Frau Schönberger, was haben Sie heute Morgen gefrühstückt?
Ein einfaches Brötchen mit Käse und dazu eine Tasse Tee. Mehr war nicht drin, da ich an Bord eines Flugzeugs war. Normalerweise frühstücke ich zu Hause mit meiner Familie.
Gehören Sie zu jenen Müttern, die ihre Kinder nie mit leerem Magen aus dem Haus lassen?
Auf keinen Fall. Für uns ist das Frühstück eher ein liebgewonnenes Ritual. Es bringt Ruhe in den Morgen, man kann sich auf den Tag vorbereiten. Darin besteht für mich der eigentliche Wert des Frühstückens. Wenn meine beiden Kinder nichts essen wollen, sondern nur eine Tasse Milch trinken, ist das völlig in Ordnung.
Für viele gilt das Frühstück aber als wichtigste Mahlzeit des Tages.
Aus gesundheitlicher Sicht gibt es keine wissenschaftliche Bestätigung dafür. Der hohe Stellenwert dieser Mahlzeit lässt sich eher soziokulturell erklären: In Deutschland sind die Frühstücks- und die dazu passende Brotkultur sehr ausgeprägt, hierzulande hat das Frühstück Tradition. Schon die Tatsache, dass in anderen Ländern morgens ganz anders gegessen wird, zeigt, dass wir biologisch flexibel sind. Die Italiener und Spanier zum Beispiel frühstücken vergleichsweise wenig – sind deswegen aber nicht weniger gesund.
Aber hat der Körper morgens nicht ein Energiedefizit? Nach vielen Stunden Schlaf und ohne Nahrung? Dr. Gesa Schönberger, geboren 1968, ist promovierte Ökotrophologin, staatlich geprüfte Diätassistentin und Geschäftsführerin der Dr. Rainer Wild-Stiftung für gesunde Ernährung in Heidelberg. Ihre Schwerpunkte liegen im Bereich Ernährungsverhalten, Esskultur und gesunde Ernährung aus ganzheitlicher Sicht.
Nach dem Motto: Wenn der Tank leer ist, geht nichts mehr? Diese Vorstellung ist falsch. Vielmehr greift unser Körper nach zwölf Stunden ohne Nahrungszufuhr schrittweise auf seine Energiereserven zurück. Vita
Drohen in der Schule nicht Energietiefs und Konzentrationsschwierigkeiten, wenn der Magen knurrt?
Man muss da klar unterscheiden: Wenn Kinder morgens mit knurrendem Magen in der Schule sitzen, weil sie gern gefrühstückt hätten und offensichtlich Hunger haben, dann ist das ein Problem. Solche Schüler werden auf jeden Fall Schwierigkeiten haben, sich zu konzentrieren. Wer morgens die Möglichkeit hat, etwas zu essen, aber weder Hunger noch Appetit verspürt, kann ruhig auf das Frühstück verzichten. Solchen Kindern würde ich eine Mahlzeit einpacken und mit in die Schule geben. Dann können sie selbst entscheiden, wann sie essen wollen.
Was raten Sie den Eltern von Frühstücksmuffeln?
Entspannt und flexibel mit dem Thema umzugehen und die Kinder mitentscheiden zu lassen. Jeder Mensch ist anders, und die Biologie lässt uns die Wahl. Wir definieren Frühstücken ja meist als Tagesbeginn, der direkt nach dem Aufstehen stattfindet. Dabei ist die Uhrzeit eigentlich völlig egal. Viel wichtiger ist, dass man regelmäßig isst. Wenn Eltern Wert auf ein gemeinsames Frühstück legen, sollten sie es zur Gewohnheit machen und mit gutem Beispiel vorangehen. Ich kann zum Beispiel nicht erwarten, dass mein Kind in Ruhe isst, wenn ich selbst wie verrückt durch die Gegend renne.
Wenn das Frühstück gar nicht so wichtig ist, wie kommt es dann, dass man bei manchen Kindern die Uhr nach dem Magen stellen kann?
Unser Körper gewöhnt sich an regelmäßige, feste Mahlzeiten. Wer immer um Punkt 7.30 Uhr sein Marmeladenbrot isst oder um 12.30 Mittagspause macht, wird schnell einen bestimmten Rhythmus entwickeln und auf diese Mahlzeiten nicht verzichten wollen.
Wann auch immer man es zu sich nimmt: Wie sieht das perfekte Frühstück aus ernährungswissenschaftlicher Sicht aus?
Es sollte regelmäßig und in Ruhe stattfinden, gemeinsam mit anderen im Haushalt lebenden Personen. Es sollte etwas zu trinken bieten, zum Beispiel Tee, Milch oder Saft. Wer etwas essen mag, für den sind komplexe Kohlenhydrate eine gute Grundlage, etwa Vollkornbrot oder Haferflocken. Dazu etwas Milch oder Joghurt und Obst, zum Beispiel ein halber Apfel. Wer es süß mag, kann Marmelade oder Honig aufs Brot streichen. Ein gutes Frühstück sollte satt machen, gut verdaulich sein und Energie spenden.