Beim Campen in Kroatien vergangenen Sommer waren Josi und Flo manchmal den ganzen Tag nicht zu sehen. Mit einer Bande Hamburger Kids vom Campingplatz ließen sich die Geschwister durch den Tag treiben: kicken, schwimmen, fangen spielen, abends gemeinsam am Feuer sitzen. „Einfach super“, sagt Josi, die Tochter. „Irgendwann haben wir aber eine Familienkontaktzeit eingerichtet“, knurrt Pete, der Vater. Von 17 bis 20 Uhr hieß es: ab zum heimischen Standplatz! Kochen, essen, plaudern, damit die Eltern „nicht nur Servicestation sind“. Aber im Ernst: Campingurlaub findet die ganze Familie klasse. Die Kinder rauschen ab mit Gleichaltrigen, die Eltern kultivieren entspannt „soziale Verwahrlosung“, wie es Pete nennt. Kein Haushalt, kein Aufräumen, keine Termine. Herrlich.
Seit die Kinder da sind, fahren Pete Karg und Ka Rustler aus Berlin mehrmals im Jahr zum Campen. Oft an die Seen in Mecklenburg-Vorpommern, manchmal in die Ferne, nach England, Südtirol, Kroatien. Mal verträumen sie die Tage am Wasser, bejubeln Artisten aus dem Theaterbus, der wie in längst vergangenen Zeiten am Campingplatz am Useriner See Station macht. Mal lassen sie das Kajak ins Wasser gleiten und paddeln einsame Wasserstraßen entlang, mal klappern sie mit ihrem Bus Burgen ab wie neulich in England. „Am liebsten mache ich Feuer, grille Würstchen am Stock oder kaufe mir Süßes im Campingplatz-Kiosk“, sagt Sohn Flo. Manchmal bauen die Geschwister Schmuck aus Rinde, Muscheln und Draht. Pete verdöst den Tag mit der Zeitung am Wasser, Ka schwimmt und genießt die Freiheit.
Campen entspricht dem aktuellen Trend zur Einfachheit und zur NaturReinhold Popp, Freizeitforscher
Hoteletikette und Frühstücksbuffet? Nein, danke! Raus in die Natur, heißt die Devise beim Camping – optimal für entspannte Ferientage und längst nicht mehr spießig. Den Tag dahinplätschern lassen, kochen für kleines Geld, durchatmen ohne Terminmarathon. Am Wochenende vor den Toren der Stadt, im Urlaub auf dem Campingplatz am Strand oder wild unterm Sternenhimmel. Camping mit Kindern liegt im Trend, weiß auch der Wiener Freizeitforscher Reinhold Popp, „Das entspricht dem aktuellen Trend zur Einfachheit, zur Natur, zum kleinen Abenteuer.“
Ka Rustler ist schon mit Camping aufgewachsen, als Kind ging es mit Eltern, Bruder und einem schweren Hauszelt aus Leinen nach Jugoslawien und Italien. Sie genoss das einfache Leben, aufs Wesentliche reduziert. Die Butter wurde mangels Kühlschrank in feuchtes Tuch gewickelt, die Kinder gingen fischen. Nach dem Abitur zog Ka durch die amerikanische Wildnis, backte Brot aus Wasser, Salz und Mehl überm Lagerfeuer. Naturleben pur. Die 54-Jährige lacht: „Mit Pete ist es heute die Upgrade-Version.“ Die Familie benutzt Campingbus und Pop-up-Wohnwagen – ein altes Anhängermodell mit Seitenwänden und Herd zum Aufklappen. Zelt, Fahrräder und Kajak gehören ebenso dazu wie eine Küchenausstattung der Profiklasse. Damit die Naturnähe nicht verloren geht, wählt die Familie eher kleine Plätze. „Da ist es ruhiger“, erzählt Ka, „100 000-Euro-Wohnwagen sieht man allerdings auch da immer häufiger“.
Was kostet der Spaß?
