Meinen & Sagen

Das Blockflöten-Trauma

Was haben musikalische Früherziehung und Kinderquälerei gemeinsam? Glaubt man dem eigenen Nachwuchs, eine ganze Menge


Neulich grübelten meine beiden Teenager im Spaß darüber nach, was für ein Kindheitstrauma sie denn später mal vorweisen könnten. Während sich der Sohn mit Grausen an qualvolle Stunden an der Blockflöte erinnerte, offenbarte die Tochter uns, welch panische Angst sie im Vorschulalter vor der Lehrerin in der städtischen Musikschule gehabt habe. Es war nicht ganz ernst gemeint, aber ihre Überlegungen gaben mir dennoch zu denken: Offenbar habe ich den Kindern in meinem Bestreben, sie früh an klassische Musik heranzuführen, ziemlich zugesetzt.

Das glaub ich jetzt nicht!

  • CAROLINE MASCHER

    Ihre eigene Geigen-Karriere vermasselte die Autorin, indem sie das Erbstück  im Zug vergaß

Ich muss gestehen, dass ich meinen Sohn aus pädagogischen Gründen ewig gezwungen habe „dranzubleiben“. Den gesamten „Speelemann fang an“ musste der Arme durchflöten, und das, obwohl er unüberhörbar kein Talent für das Blasinstrument hatte. Wenigstens die Lehrerin hatte ein Einsehen. „Es hat wohl keinen Sinn“, meinte sie mitleidig nach einem Jahr. Einen Vorteil immerhin hatte das Flöten-Fiasko. Meine Tochter habe ich relativ schnell von der musikalischen Früherziehung erlöst, und ich habe die beiden nie mehr mit neuen Vorstößen behelligt. Bis sie mit elf, zwölf Jahren ganz von allein den Wunsch äußerten, Gitarre zu lernen. Heute spielen beide sehr schön und mit viel Freude.  Manche Dinge entwickeln sich offenbar ganz von selbst – man muss nur abwarten können.

 



Unsere Themen im Überblick

  1. Immer dieses Blockflöten-Bashing. Nur weil die Blockflöte aus bestimmten Gründen gern in der Früherziehung bzw. als „Einstiegsinstrument“ genutzt wird, heisst das nicht, dass die kein ernsthaftes Instrument ist. Auf der Violine quietscht es anfangs auch gräulich, wenn ein Kind anfängt zu spielen, und da käme niemand auf die Idee, es aufs Instrument zu schieben. Die Blockflöte ist ein historisches Instrument mit einer jahrtausendealten Tradition: chorisch eingesetzt in der Renaissance in allen Tonlagen – vom winzigen Garkleinflötlein bis zur sanften Subbassflöte – und sich aufschwingend zu großer Virtuosität und brillianter Strahlkraft im Barock. Wenn der richtige Lehrer die Kinder unterrichtet, auch die ganz jungen, dann gibt’s kein Trauma, dann entwickelt sich Leidenschaft.

  2. von A. Harloff

    Die musikalische Früherziehung kann eine Bereicherung sein. Kann. Dazu sollte man aber vorher seinen Kindern zuhören, ob sie dazu auch Lust haben. Kinder etwas aufzuzwingen ist doch nie gut. Jede Musikschule bietet Schnupperstunden an. Auch der Lehrer sollte nach seinen Methoden befragt werden.
    Musik ist viel zu gut, um mit Zwang vermittelt zu werden!

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