Herr Bos, gibt es Erkenntnisse darüber, ob die Länge der Ferien Einfluss auf das Lernen hat?
Wilfried Bos: Wir haben zum Beispiel einmal ein Sommerferienangebot in Bochum begleitet. Kinder konnten dort an einer dreiwöchigen Sommerschule teilnehmen. Sie haben dort gespielt, aber auch gelesen und über die gelesenen Geschichten gesprochen. Und da haben wir festgestellt, dass das für das Leseverständnis der Kinder in der Tat langfristig von Vorteil war.
Das heißt, Ferien Verkürzen kann für den Lernfortschritt von Vorteil sein?
Ja, auf jeden Fall. Das gilt natürlich vor allem für Kinder mit Migrationshintergrund und bildungsfernem Hintergrund. Bei ihnen besteht die Gefahr, dass sie durch lange Ferien eher zurückgeworfen werden. Das gilt erst recht, wenn sie zum Beispiel im Sommer sechs Wochen lang in das Heimatland fahren und in dieser Zeit kein Deutsch sprechen.
Schulen, an denen die Eltern selbst festlegen, wann ihre Kinder Ferien haben – glauben Sie, dass so etwas in Deutschland überhaupt umsetzbar wäre?
Ich denke schon, aber das wäre natürlich teuer, und die Voraussetzungen müssten stimmen: Alle Seiten müssten dazu bereit sein, nicht nur die Eltern. Auch für die Schüler müsste es in Ordnung sein, dass sie zur Schule gehen, wenn andere Kinder freihaben. Und das Gleiche gilt für die Lehrer. Die müsste man möglicherweise besser bezahlen. Wenn das alles gewährleistet ist, dann ist das sicher auch durchsetzbar, wenn man so etwas will.
In den Niederlanden betonen Lehrer an den teilnehmenden Schulen, dass sich auch der Unterricht ändern muss. Er müsse auf das einzelne Kind zugeschnitten sein und weg vom Frontalunterricht gehen. Diese Erkenntnis setzt sich ja auch in Deutschland mehr und mehr durch.
Ja, das ist auch bei uns eine wichtige Entwicklung. Der Unterricht muss das
einzelne Kind in den Blick nehmen. Individuelle Förderung von Schülerinnen
und Schülern spielt auch in der Lehrerausbildung inzwischen eine größere Rolle. Die zunehmende Heterogenität unserer Schülerschaft verlangt danach.
Foto: Wilfried Bos