Camping-Urlaub kann sich jeder so gestalten, wie er möchte: einsam oder im Trubel, wildromantisch oder luxuriös, günstig oder so teuer wie in einer Ferienhausanlage.
Zwei Beispiele:
Im August zahlt eine vierköpfige Familie mit Schulkindern auf dem abgeschiedenen „Camping Chon du Tarn“ in den französischen Cevennen im eigenen Bus, Zelt oder Caravan ab ca. 135 Euro pro Woche. Morgens gibt es frisches Baguette und Croissants, für die Kinder einen kleinen Spielplatz und hinter dem Platz kann man im malerischen Fluss Tarn baden (www.camping-chondutarn.com). Der exklusive Club „Jesolo International“ an der italienischen Adria kostet dieselbe Familie mindestens 650 Euro, dafür brausen die Großen gratis mit dem Katamaran übers Meer, golfen oder tauchen, und die Kleinen vergnügen sich im Kinderclub oder beim Ponyreiten (www.jesolointernational.it).
Mobilheime und Mietzelte
stehen auf vielen Campingplätzen. Sie haben Schlafkammern, eine Kochecke und oft ein eigenes Bad. Canvas bietet unserer Familie Anfang August eine Woche im Bungalowzelt auf dem „Camping Manor Farm“ direkt am Schweizer Thunersee ab ca. 800 Euro an (www.canvasholidays.de). Bei Eurocamp kostet dann eine Woche Mobilheim auf dem „Camping Lanterna“ im kroatischen Porec mit Meerzugang ca. 1180 Euro (www.eurocamp.de). Die Preise variieren je nach Reise- und Buchungszeit.
Ein Wohnmobil zu mieten
kostet in der Hauptsaison ca. 100–120 Euro pro Tag, ein Wohnwagen ca. 50–60 Euro. Hinzu kommen die Kosten für den Stellplatz. Mit dem Wohnmobil allerdings kann man sich oft die Übernachtungskosten sparen – wenn „wildes“ Camping erlaubt ist. Vielerorts gibt es auch Wohnmobilstellplätze für ca. 10 Euro die Nacht, inklusive Wasser- und Stromversorgung sowie Toilette und manchmal auch Duschen.
Familie Menk aus Seevetal bei Hamburg liebt am Campen gerade diese „Komfortgarantie“. Nach vielen Urlauben in Hotels und Apartments mit ärgerlich schlechtem Standard haben sich Sonja und ihr Mann Jens einen Luxuswohnwagen zugelegt. Gute Betten, Herd und Gasgrill inklusive. „Wenn schon, denn schon“, sagt Sonja, „unter fünf Sternen reisen wir nirgendwohin.“ Zum Beispiel zur Campinganlage „Hegau“ im badischen Tengen, einem Familienbetrieb mit Stil. Gratisgas gibt es hier rund um die Uhr, die Eingangsschranke öffnet sich nur mit Chipkarte. Hallenbad, Badesee, Minigolf, Ponyreiten gehören ebenso dazu wie traumhafte Ausflugsziele in Reichweite: Schwarzwald, Bodensee, Frankreich. Für zehn Euro am Tag können sich die Camper sogar eine eigene Dusche mieten. Ideal für die sechsköpfige Familie.
Freilich locken die Menks nicht Luxus und Freizeitangebot allein. Ihr ältester Sohn ist schwerbehindert, in manchen Hotels wurde er ausgegrenzt. Sonja: „Auf dem Campingplatz kann sich Sebastian freier bewegen, die Leute sind entspannter.“ Inzwischen sind die älteren Kids aus dem Haus, die Menks fahren mit Sebastian, der 17-jährigen Jennifer und neuerdings ihrer ersten Enkeltochter auf Campingtour.
