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Du schaffst das: Motivation lernen

Die Einstellung entscheidet über den Lernerfolg, doch nicht alle Schüler begeistern sich leicht für Mathe oder Latein. Ein Experiment soll Kindern vermitteln, wie man sich selbst motiviert. Aber kann man Motivation lernen?


Der innere Schweinehund sitzt mit am Tisch, wenn Anna Hausaufgaben macht. Die Viertklässlerin aus Konz bei Trier ist ein fröhliches Kind, aber jetzt scheint selbst ihr langer blonder Zopf müde über die Schulter zu hängen. Unaufhörlich redet der Schweinehund auf Anna ein: wie beschwerlich die Matheaufgabe ist. Wie lange es wohl noch dauert, bis sie alle Subjekte und Prädikate unterstrichen hat und sie endlich aufspringen darf, um draußen zu spielen. Die Neunjährige kritzelt eine Blume ins Heft und seufzt:
„Ich habe keine Lust zum Lernen.“

Keine Lust oder voller Energie? Die Antwort entscheidet maßgeblich über den Lernerfolg. Motivation ist der Motor für Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit. Deshalb lernen motivierte Schüler langfristig erfolgreicher als solche, die intelligent, aber antriebslos sind. Interessierte Kinder und Jugendliche stören auch nicht im Unterricht. Disziplinprobleme, auffälliges Verhalten, Angst bei Schülern und Burnout bei Lehrern – alle Faktoren, die den Lehr- und Lernbetrieb heute beeinträchtigen, könnten nach Meinung von Wissenschaftlern beseitigt werden, wenn Schüler nur eines wären: motiviert. Aber kann man Motivation lernen?

Motivation ist der Motor für Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit

Michaela Brohm, Professorin für Lehr- und Lernforschung an der Uni Trier, hat dem inneren Schweinehund den Kampf angesagt. Zehn Jahre lang unterrichtete sie als Lehrerin für Musik und Geschichte an rheinland-pfälzischen Schulen, stand oft vor Jugendlichen, die sich dauermüde auf Stühlen räkelten, aus purer Langeweile den Unterricht störten und einfach „null Bock“ auf Lernen hatten. Seither lässt sie die Frage nicht mehr los, „wie wir unseren Schülern mehr Power geben können“. An der Universität promovierte Brohm und erforschte die Geheimnisse der Leistungsmotivation. Das war die Initialzündung. „Ich wusste: Die Ergebnisse bringen Schüler, Lehrer und Eltern wirklich weiter!“ Sie begann, aus der Forschung praktische Übungen für den Unterricht abzuleiten.

„Motivation lernen“ heißt das Lernprogramm, das Forscherin Brohm mittlerweile entwickelt hat. Wie eine Art Zaubertrunk kann das Motivationsprogramm Schüler aller Altersklassen in die Lage versetzen, vier Grundbedürfnisse zu stillen und dauerhaft motiviert zu lernen.  Zunächst befriedigen die Kinder ihr Grundbedürfnis nach Selbstwirksamkeit, Kontrolle und Kompetenz, als Zweites ihren Drang nach Anerkennung und Wertschätzung. Als dritten Schritt stillt das Programm den Hunger nach sozialer Geborgenheit. Schließlich entdecken Schüler persönliche Wünsche und Ziele, für die sich jede Anstrengung lohnt. Gelingt es einem Kind, diese vier Grundbedürfnisse zu stillen, steigt auch seine Lernmotivation.

Vier Übungen für mehr Lernpower

Motivation lernen – Tipps – Magazin SCHULE ONLINE
  • 1: Eigenlob stinkt nicht

    „Ich bin ruhig und selbstsicher, weil ich viel geübt habe und die Lehrerin mir hilft.“ Auch wenn solche Sätze aus dem eigenen Mund noch ungewohnt klingen: Sie vertreiben Ängste und geben Kraft. Im Morgenkreis lernen Anna (Mitte) und ihre Mitschüler, sich selbst anzufeuern.

