Von klein auf lernen wir, dass es besser ist, möglichst keine Fehler zu machen. In der Schule sind die Noten umso besser, je weniger Fehler man macht. Keine oder nur wenige Fehler zu machen, wird bestätigt und belohnt. Das kann Balsam für die Seele sein und sich positiv auf das eigene Selbstwertgefühl auswirken. Fehler dagegen können je nach Umfang und Ausmaß auch ernste Konsequenzen oder gar Strafen zur Folge haben – und damit das Gegenteil bewirken.
Der Gedanke an Fehler ruft in der Regel kein besonders angenehmes Gefühl hervor. Aus einem ungesunden Verhältnis zu Fehlern können (Versagens-)Ängste entstehen, die sich womöglich bis in die Erwachsenen- und Berufswelt ziehen. Wichtiger als keine Angst mehr zu haben, ist jedoch der richtige Umgang mit diesen Gefühlen. Keinesfalls sollte man sich von Ihnen beherrschen lassen.
Die richtige Einstellung zu Fehlern in der Schule und der Angst davor
Eine gesunde Einstellung zu Fehlern, Rückschlägen und dem Scheitern im Allgemeinen ist sehr wichtig, nicht nur für den (schulischen und später den beruflichen) Erfolg, sondern in besonderem Maße auch für das eigene Wohlbefinden. Im Umgang mit Ängsten bringt es erfahrungsgemäß auf Dauer wenig, diese einfach von sich wegschieben und verdrängen zu wollen.
Die ‚Schwarzseherbrille’ hilft, Ängsten ihre Macht zu nehmen
Viel besser und zielführender ist in diesem Fall die bewusste Auseinandersetzung mit den eigenen Ängsten. Hierzu sollte man sich selbst fragen: Wovor hat man eigentlich Angst? Hier kann der bewusste Einsatz der Schwarzseherbrille helfen: Sich vorzustellen, was realistisch betrachtet schlimmstenfalls bei einem Fehler passieren kann, zeigt in der Regel schnell, dass vieles weitaus weniger erschreckend ist, als es zunächst den Anschein hat. Wie so oft ist es auch hier das Unbekannte, das einen in Wahrheit die größte Angst macht. Das gilt im wahren Leben ebenso wie in Thrillern und Horrorfilmen. Hat man jedoch erst einmal einen genauen Blick bei Tageslicht auf die Angst geworfen, verliert der Schrecken schnell seine Macht.
Eine weitere hilfreiche Maßnahme im Umgang mit den eigenen Ängsten kann der Austausch mit vertrauten, wohlgesinnten Menschen sein. Befürchtungen, wonach einem ohnehin jeder anmerken kann, wovor man Angst hat, sind in der Regel unbegründet. Niemand kann in einen anderen Menschen hineinschauen und wirklich wissen, was in ihm vorgeht. Wer sich dazu entschließt, sich mit anderen auszutauschen, der entscheidet allein, was er oder sie wem gegenüber preisgibst – und was nicht.
Einen Gedanken finde ich persönlich in diesem Zusammenhang sehr hilfreich: Es besteht keinerlei kausaler Zusammenhang zwischen schulischen und beruflichen (Miss-)Erfolgen und der Zuneigung von Menschen, die einem am Herzen liegen. Deine Freunde und liebenden Menschen werden dich nicht weniger mögen, wertschätzen oder lieben, wenn du (in der Schule oder später im Berufsleben) Fehler machst oder scheitern solltest. Sag dir das im Zweifel selbst immer wieder, bis du es wirklich verinnerlicht hast: Du bist ein wertvoller Mensch! Völlig unabhängig davon, was du (schulisch oder beruflich) leistest!
Die 4-Schritte-Strategie für Fehler in der Schule – und anderswo
Was kann man konkret tun, wenn einem ein Fehler unterlaufen ist? Wenn ich in der Schule, im Praktikum oder im Job eine wichtige Deadline verschlafen habe? Wenn ich schlecht gearbeitet, falsch recherchiert, Termine oder Themen verwechselt habe? Wenn ich beim Schummeln, Lügen oder gar Stehlen erwischt wurde?
Verheimlichen oder weglaufen ist jedenfalls keine nachhaltige Option. Ein größerer Fehler holt einen garantiert ein – und dann sind die Konsequenzen meist umso gravierender. Was kann man also tun? Folgende Herangehensweise hat sich dabei in der Praxis bewährt:
1. Ruhe bewahren!
Wenn einem ein Fehler in der Schule oder am Arbeitsplatz unterlaufen ist, dann ist es zunächst das Wichtigste, ruhig zu bleiben. Selbst und gerade dann, wenn es sich um einen größeren Fehler handelt, der gravierende Konsequenzen mit sich bringen kann. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob der Fehler gerade eben erst passiert ist oder er schon eine Weile zurückliegt und einem (oder jemand anderem) erst jetzt aufgefallen ist.
In dieser Situation bringt es nichts, sich selbst zu kritisieren oder sich Vorwürfe zu machen, ganz gleich, wie leichtsinnig das eigene Verhalten rückblickend auch wirken mag. Umgekehrt ist dies auch nicht der richtige Zeitpunkt für Ausflüchte oder Schuldzuweisungen. Das alles ändert nichts an der aktuellen Situation und bringt einen im Moment nicht weiter. Den Fehler kann man dadurch nicht ungeschehen machen.
Entscheidend ist jetzt nur, wie man damit umgeht. Dafür ist es unerlässlich, dass man ruhig bleibt und einen kühlen Kopf bewahrt. Nur so können wir bedacht und rational handeln. Also: Tief durchatmen, einen Schluck trinken und sich beruhigen. Dann kann es weitergehen.