Die Flexibilität, jederzeit weiterziehen zu können, gefällt Familie Marquardt am freien Reisen. Mit ihrem roten VW-Bus waren die vier Potsdamer schon in Schweden, Norwegen, Dänemark und Irland unterwegs. Ziele, die den perfekten Ausgleich zur geschäftigen Stadt verhießen: Weite und Ruhe. Die grobe Route legen die Eltern Geertje und Jan schon zu Hause fest, doch vor Ort bekommt man Tipps von Einheimischen oder anderen Campern. Planänderung gehört dazu! Wie im vergangenen Jahr in Irland. Die kleine, abgelegene Schafsfarm Killary bei Galway stand in keinem Reiseführer. Ein toller Abstecher. Die 6-jährige Merle durfte einem Schaf die Wolle scheren, Bruder Morten die Lämmchen mit der Flasche füttern.
Gerade in Schweden sei das Reisen mit Bus, Wohnwagen oder Zelt unkompliziert, erzählt Geertje Marquardt. Im Land von Pippi Langstrumpf gilt das „Allemansrätt“, übersetzt Jedermannsrecht: Wer will, darf für ein, zwei Nächte stehen bleiben, wo er will.
Es tut gut zu merken, wie wenig man brauchtJan Marquardt, Camping-Fan
„Wir sind dort schon tagelang von einem schönen Platz zum nächsten getingelt“, so die Bühnenbildnerin. „Es tut gut zu merken, wie wenig man eigentlich braucht“, meint ihr Mann Jan, der als Producer bei der UFA arbeitet. Einen Campingplatz steuert die „Nordicfamily“, wie sie sich in ihrem gleichnamigen Blog nennt, nur an, wenn sie Lust auf eine heiße Dusche hat oder auf richtige Betten.
Klar, man kann sich auch mal auf die Nerven gehen, fernab vom großen Trubel. Ohne Kinderclubs und Animateure. Da ist es wichtig, in sich hineinzuspüren und ehrlich zu sein: Wie viel Nähe halte ich aus? Wie viel Zeit brauche ich für mich? Seiner Familie sollte man das sagen, bevor es kracht, rät Geertje. Wenn ihr Mann lesen will, schnappt sie sich die Kinder und geht mit ihnen Blaubeeren sammeln. Sie selbst leistet sich einsame Spaziergänge – im eigenen Tempo.
Familie Hügen aus Krefeld möchte beides kombinieren: die Freiheit, die das Campen bietet, mit den Annehmlichkeiten eines Clubs. Seit ihr Sohn Benedikt raus ist aus dem Kleinkindalter, wurden die Plätze, die sie mit ihrem Wohnwagen ansteuern, immer größer. Im Sommer wollen sie mit dem 12-Jährigen nach Kroatien fahren. Der vielfach ausgezeichnete Platz „Lanterna“ ist ein richtiges Feriendorf, in dem sich in der Hochsaison bis zu 9000 Camper tummeln. Fußball mit anderen Jungs, Volleyballturnier am Strand, abends Livemusik und Zaubershow: „Das muss mittlerweile sein“, sagt Vater Andreas Hügen. Für ihn gilt: „Ist das Kind glücklich, sind es die Eltern auch.“
Ist das Kind glücklich, sind es die Eltern auchAndreas Hügen, Camping-Fan
Zusammen mit drei anderen Familien betreibt der Notarfachreferent die Internet-Seite „Camping mit Kind“. Sie sammeln Urlaubsberichte und geben Tipps. Besonders spannend findet Andreas die Kombi „Camping und Städtereise“. Das will er unbedingt ausprobieren: Einen Tag lang durch Paris, Rom oder London flanieren und am Nachmittag fernab vom Gewusel im Wohnwagen entspannen. Der Sohn saust derweil über den Platz und tobt sich aus. „In einem Hotel ist das unmöglich.“
Camping erzeugt eben ein besonderes Reisefieber. Eins, das sehr hartnäckig sein kann. Schon mehrfach hat der Potsdamer Jan Marquardt seine Frau Geertje zu einem „klassischen“ Urlaub zu überreden versucht, „nur mal zum Spaß“. Vergeblich.
Bildnachweis Aufmacherfoto (Jungs beim Angeln): (c) Canvas Holidays (www.canvasholidays.de)