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Auszeit – mit Familie ins Ausland

Vier Monate mit den schulpflichtigen Kindern nach Hawaii? Das geht doch nicht! Von wegen, meinen Cordula Nussbaum und ihre Familie. Sie haben die Auszeit im Ausland gewagt.


Das geht doch nicht!“ und „Das könnt ihr doch nicht machen!“, waren die häufigsten Reaktionen, wenn ich erzählte, dass meine Familie und ich für vier Monate ins Ausland, genauer gesagt nach Hawaii gehen würden.

‚Das könnt ihr doch nicht machen!‘, war die häufigste Reaktion

Vier Monate, in denen ich als Selbstständige einen kompletten Verdienstausfall hätte und in denen mein Mann in seinem Job als angestellter Bauingenieur fehlte. Vier Monate, in denen unsere Kinder auf eine hawaiianische Schule gehen würden, obwohl unser Sohn noch gar kein Englisch konnte und unsere Tochter Angst hatte, in dieser Zeit ihre Schulfreundinnen zu verlieren. Vier Monate, in denen unser Haus leer stehen würde, während wir uns auf eine völlig andere Kultur und einen anderen Alltag einließen. Vier Monate, in denen wir wie eine normale Familie leben wollten – nur eben auf der anderen Seite des Globus.

Vier Monate, das klingt doch eher nach einem überschaubaren Zeitraum. Doch bevor es losging, war eben doch vieles unüberschaubar. Natürlich hatten mein Mann und ich uns im Vorfeld – über einen erheblich längeren Zeitraum als vier Monate – mehr als tausend Gedanken gemacht: Können wir es uns erlauben, eine Zeit lang aus unserem Alltag auszusteigen? Tun wir das Richtige, auch im Sinne der Kinder? Welche Konsequenzen wird das Abenteuer haben? Sind wir mutig? Verrückt? Oder gar unverantwortlich?

Es ist nicht leicht, die Entscheidung für eine viermonatige Auszeit zu treffen. Und diese Entscheidung dann auch durchzuziehen. Bei uns tauchten viele Hindernisse auf, bisweilen drohte unser Projekt zu scheitern. Wir sponnen immer neue Ideen, die dann von Bürokratie & Co. wieder über den Haufen geworfen wurden. Bis wir letztendlich die ruhige Gewissheit hatten: Das wird schon!

Es geht sicher vielen so: Wenn man jung ist, steckt man voller Träume. Die Welt scheint offen zu stehen, alles scheint möglich. Doch dann kommt der Alltag. Der Job mit all seinen Anforderungen, die einen an Ort und Stelle zu fesseln drohen. Die erste Eigentumswohnung oder das Haus – und die Kreditverträge. Dann die Kinder. Gut, manchmal alles in einer anderen Reihenfolge. Immer mehr verstrickt man sich in Verpflichtungen – bis die eigenen Träume in unerreichbare Ferne zu driften scheinen.

Mein Mann und ich genossen unser Leben – doch eine längere Auszeit schien auch uns unmöglich. Dabei waren wir immer schon gern unterwegs. Als Studenten reisten wir monatelang mit dem Rucksack durch Asien, wochenlang mit dem Boot durch die Karibik. Und jetzt, als Berufstätige, galten drei Wochen Urlaub schon als lang! Immer wieder saßen wir da und träumten: „Schön wäre es schon, mal wieder länger unterwegs zu sein.“ Und wir wollten nicht nur reisen, sondern auch wieder in den Alltag anderer Kulturen eintauchen. Natürlich mit den Kindern.

Eines Tages fragten wir uns: Und wenn es doch ginge? Wenn es doch kein Problem wäre, mal für ein paar Monate weg zu sein? Zunächst sprachen wir mit den Kindern. Ja, sie würden mitziehen, unter einer Voraussetzung: Sie wollten anschließend in ihre alten Klassen gehen können, damit sie ihre Freunde behalten konnten.

Wann ist das am ehesten möglich? Wir erinnerten uns, als unsere Tochter in der vierten Klasse war und nach Ostern den Übertritt von der Grundschule in die weiterführende Schule quasi schon in der Tasche hatte. Ab Ende April passiert in der vierten Klasse in Bayern im Prinzip – nichts mehr. Alle wichtigen Noten sind gemacht.

Wir waren uns einig: Für unseren Sohn, der nun in die vierte Klasse ging, wäre Ostern der ideale Termin. Aber unsere Tochter besuchte inzwischen das Gymnasium. Wie sah es hier aus?

Nervös vereinbarte ich einen Termin bei der stellvertretenden Leiterin und erzählte von unseren Plänen, für vier Monate ins Ausland zu gehen. „Wo soll es denn hingehen?“, fragte sie. „Wissen wir noch nicht, aber in jedem Fall in ein englischsprachiges Land. Erst mal wollten wir erfahren, ob das überhaupt geht.“ Die Antwort der Schulleiterin erfolgte schnell und klar: „Aber natürlich, kein Problem!“

Wie bitte? Wochenlange Sorgen wegen der Schule, und dann ist alles ein Kinderspiel? Doch mein innerer Jubel wurde von einer neuen Herausforderung gleich wieder gebremst: „Die Kinder müssen dort halt zur Schule gehen!“ „Können wir sie nicht selbst unterrichten?“, fragte ich zaghaft nach. Nein, das ginge leider nicht, weil sie schulpflichtig seien. Für vier Monate eine Schule in der Fremde zu finden war nun die neue Aufgabe – das trauten wir uns zu.

