworten und dabei Punkte zu sammeln. Die Lizenz zur Teilnahme kann von Privatpersonen nicht gekauft werden, Lehrer können aber einen Zugang für eine einzelne Klasse erwerben (Jahresgebühr für eine Klasse: 40 Euro, für eine Schule 185 Euro). Tipp: Auch viele Bibliotheken verfügen über einen Zugang.

 

Testleser werden

Kostenlose Leseexemplare können Kinder auch direkt bei manchen Verlagen erhalten. So sind bei Bastei Lübbe etwa 60 Kinderreporter zwischen fünf und 16 Jahren registriert und werden regelmäßig mit Neuerscheinungen versorgt. Die Bücher dürfen die Kinder behalten, die Rezensionen erscheinen mit Vorname, Alter und Foto auf der Internet-Seite luebbe.de/kinderreporter. Dort kann man sich auch bewerben. Viele Kinderbuchverlage arbeiten mit der Webseite buecherkinder.de zusammen, auf der Kinder und Jugendliche jährlich rund 500 Neuerscheinungen bewerten. Die Redaktion umfasst derzeit 50 Bücherwürmer aus ganz Deutschland. „Kinder rezensieren Kinderbücher“ ist auch das Prinzip der Seite meine-buecherwelt.de. Sie wird von Tanja Spenst und ihrer Tochter Milena, 13, betrieben. „Die Kinder sagen uns, welche Neuerscheinungen sie gern lesen würden, und wir fragen dann bei den Verlagen an“, erklärt Spenst. Wer mitmachen will, kann sich über die Seite anmelden.

 

Sammeln statt picken

In der öffentlichen Bibliothek drei Bücher aus dem Regal ziehen und ab nach Hause damit? Das lohnt sich bei Viellesern nicht. Lieber über den Online-Katalog an verschiedenen Standorten ein Dutzend geeignete Titel zusammensuchen, bestellen und zum Ausleihen gesammelt an eine Bücherei transportieren lassen. Das kostet zwar Gebühren, spart aber Zeit und Wege.

 



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