Kennen & Können

Auf nach Europa: Studium, Ausbildung, Au-Pair

Europa steht nicht nur Studenten, sondern auch Schulabgängern, Auszubildenden und Arbeitssuchenden offen. Nichts wie los!


Bessere Fremdsprachenkenntnisse, größere Karrierechancen oder einfach Lust auf ein Abenteuer: Gründe für einen Auslandsaufenthalt gibt es viele. Viele Jugendliche zieht es längst nicht mehr nur nach Australien oder Kanada – Länder wie Frankreich, Großbritannien oder Norwegen werden als Zielorte immer beliebter.

„Das Interesse an Europa ist absolut vorhanden“, sagt Robert Helm-Pleuger vom Jugendinformationsnetzwerk Eurodesk, das vom Bundesministerium für Familie, Frauen, Senioren und Jugend und von der EU-Kommission gefördert wird. Mehr als 70 000 Jugendliche haben sich 2014 von Eurodesk beraten lassen, 14 Prozent mehr als im Vorjahr.

Eurodesk rät vielen Jugendlichen dazu, erst einmal über die europäischen Grenzen zu reisen, statt gleich ein selbst organisiertes Work & Travel in Australien in Angriff zu nehmen – insbesondere, wenn es die erste eigene Auslandserfahrung ist und die Teilnehmer noch sehr jung sind. Für einen Aufenthalt in einem EU-Mitgliedsstaat spricht: Weder viel Geld noch gute Noten sind zwingend nötig, nicht einmal besonders gute Sprachkenntnisse. Egal, ob als Student, Praktikant oder Auszubildender: Wer Lust auf Europa hat, dem stehen viele Türen offen.

 

Für Einsteiger: der Freiwilligendienst

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Freiwilligendienst: perfekt als Auslandsaufenthalt vor Studium oder Ausbildung (Foto: Education First)

Etwa die Hälfte aller Anfragen bei Eurodesk kommt von Schulabgängern, die vor Studium oder Ausbildung erst noch eine Zeit lang ins Ausland wollen. „Der Zeitpunkt ist perfekt“, findet Berater Helm-Pleuger. Meistens empfiehlt er dann die Teilnahme an einem internationalen Freiwilligendienst. In den zahlreichen gesetzlich geregelten und von Bund und EU geförderten Programmen werden die meisten oder sogar alle Kosten der Teilnehmer übernommen. Auch das Kindergeld läuft während der Zeit im Ausland weiter. Zudem sind die Hürden besonders niedrig: Der Europäische Freiwilligendienst (EFD) etwa, der jedes Jahr rund 700 Plätze vermittelt, steht auch Jugendlichen mit Hauptschulabschluss, ohne europäische Staatsbürgerschaft oder mit körperlichen Herausforderungen offen. Auch die Sprache des Gastlands muss nicht beherrscht werden: „Sonst würde ja niemand nach Rumänien oder Finnland gehen, wo es wirklich spannende Projekte gibt“, sagt Helm-Pleuger.

Der Europäische Freiwilligendienst vermittelt jährlich 700 Plätze

Weitere große gesetzlich geregelte Freiwilligenprogramme sind der „Internationale Jugendfreiwilligendienst“ (IJFD) mit Zielen auf der ganzen Welt, außerdem „weltwärts“ für Projekte in der Entwicklungszusammenarbeit und „kulturweit“ für den kulturellen Freiwilligendienst.

Schwierig wird es allerdings für diejenigen, die dank G8 noch vor der Volljährigkeit die Schule beenden und ins Ausland wollen. Zwar sind die meisten Freiwilligendienste offiziell ab 17, in der Realität nehmen die Organisationen aber dann doch lieber 18-Jährige, weil sie die Aufsichtspflicht für die Minderjährigen nicht leisten können. So bleibt den 17-Jährigen, entweder zu einem späteren Zeitpunkt ins Ausland zu gehen oder zunächst mit einem Workcamp Vorlieb zu nehmen. Dort arbeiten die Jugendlichen zwei bis vier Wochen mit einem internationalen Team an einem gemeinnützigen Projekt, zum Beispiel in den Bereichen Umweltschutz oder Kultur. Die gemeinsame Sprache ist Englisch, die Teilnahmegebühr nur sehr gering.

 

Lernen und arbeiten: als Azubi ins Ausland

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Auch in eine Ausbildung lässt sich ein Auslandsaufenthalt integrieren (Foto: Education First)

Dass ein Auslandsaufenthalt auch während der Ausbildung oder Lehre möglich ist, hat sich bisher erst wenig herumgesprochen. Nur vier Prozent aller Azubis gehen ins Ausland. Das will das Programm „Berufsbildung ohne Grenzen“ ändern, das unter anderem vom Arbeitsministerium gefördert wird. Ein bundesweites Netzwerk aus Mobilitätsberatern soll bei allen Fragen rund um den Auslandsaufenthalt helfen.

Auch eine Auslandsstation im Rahmen der Ausbildung lässt sich durch Erasmus oder Auslands-BAföG finanzieren. Theoretisch ist es auch möglich, die gesamte Ausbildung in einem anderen EU-Land zu absolvieren, allerdings sind Lehrstellen in vielen Ländern zurzeit Mangelware.