    Kurz zuvor hat Lehrerin Petra Gouverneur erklärt, worum es geht: Damit man in einer Sache erfolgreich ist, muss man an sich selbst und die eigenen Fähigkeiten glauben. Je höher die sogenannte Selbstwirksamkeitserwartung ist, desto höher ist die Bereitschaft der Schüler, sich auch in schwierigen Situationen einer Aufgabe zu stellen.

    Mangelt es am Glauben an die eigene Selbstwirksamkeit, nehmen sie eine Aufgabe gar nicht erst in Angriff oder geben vorzeitig auf. Kinder können ihren Glauben an sich selbst verbessern, indem sie positiv und voller Energie mit sich selbst sprechen.

  • 2: Vorbilder machen Mut

    Die Namen George Lucas und Walt Disney hat ein Kind auf einen der Zettel gekritzelt, auf denen jeder Schüler Personen notieren soll, die er sehr schätzt, bewundert und als Vorbilder sieht, weil sie etwas Besonderes leisten. Die neunjährige Nele hat ihre Mutter gewählt. „Weil sie so gut kocht – das möchte ich auch mal können.“

    Das Mädchen ist laut Motivationsforscherin Michaela Brohm auf dem besten Weg dorthin: „Beobachtete Vorbilder sind eine Quelle der Selbstwirksamkeit.“ Zeigt ein Mensch, der dem Betrachter ähnlich ist, ein erfolgreiches Verhalten, nimmt der Betrachter eher an, er könne dieses Verhalten auch zeigen.

    Außerdem helfen Vorbilder, sich über eigene Ziele klar zu werden: Was will ich erreichen, und wie schaffe ich das? Es lohnt sich, genau hinzuschauen: Möglicherweise liegt die Antwort im Lebensweg des Vorbilds.

  • 3: Durchhalten macht stolz

    Sie nennen es das Mutmachkästchen. Die Kinder sammeln darin selbst formulierte Sätze, die ihnen dabei helfen, Krisen zu meistern. Jasmin (links) notiert: „Wenn Du dein Ziel vor Augen hast, kommst du an. Wie schnell, das entscheidest du selbst.“ Auch Jonas, der erst kürzlich eine Fünf in Mathe kassiert hat, findet aufmunternde Worte: „Den Mut nicht verlieren.“

    Erfolg beruht seltener auf Talent und Intelligenz als auf Anstrengung und Strategie – das haben die Schüler inzwischen gelernt. Künftig heißt es: Mathe ist erlernbar! Wer weiß, dass er eigene Fähigkeiten durch Anstrengung verändern kann, ist eher bereit, sich Schwierigkeiten und Herausforderungen zu stellen.

    Realistische Selbstappelle und Grundsätze („Ich gebe mein Bestes!“) erinnern die Kinder daran, dass man sich Erfolg erarbeiten kann.

  • 4: Schnurstracks zum Erfolg

    Ziele sind wichtig. Das sehen auch die Schüler der siebten Klasse am Konzer Gymnasium so. Auf einem großen Plakat sammeln sie Gründe für ein zielgerichtetes Leben. „Erfolgsgefühle“, „Damit das Leben einen Sinn hat“, „Glück“ sind nur einige Argumente.

    Was die Zwölfjährigen bereits wissen, haben Psychologen unlängst belegt: Menschen, die Ziele haben, sind zufriedener und gesünder als solche, die keine verfolgen. Und: Zu viele konkurrierende Wünsche lähmen die eigene Handlungsfähigkeit.

    Klare Ziele sollten Kinder und Jugendliche deshalb für sich formulieren. Erst dann wird die Energie frei, um zu handeln. Das Motivationsprogramm unterstützt die Schüler dabei, sich mit den eigenen Wünschen auseinanderzusetzen, konkrete Absichten zu formulieren und schließlich erfolgreich zu handeln.

