Meinen & Sagen

Führerschein? Nein danke!

Früher galt der Führerschein als Initiationsritus beim Erwachsenwerden, in Zeiten von SUVs, Staus und Umweltschutz ist er so was von over. Karen, 17, hat jedenfalls keine große Lust, das Steuer zu übernehmen


Es gibt viele Möglichkeiten, seinen Erzeugern auch mal eine Freude zu machen. Ich habe mich für den Führerschein entschieden. Allein das Versprechen, bei der Fahrschule Griebel demnächst mal ganz unverbindlich vorbeizuschauen, hat meine Eltern tagelang in Euphorie versetzt. Zuverlässiges Stimmungsbarometer bei uns daheim ist das WLAN. Je mieser die Stimmung, desto knausriger wird der Internet-Zugang reguliert. Als ich in Sachen Führerschein Gehorsam signalisierte, war das WLAN pausenlos on.

2015-11_Fuehrerschein_GrafikDer Führerschein ist für Eltern von gewaltiger Symbolkraft. Wenn die Kinder sich anschicken, den Führerschein zu machen, wird das offensichtlich als Hinweis verstanden, dass sie es ernst meinen mit dem Erwachsenwerden. Das wiederum schürt weitere Hoffnungen: Vielleicht fährt bald der Sohn oder die Tochter mal zum Getränkemarkt. In einer nicht mehr fernen Zukunft steuert der Nachwuchs womöglich gar den Umzugslaster selber, mit dem er sich endlich von Hof und Acker macht …

Alles klar so weit. Ich bin in etwa in der Lage, die Motive meiner Eltern nachzuvollziehen, während das umgekehrt leider überhaupt nicht der Fall ist. Anders als meine Mutter und mein Vater bin ich nämlich felsenfest davon überzeugt, dass sich Autos bald erledigt haben. Zumindest in der Stadt. Sie sind einfach zu unpraktisch. Die dauernden Staus, die ewige Parkplatzsuche, die Umweltbelastung. Nicht mal als Statussymbol taugen sie mehr. Diese riesengroßen Panzer, mit denen jetzt alle rumfahren, sind doch in Wirklichkeit nur peinlich.

Die Wahrheit ist: Ich brauche überhaupt keinen Führerschein. Ich komme, wie die meisten meiner Mitschüler übrigens auch, mit Rad, Bus, S- und U-Bahn sehr gut klar. Von dem ganzen Geld, welches sich meine Eltern sparen würden, wenn ich den Führerschein nicht machte, könnte ich mir bei Bedarf zudem jahrzehntelang ein Taxi rufen.

„Aber was ist mit Urlaub?“, fragen meine Eltern. „Wenn du ins Ferienhaus willst, brauchst du später mal ein eigenes Auto.“ Okay, das stimmt. Das könnte ein Problem werden. Andererseits ist „Urlaub machen“ ja auch nur ein Konzept, das schon einigen Staub angesetzt hat. Wenn man es schafft, selbstbestimmt zu leben und zu arbeiten, sollte man es eigentlich nicht nötig haben, alle paar Monate an einen anderen Ort zu flüchten. Und stand nicht neulich in der Zeitung, dass sich die Autos in einer nicht mehr allzu fernen Zukunft selbst steuern? Ich könnte mich also einfach hinten reinsetzen und gechillt chauffieren lassen. Für mich würde sich also nix ändern.

Die besseren Argumente und den Fortschritt habe ich wohl auf meiner Seite, aber trotzdem: In meiner Clique werde ich mich bald als Exot outen und bekennen, dass ich mich ganz altmodisch und brav für den Führerschein anmelde. Meinen Eltern zuliebe. Es rührt mich einfach, dass die beiden langsam, aber sicher alt werden. Sie können sich immer weniger vorstellen, dass es einmal anders zugeht, als sie es von ihrer Jugend her kennen.



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