2. Sachlich analysieren!
Nun gilt es, die Situation in ihrer Gesamtheit möglichst unvoreingenommen und rational zu betrachten. Dafür distanziert man sich von seinen Sorgen und Emotionen und beantwortet sich selbst folgende Fragen:
Handelt es sich um einen kleinen Fehler, den man selbst beheben und korrigieren kann? Dann sollte man das umgehend tun – und zwar mit allem nötigen Einsatz. Wenn andere Personen involviert oder betroffen sind, entschuldigt man sich und macht deutlich, dass man aus dem Fehler lernen möchte. So geht es danach weiter mit Punkt 4.
Hat der Fehler möglicherweise gravierende Auswirkungen, die man nicht selbst beheben kann? Dann folgt schleunigst Punkt 3.
Wichtig: Schlimmer als der Fehler selbst ist es meistens, diesen nicht rechtzeitig zu erkennen und entsprechende Gegenmaßnahmen einzuleiten. Je schneller man also handelt, desto wahrscheinlicher ist es, dass die wirklich gravierenden Folgen noch rechtzeitig abgewendet werden können.
3. Unterstützung holen!
Sagen wir, es handelt sich um einen größeren Fehler mit potenziell schlimmen Auswirkungen, den man nicht selbst beheben kannst. Die Dringlichkeit ist dementsprechend hoch. In diesem Fall sollte man sich an jemanden wenden, der einem helfen kann. Das können je nach Situation Lehrkräfte oder Eltern sein, Vorgesetzte, Gruppenleiter oder jemand ganz anderes.
Was man sich klar machen sollte: Es geht jetzt darum, dem Fehler und dessen potenziellen Auswirkungen schnellstmöglich entgegenzuwirken. Nicht das Problem, sondern die Lösung steht im Mittelpunkt. Hat der Fehler negative Auswirkungen für die Person, die man um Hilfe bittet, dann entschuldigt man sich selbstverständlich dafür. Aber man sollte keine Zeit mit Rechtfertigungen oder langen Erklärungen verschwenden.
Um einem zu helfen, braucht die Person einen raschen Überblick der Situation. Folgende Fragen sollte man daher beantworten:
- Was ist konkret passiert?
- Wann ist es passiert?
- Welche Auswirkungen sind schon eingetreten und welche sind noch zu erwarten?
Selbstverständlich verharmlost oder verschweigt man dabei nichts – das macht die Sache nur schlimmer. Sinnvoll ist es hingegen, selbst Vorschläge machen und Ideen äußern, um den Fehler zu korrigieren oder dessen Auswirkungen abzumildern beziehungsweise ganz abzuwenden.
Wichtig: Im Gespräch gut zuhören. Sich tatsächlich helfen lassen. Wenn man Anweisungen bekommt, diese genau befolgen. Und nicht vergessen, sich für die Unterstützung zu bedanken.
4. Aus Fehlern lernen!
Puuh, das Schlimmste ist geschafft: Der Fehler ist behoben, und gravierende Auswirkungen sind zum Glück abgewendet. Jetzt kommt das Wichtigste: über das Geschehene nachzudenken und das eigene Verhalten zu reflektieren.
Was kann ich daraus lernen und in Zukunft besser machen? Es heißt nicht umsonst: Ein Fehler ist immer erst dann ein Fehler, wenn man ihn zweimal macht. Bis dahin ist er vor allem eine Möglichkeit, zu lernen, sich zu entwickeln und an Erfahrung zu gewinnen. Ein wirklich schöner Gedanke – und ein richtiger: Fehler können gerade in der Schule wertvolle Impulse für den eigenen Lern- und Entwicklungsprozess geben und einen voranbringen.
Tamara Schrammel ist es ein Anliegen, Berufseinsteigern beim Karrierestart zu helfen. In Ihrem Bewerbungsratgeber „Die ersten Bewerbungen für Schüler und Studierende“ gibt sie Tipps rund um Berufsorientierung, Bewerbungsunterlagen und den Bewerbungsprozess. 2022 ist ihr zweites Buch „10 Erfolgstipps für Berufseinsteiger: Ein persönlicher Ratgeber für den Jobstart und die ersten Berufsjahre“ erschienen. In ihrer Freizeit ist Schrammel Hochschuldozentin und Mentorin an den Universitäten Oxford und Cambridge in England. Auf ihrer Website www.tamaraschrammel.de teilt sie auch kostenlose Vorlagen für Lebenslauf und Anschreiben.
Mein Fazit:
Du bist wer du bist, gerade aufgrund dessen, was du auf deinem bisherigen Weg erlebt hast. Sowohl die angenehmen als auch die unangenehmen Erfahrungen haben dich geprägt und machen dich aus. Selbst enorm erfolgreiche Menschen waren nicht ihr ganzes Leben lang auf Erfolgskurs. Viele haben im Laufe ihrer Karriere selbst Fehler gemacht und sogar gravierende Rückschläge einstecken müssen. Eines haben sie jedoch alle gemeinsam: Sie haben im Angesicht von Niederlagen nicht aufgegeben und ihren Weg selbst gegen Widerstände stets weiterverfolgt.
Zugegeben, das klingt ein wenig nach einer Postkartenweisheit, dadurch wird es jedoch nicht weniger wahr. Mein Lieblingsspruch in diesem Zusammenhang lautet übrigens: „Hinfallen, aufstehen, Krone richten und weitermachen!“
- Die 4-Schritte-Strategie im Umgang mit Fehlern in der Schule – Fotos: Freepik / T. Schrammel