Doch der innere Schweinehund hält die kleine Anna von ihrem Ziel noch ab. Ihre Mutter Annette Dickmann versucht unermüdlich, ihre Tochter für Mathematik zu begeistern. „Anna lernt eigentlich gern, wenn ihr das Thema gefällt, aber mit Zahlen kann sie nichts anfangen.“ Der Zwang, trotzdem lernen zu müssen, „raubt ihr ein bisschen die Glückseligkeit“. Wie sie ihre Kleine kurzfristig zum Lernen verleiten kann, weiß die Mutter: Sie verpackt Lerneinheiten in lustige Geschichten und lobt selbst kleinste Fortschritte. Wenn es gar nicht anders geht, lockt sie die Viertklässlerin mit einem Besuch im Schwimmbad. Eine Lösung auf lange Sicht sei das nicht: „Ich muss dabeibleiben und ständig ermahnen.“

Das Programm von Lernforscherin Brohm soll Anna nun helfen, ihre Antriebsschwäche in Sachen Mathe zu überwinden. Dazu nimmt die Viertklässlerin an einem großen Experiment teil. Drei Monate lang trainieren in der rheinland-pfälzischen Gemeinde Konz 200 Lehrer und Lernpaten an allen Schulen insgesamt 1700 Schüler in Sachen Motivation. Die Schüler lernen, wie man eigene Ziele erkennt, seine Persönlichkeit akzeptiert, Erfolge und Misserfolge erklärt, selbstwirksam handelt und für ein angenehmes Lernklima sorgt. Anna von der Grundschule St. Johann ist dabei.

Zu Hause erzählt Anna wenig, aber etwas beginnt in ihr zu arbeiten

Als das Experiment im Herbst startet, lernt Anna im täglichen Morgenkreis, sich selbst anzufeuern: Es ist wichtig, dass man an seine Fähigkeiten glaubt. Sie überlegt zusammen mit ihren Kameraden, wie man das Klassenklima verbessern könnte, damit sich alle wohlfühlen. Findet zusammen mit ihrer besten Freundin heraus, warum sie in Mathe bisher nicht so erfolgreich war, und erkennt, dass sie vielleicht mehr üben müsste. Zu Hause erzählt sie wenig, aber etwas beginnt in ihr zu arbeiten.

Aber Motivation lernen ist nicht einfach. Annas Mutter hat sich viel von dem Programm versprochen, doch sechs Wochen später lernt ihre Tochter immer noch ungern. Immerhin: Sie beginnt, sich für Zahlen zu interessieren. Ob das mit dem Motivationsprogramm zusammenhängt? Thomas Kürwitz, Direktor an Annas Schule, mahnt zu Geduld: „Das Programm zündet zunächst Denkprozesse, langfristig wird es Verhaltensweisen ändern. Sichtbar wird das erst im Laufe der Zeit.“

Motivation lernen – Buch – Magagzin SCHULE ONLINE
Buchtipp: „Motivation lernen“ zeigt Kindern Schritt für Schritt, wie sie sich selbst Schwung und Antrieb vermitteln. Eigentlich ist der Band für die Schule gedacht, aber auch Eltern finden viele praktische Tipps (Michaela Brohm, Beltz, 19,95 Euro)

Ein Füllhorn voll Lob erwartet Anna einige Tage später: Es kommt von den anderen Kindern. Die „Ich“-Poster füllen Schüler damit, welche Verhaltensweisen sie an ihren Klassenkameraden schätzen. Auf ihrem Poster findet Anna lauter warme Worte: „Du bist cool“, „hilfsbereit“, „nett“. An diesem Tag, erzählt Anna, habe sie sich nachmittags so großartig gefühlt, dass „Mathelernen ganz leicht war“. Zum Schluss habe sie den Stift beiseitegelegt und sich selbst auf die Schulter geklopft: „Das hast du gut gemacht, Anna!“

Zur Halbzeit des Programms kommt die unvermeidliche Mathearbeit: Die Aufgaben sind schwer, aber Anna kämpft sich durch. Sie will zeigen, was sie kann. Das ist neu. Die Lehrerin Petra Gouverneur schaut ihr über die Schulter, freut sich und lobt Anna nach Abgabe der Blätter: „Du hast dich richtig durchgebissen!“ Die Klassenkameraden klatschen, Anna wird rot. Wenig später zupft sie die Lehrerin am Ärmel: „Weißt du was, Frau Gouverneur? Ich mache jetzt ganz gern Mathe!“

 

Tipps für Eltern sowie ein Interview mit der Lernforscherin Michaela Brohm lesen Sie hier.

 



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