 

Biete Arbeit, suche Unterkunft: Au-pair oder WWOOF

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Wer Kinder mag, für den ist ein Au-Pair-Aufenthalt die einfachste (und günstigste) Möglichkeit, längere Zeit im Ausland zu verbringen (Foto: Education First)

Wegen der Wirtschaftskrise ist es schwierig geworden, während der Sommerferien in Ländern wie Spanien, Portugal oder Griechenland zu jobben. Eine Ausnahme ist das sogenannte WWOOFen, womit Mitarbeit auf ökologischen Bauernhöfen gemeint ist – die Abkürzung steht für „World Wide Opportunities on Organic Farms“. Gegen eine tägliche Arbeitszeit von vier bis sechs Stunden stellen einem die Höfe Unterkunft und Verpflegung. Zunächst muss man im jeweiligen Land WWOOF-Mitglied werden, dann kann man gezielt Farmen anschreiben und seine Mithilfe anbieten. Oft klappt das auch ziemlich kurzfristig.

Als Au-pair ins Ausland zu gehen bleibt für junge Erwachsene (auch für Männer!) eine günstige Möglichkeit, längere Zeit im Ausland zu leben – sofern man beim Gedanken an Kindergeschrei gelassen bleibt, denn der Deal ist: Unterkunft, Verpflegung und Taschengeld gegen mehrere Stunden Kinderbetreuung am Tag. Zwar denken viele beim Thema Au-pair an die USA, tatsächlich suchen aber auch Familien aus ganz Europa nach Unterstützung. Es empfiehlt sich, den Aufenthalt über eine Organisation zu planen, allein schon, um bei Fragen oder Konflikten einen Ansprechpartner zu haben, außerdem sind dann Arbeits- und Urlaubszeiten klar geregelt. Die Agentur sollte auf jeden Fall das RAL-Gütezeichen „Au-pair Outgoing“ haben!

 

Der Klassiker: das Erasmus-Semester

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Ehemalige Erasmus-Studenten weisen später eine niedrigere Arbeitslosenquote auf (Foto: Education First)

Fast 36 000 Studenten waren im vergangenen Jahr mit dem Bildungsprogramm der EU im europäischen Ausland. Ein neuer Rekord und für die Präsidentin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, Margret Wintermantel, ein Grund zum Jubeln: „Internationale Erfahrungen eröffnen der jungen Generation neue Perspektiven und bessere Karrieremöglichkeiten auf dem europäischen Arbeitsmarkt.“

Fahrplan für Reiselustige

  • Beraten lassen
    Insbesondere bei einem Langzeitaufenthalt im Ausland sollte man sich unbedingt vorab beraten lassen. Unabhängige Ansprechpartner wie Eurodesk Deutschland kennen nicht nur alle Programmarten, sie wissen auch, welche Trägerorganisationen seriös sind und von welchen man die Finger lassen sollte.

  • Früh anfangen
    Das Angebot für Europa-Reisende ist groß – aber die Nachfrage ist es auch. Mit der Recherche sollte man deswegen etwa ein Jahr vor dem anvisierten Starttermin des Auslandsaufenthalts starten. Wer deutlich später loslegt, kann eher nicht damit rechnen, einen Platz im Wunschprojekt des Lieblingslandes zu bekommen. Spannende Projekte für Kurzentschlossene finden sich in der Last-Minute-Börse von www.rausvonzuhaus.de

  • Anrufen statt mailen
    Vor allem bei Freiwilligendiensten müssen sich die Teilnehmer oft selbst bei den Partnerorganisationen im Ausland melden und nach freien Plätzen fragen. In einem solchen Fall am besten anrufen: E-Mails werden leicht übersehen, und am Telefon kann man gleich Nachfragen stellen. Holprige Sprachkenntnisse sind kein Problem, die haben schließlich fast alle Anrufer!

  • Flexibel sein
    Weil viele Jugendliche glauben, dass ihr Schulenglisch nicht ausreicht, wollen sie am liebsten nach Großbritannien. Wer aber zum Beispiel nach Tschechien oder Norwegen geht, wird sich in aller Regel anfangs ohnehin auf Englisch verständigen. Die Sprache des Gastlandes ist dann später ein echter Pluspunkt im Lebenslauf.

  • Erfahrungen aus 1. Hand
    Auf der Seite
    www.youthreporter.eu bloggen Azubis, Studenten, Praktikanten und Freiwillige über ihre Erlebnisse in ihren jeweiligen Gastländern

Einer aktuellen Studie zufolge ist bei ehemaligen Erasmus-Studenten fünf Jahre nach dem Studienabschluss die Arbeitslosenquote um 23 Prozent niedriger als bei denjenigen, die nicht im Ausland waren. Außerdem macht Erasmus offenbar langfristig mobil: 40 Prozent der ehemaligen Programmteilnehmer sind nach dem Studienabschluss noch einmal in ein anderes Land gezogen.

Die beliebtesten Erasmus-Länder sind Spanien, Frankreich und Großbritannien – also genau jene Länder, in denen die Schulfremdsprachen gesprochen werden. Es lohnt sich aber trotzdem, auch Universitäten aus anderen europäischen Ländern im Blick zu haben, schließlich gibt es vielerorts Vorlesungen und Seminare, teilweise sogar ganze Studiengänge auf Englisch.

Eine Erasmus-Förderung gibt es nicht nur für Studienaufenthalte, sondern auch für Praktika. Die sind aber erst dann empfehlenswert, wenn bereits ein wenig Berufserfahrung vorhanden ist oder zumindest die Sprache des Gastlands gut beherrscht wird – ansonsten ist die Gefahr groß, dass es ein reines Kaffeekoch-Praktikum wird.

Übrigens: Für jeden vierten Erasmus-Studenten mündet der Aufenthalt in einer langfristigen Beziehung. Der europäische Gedanke hat sich dabei auf ganz eigene Weise vervielfältigt: Nach einer Schätzung der Europäischen Kommission sind in den vergangenen 30 Jahren ungefähr eine Million Erasmus-Kinder auf die Welt gekommen.



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