Wundern & Wissen

Besser konzentrieren

Seite 2/5: Die Forscherin

Die Forscherin

Elsbeth Stern ist eine exzellente deutsche Psychologin mit Faible für Intelligenzforschung. Wenige auf diesem Planeten publizieren zu dem Thema vergleichbar Kluges und Pointiertes wie die Professorin für Lehr-Lern-Forschung an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich. Weil „in Sachen Lernen viel Unsinn“ kursiere, steht die viel beschäftigte Wissenschaftlerin für Interviews mit Journalisten notfalls früher auf. Stern fühlt sich der Aufklärung verpflichtet.

Elsbeth Stern
Spezielle Konzentrationsübungen kann man sich sparen, so Elsbeth Stern, Professorin für Lehr- und Lernforschung.

Die Fähigkeit zur Konzentration korrelliere mit Intelligenz und Motivation, sagt die Expertin. So hätten intelligente Menschen unter anderem den Vorteil, dass sie sehr gut darin seien, Störreize auszublenden. Sie könnten sich also sehr gut fokussieren.

Die gute Nachricht für Eltern auch weniger begabter Kinder: Jeder ist fähig, sein Konzentrationsvermögen zu verbessern. Völlig ungeeignet sind allerdings Aufgabenbücher und Programme zum „Gehirnjogging“. Man könne unser Gehirn auch mit einem Haus mit unzähligen Fenstern vergleichen, erklärt Elsbeth Stern: „Wenn man eines putzt, sind die anderen immer noch schmutzig.“ Analog dazu trainiert man beim Gehirnjogging immer nur eine konkrete Aufgabe. Wenn sich ein Schüler beispielsweise darauf konzentriert, unter Zeitdruck die Anzahl der Einsen in diversen Zahlenreihen korrekt anzugeben, bringt ihm das für das Lernen französischer Vokabeln überhaupt nichts. Unspezifische Transfereffekte, die bei solchen Aufgaben die Lernfähigkeit oder das Konzentrationsvermögen als Ganzes verbessern, konnten bislang in keiner Studie überzeugend nachgewiesen werden.

Was aber hilft? In erster Linie: etwas wissen. Je größer das Vorwissen, desto leichter fällt Konzentration. Wer dagegen von einer Sache keinen blassen Schimmer hat, wird sich extrem schwertun. Man muss sich nur mal vorstellen, jemand säße im chinesischen Parlament und spräche kein Chinesisch. Keine zwei Minuten würde sich der arme Mensch konzentrieren können.

Kinder im Unterricht verstehen aber häufig auch nur Bahnhof. Nachvollziehbar, dass jeder Ablenkung schnell nachgegeben wird, was wiederum den Negativeffekt verstärkt: Irgendwann tendieren Interesse und Konzentration gegen null.

Immer leichter dagegen tun sich jene, die dranbleiben und idealerweise sogar gut vorbereitet in den Unterricht gehen. Lehrern erklärt Elsbeth Stern oft, ihre Kunst bestehe vor allem darin, den Schülern auch bei eher drögen Themen zu vermitteln: Ganz sinnlos ist die Beschäftigung damit nicht. Anständig arbeiten lässt es sich schon mit Schülern, die über ein mittleres Motivationsniveau verfügen. Lehrer erreichen es, wenn sie ihren Schülern „lösbare Aufgaben“ stellen. Da können sie sich sogar etwas von Computerspielen abschauen: Entwickler besonders beliebter Games beherzigen, dass Menschen weder unter- noch überfordert werden möchten.

Eine andere Botschaft Sterns werden zumindest Schüler nicht so gern hören: Kinder, die sich stundenlang auf ein Computerspiel konzentrieren können, nicht aber auf Mathe oder Latein, haben keine Konzentrationsstörung. Elsbeth Stern: „Sie haben zum Lernen bloß keine Lust.“

Das Spielen am Computer hat eine Schule in New York City sogar zum Prinzip erhoben, um ihre Schüler zu fördern. Fantasiefiguren namens „Troggels“ bitten dort die Schüler per E-Mail um Hilfe, etwa beim Hausbau. Im angehängten Grundriss sind alle Einheiten falsch. Um den dummen Troggels zu helfen, müssen die Kinder Rechenaufgaben lösen. Sieht so die Zukunft des Lernens aus? Sind Konzentrationsprobleme damit eines Tages Schnee von gestern?

Das Potenzial des Computers für das Lernen haben wir jedenfalls noch nicht annähernd genutzt, sagt Elsbeth Stern. Pessimisten, die behaupten, die neuen Medien machten blöd, verkennen ihrer Ansicht nach den wahren Kern des Problems: Digitale Demenz muss niemand fürchten. Die Jugend vertrödelt aber mit Facebook, Minecraft und Co. schlicht und ergreifend viel Zeit. Zeit, die für das Lernen fehlt.



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