Die Szenen sind überall die gleichen: Eltern fahren ihre Kinder im Auto bis vor die Schultür, lassen sie im Halteverbot oder gleich auf dem Zebrastreifen heraus, wenden am besten noch auf der Stelle und sorgen dabei für ein gefährliches Verkehrschaos. Vor allem Grundschulen versuchen zunehmend verzweifelt, sich gegen die sogenannten Elterntaxis zu wehren: Einen Elternbrief mit einem Appell an die Vernunft hat wohl jede Grundschule schon einmal verschickt; im bayerischen Ecknach gibt es einen Stempel für alle, die mehr als drei Minuten gelaufen sind, in Osnabrück verteilen Schulen Urkunden an Kinder, die zu Fuß kommen; im niedersächsischen Laatzen diskutiert man über Elternlotsen und Verkehrserziehung für die ganze Familie; und die Polizei in Celle erwägt sogar Bannmeilen für Elterntaxis rund um Grundschulen. Nur: Spätestens beim nächsten Regen haben die Betroffenen Vernunft und Verbote wieder vergessen.
Mehr Unfälle in Elterntaxis als zu Fuß
Als Grund für ihre Taxidienste geben Eltern meist an, dass ihnen der Schulweg des Kindes zu Fuß zu gefährlich sei. Das ist gleich ein doppelter Irrglaube: Tatsächlich ist die Zahl verunglückter Kinder laut Statistischem Bundesamt in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich gesunken (siehe Grafik rechts). Und mehr noch: Schon seit einigen Jahren verunglücken deutlich mehr Kinder als Mitfahrer in einem Auto denn als Fußgänger. Die eifrigen Eltern gefährden mit ihrem Taxidienst also nicht nur andere, sondern auch ihre eigenen Kinder, wie der Auto Club Europa (ACE) in einer Analyse hervorhebt: „Natürlich steigt mit der Anzahl der Elterntaxis auch die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder im Auto verletzt oder sogar getötet werden“, meint Nils Rübcke, Verkehrssicherheitsexperte beim ACE. Zudem gingen Kindern wichtige Kompetenzen im Straßenverkehr verloren, wenn sie ständig mit dem Auto zur Schule gefahren werden.
Weil besorgte Eltern sich vermutlich auch mit dieser Einsicht nicht von ihren Taxidiensten abhalten lassen, unterstützt der ACE ebenso wie die Konkurrenz vom ADAC eine Notlösung, die inzwischen viele Gemeinden eingerichtet haben: sogenannte Kiss-and-Ride-Zonen in unmittelbarer Nähe der Schule, in denen Eltern ihre Kinder gefahrlos absetzen können. Im Gegenzug könnte die Straße direkt vor der Schultür dann tatsächlich zur Bannzone für Elterntaxis werden. Wenn sich die Eltern nicht auch darüber hinwegsetzen. An einer Dachauer Grundschule etwa steht für Bringdienste ein großer Parkplatz 200 Meter vor der Schule zur Verfügung. „Doch der wird von den Eltern fast gar nicht genutzt“, erklärte die Schulleiterin der Zeitung „Münchner Merkur“: zu weit weg.