Kleine Bürokratiehilfe

  • Schulbefreiung
    Im Prinzip wird die Auszeit so geregelt, als ob ein Kind im laufenden Schuljahr die Schule wechseln würde. Die Versetzung erfolgt ggf. auf Probe, daher sind gute Noten hilfreich. Versäumter Stoff muss nachgelernt werden.

  • Visa
    Touristenvisa gelten meist maximal drei Monate, darüber können Einreiseanträge umfangreich und langwierig werden. Die US-Botschaft prüft z. B. Reisegründe, Vermögen, Lebenslauf und andere Details
    der Reisenden. Die Kinder brauchen eine Schulbefreiung, Pässe müssen aktuell sein.

  • Impfungen
    Viele Länder schreiben bestimmte Impfungen vor – entweder schon für die Einreise oder für den Schulbesuch. Rechtzeitig erkundigen, was nötig ist und wie lang die Impfung dauert.

  • Krankenversicherung
    Für Länder ohne Sozialversicherungsabkommen mit Deutschland brauchen Familien eine private Auslandskrankenversicherung. Vorsicht: Übliche Reiseversicherungen gelten meist nur für bis zu sechs Wochen.

  • Untervermieten
    Wer Haus oder Wohnung untervermieten möchte, findet unter dem Stichwort „Wohnen auf Zeit“ im Internet viele Möglichkeiten. Für sechs, zwölf oder 24 Monate geht das leichter als für Zeiträume dazwischen.

Wir streckten die Fühler aus in Richtung Australien und Neuseeland. Doch hier, so erfuhren wir, dürfen Kinder nur zur Schule gehen, wenn die Familie komplett einwandert. Für vier Monate – keine Chance. Wie war es mit der Karibik? Von Dutzenden dort angeschriebenen Schulen antwortete schließlich eine: Ja, sie nehme unsere Kinder gern für die vier Monate. Kleiner Haken: Wir müssten lediglich 30 000 US-Dollar Aufnahmegebühr plus 2000 Dollar je Kind und Monat Schulgeld zahlen. Wir wollten die Schule doch nicht kaufen!

Wir trauerten der Karibik ein paar Tage hinterher und blickten dann in Richtung Hawaii. Wir schickten Mails an die Insel-Obersten sowie einzelne Schulen. Und erhielten von Moloka’i eine Antwort. Schulgeld? Nein, wir freuen uns, wenn sie kommen. Wir hatten die erste Hürde gemeistert! Unserem Traum stand nun, abgesehen von Visa, Impfungen, Unterkunft suchen, Flüge buchen, das eigene Haus vermieten, Versicherungen abschließen und noch ein paar „Kleinigkeiten“ (s. Info-Kasten), nichts mehr im Weg.

Natürlich waren die letzten Wochen noch stressig. Nur ein Beispiel: Damit die Schulen unsere Kinder freistellen durften, musste eine Bestätigung aus Hawaii vorliegen, dass sie dort aufgenommen werden. Doch diese Mail ließ trotz mehrerer Nachfragen auf sich warten. Um die Visa beantragen zu können, brauchten wir aber die Beurlaubungsbestätigung der deutschen Schulen. Diese wurde uns dann unter Vorbehalt erteilt und hätte – falls wir keinen Nachweis der hawaiianischen Schule erhielten – widerrufen werden können. Erst sieben(!) Tage vor unserem Abflug bekamen wir die nötigen offiziellen Schreiben aus Hawaii. Ohne diese wäre der Traum auf dem letzten Meter noch geplatzt.

Buch-Tipp

  • Ihre Erfahrungen hat Cordula Nussbaum, Coach und Autorin, in ihrem Buch „Geht ja doch!“ verarbeitet. Der Motivationsratgeber erklärt, wie man Mut zu eigenen Projekten entwickeln kann (24,90 Euro, zB bei Amazon)

    Mehr Infos: www.gehtjadoch.com

So aber lösten sich alle „Geht nicht“-Bedenken in Wohlgefallen auf. Voller Vorfreude flogen wir am 30. April in München los, verpassten wegen technischer Probleme den Anschlussflug auf unsere neue Heimat-Insel und lernten so gleich die wichtigste Aloha- Grundeinstellung kennen: „hang loose!“ – nimm es locker.

Am nächsten Tag begann die Schule und damit der Familienalltag. Fühlten wir uns wohl? Ja, sehr. Wir erlebten eine andere Kultur und lernten neue Menschen kennen. Unsere Kinder wurden selbstständiger, zehren noch heute von dieser Erfahrung und haben gelernt: Wir können als Familie viel gemeinsam schaffen. Und es geht immer mehr, als man denkt.

 



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