Der Zankapfel
Die gute Nachricht lautet: Eigentlich wird in unserer Familie nur wegen einer Sache gestritten. Die schlechte: Das Handy meines Sohnes, um das es dabei geht, wird zum Dauerthema
Seit der Junge vor einem guten Jahr zum 13. Geburtstag ein Smartphone bekam, hängt er an der Nadel. Ich stelle mir die Wirkung dieses Geräts vor wie die von Crystal Meth: Das Zeug erzeugt Euphorie, unterdrückt Müdigkeit und macht auf Anhieb süchtig. Gut, mein 14-Jähriger trifft immer noch Freunde, geht zum Sport, die Schule läuft ohne Probleme. Dennoch verbringt er gefühlt jede freie Minute mit seinem Smartphone. Morgens beim Zähneputzen wird Musik angestellt. Nach dem Mittagessen muss irgendwas gedaddelt werden, während der Hausaufgaben läuft der Klassenchat auf Hochtouren: „Vokabeln Französisch, bis wohin?“ Verabredungen werden über 50 WhatsApp-Meldungen getroffen, was stets zu Missverständnissen über Zeit und Ort führt. Gern verschanzt sich der Junge mit dem Smartphone auch im Bad, wohin ihn seine Mutter nicht verfolgen kann, während hinter verschlossener Tür ein YouTube-Filmchen dudelt.
Ich gebe zu: Das Ding macht mich aggressiv. Es symbolisiert meine schwindende Autorität. Hingelegte Interviews mit Professoren, die vor digitaler Verblödung warnen, ernten ein müdes: „Ach, deine Experten“. Zeitlimits haben sich als nicht praktikabel erwiesen. Und einem Teenager, der einen Kopf größer ist als man selbst, das Handy kurzentschlossen aus der Hand zu nehmen ist auch schwerer als gedacht: Hebt er den Arm, müsste man springen. Ich habe würdevoll darauf verzichtet. Mein Sohn musste wahnsinnig lachen. Und gab das Teil gutmütig ab. War dann ein netter Tag.
Karoline Dalades