Herr Mellerowicz, worauf muss ich beim Schuhkauf achten?
Vor allem darauf, dass er passt. Meistens passt der Schuh nämlich nicht zum Fuß oder – andersherum – der Fuß nicht zum Schuh. Früher wurden Schuhe individuell gefertigt. Da wurde ein Gipsabdruck gemacht, daraus eine Form aus Holz hergestellt und nach diesem Modell der Schuh gearbeitet.
Und heute?
Da werden Durchschnittsleisten verwendet. Die variieren zum einen international: In den USA sind Schuhe größer und breiter, in Italien kürzer und schmaler als bei uns. Hinzu kommt, dass jeder Hersteller den Durchschnitt auch noch mal anders definiert.
Wenn man zufrieden ist, sollte man also bei der Marke bleiben?
Dann ist zumindest die Chance größer, erneut einen passenden Schuh zu finden.
Wie finde ich heraus, ob der Schuh auch wirklich passt?
Klassisch ist diese Methode: Fuß reinstecken, vorn draufdrücken. Davon halte ich wenig. Besser ist es, die Sohle herauszunehmen und den Fuß draufzustellen. Am allerbesten aber ist es, den Fuß mit Fingerfarbe anzumalen, auf eine Pappe treten zu lassen, auszuschneiden und diese Schablone in die Schuhe zu legen. Vorn noch 1,5 cm dazu addieren, dann fühlt man genau, ob er passt. Auch bei älteren Kindern zu empfehlen.
Meine Tochter mag es, wenn ihre Schuhe locker sitzen. Ist das ein Problem?
Kommt drauf an. Der Rückfuß darf kein Spiel haben. Wenn ich hinten einen Finger hineinquetschen kann, ist der Schuh definitiv zu groß. Eine Zeit lang war es bei Jugendlichen Mode, die Schnürsenkel offen zu lassen. Gut für die Füße war das nicht.
Warum? Was kann da außer Stolpern passieren?
Bei Kindern und Jugendlichen sind die Sehnen nicht am Knochen verankert, sondern am Knorpel. Der ist elastischer, aber weniger belastbar. Sind die Schuhe zu locker, entsteht eine Hebelwirkung. Die Kräfte, die dann wirken, sind zu groß. Das kann zu einer Entzündung der Ferse führen. Ärzte sprechen dann von einer Apophysitis calcanei. Das ist schmerzhaft und muss behandelt werden.
Wie sollten Kinderschuhe generell beschaffen sein?
Sie sollten vorn biegsam sein, das fördert das Abrollen, und hinten einen festen Halt bieten. Und sie sollten natürlich nirgendwo drücken.
Was halten Sie von Turnschuhen, Ballerinas und Sandalen?
Generell gilt das Gleiche wie bei allen anderen Schuhen auch: Sie sollten den Fuß abstützen, und die Ferse darf nicht hin und her rutschen. In den aktuell modischen Stoffschuhen mit Gummisohle ist das Mikroklima nicht gut – atmungsaktive Schuhe sind besser.
Was halten Sie von Schuhen vom Discounter oder aus dem Kaffeeladen?
Auch hier gilt: Hauptsache, sie passen. Man kann nicht sagen, dass teure Schuhe per se gut sind und billige schlecht.
Ist es okay, Schuhe zu vererben?
Zu empfehlen ist das nicht, denn ein guter Schuh passt sich dem Fuß ein Stück weit an. Ein Schuh, der von einem Fuß bereits vorgeformt wurde, kann an einem anderen nicht mehr perfekt sitzen. Wissenschaftliche Untersuchungen gibt es dazu aber noch nicht.
Mit 13, 14 lechzen viele Mädchen nach den ersten Pumps. Ab wann sind diese aus medizinischer Sicht erlaubt?
Die Kombination vorn eng, hinten hoch ist für alle Füße schlecht. Für Kinder und Jugendliche gilt das ganz besonders. Daher sollte man Pumps erst dann tragen, wenn der Fuß ausgewachsen ist. Am besten, Sie lassen das Mädchen zu Hause mal auf Pumps laufen, drehen einen Film und schauen den zusammen an. Da sieht man schon von selbst, wie schwierig das Laufen damit ist.
Wann sind die Füße ausgewachsen?
Man sagt, dass die Füße von Mädchen etwa zwei Jahre nach der ersten Monatsblutung ausgewachsen sind, also durchschnittlich mit 13 Jahren. Bei Jungen etwa mit 15 oder 16. Genauen Aufschluss bringt eine Röntgenaufnahme der nicht dominanten Hand.
Ein Tipp zum Schluss?
Am besten ist Barfußlaufen. Und das nicht nur auf den künstlichen Böden im Haus oder auf dem Spielplatz, sondern auch auf Sand, Gras, Steinen oder Waldboden. Unebene Untergründe reizen den Fuß. Schuhe nehmen alle Reize weg, in der Folge verkümmert die Muskulatur. Alternativ empfehle ich ein regelmäßiges Fußtraining.
Wie sieht das aus?
Zum Beispiel die Zehen zu Krallen einziehen und wieder locker lassen. Dann zunächst im Zehengang vorwärts laufen, anschließend auf den Hacken. Etwa 15 Minuten jeden Tag, das bringt schon viel für die Fußmuskulatur. Auch bei Erwachsenen!