Pausen? Überflüssig. Hausaufgaben? Nur, wenn unbedingt nötig. Schwache Fächer? Schwamm drüber. Tobias Brandts Einstellung zum Lernen ist unkonventionell. Aber vielleicht hat er gerade deswegen als mittelmäßiger Schüler ein 1-er-Abi schaffen können. In unserem Interview verrät er einige seiner besonderen Tricks.
Herr Brandt, in Ihrem Buch betonen Sie immer wieder, wie man sich als Schüler das Leben leicht machen kann. Ist Ihnen das Chillen so wichtig?
Ich war einfach früher nicht der beste Schüler – ehrlich gesagt, habe ich überhaupt nichts gemacht. So geht es, glaube ich, vielen. Und dann von null auf hundert durchzustarten fällt den meisten schwer. Da ist es besser, sich erst einmal auch noch Freiräume zu schaffen fürs Nichtstun und die unwichtigen Dinge wegzulassen.
Tobias Brandt glaubt an das 80-20-Prinzip: Demnach braucht man für 80 Prozent einer Leistung nur 20 Prozent des Aufwands – die restlichen 20 Prozent Leistung noch zu schaffen kostet dagegen 80 Prozent der Arbeit. Brandt hat als Oberstufenschüler an diesem Gedanken sein Lernen ausgerichtet: rigoros Überflüssiges weggelassen und sich auf das konzentriert, was Punkte fürs Abi bringt. Hausaufgaben machen, die ohnehin niemand kontrolliert? Überflüssig. Viel lernen, um im Unterricht schwierige Fragen beantworten zu können? Unnütz, wenn man auch mit einfacheren Antworten punkten kann. Herausgekommen ist für ihn ein Einser-Abi – und für alle anderen ein Ratgeber, der nicht die üblichen Tipps gibt.
Sie haben aus Ihren Abi-Erfahrungen eine Lernhilfe gemacht, die etwas anders als die meisten anderen ist. So sagen Sie zum Beispiel im Gegensatz zu den meisten Lernexperten, Schüler sollten beim Lernen keine Pausen machen. Warum?
Ich finde, solche Pausen sind nichts als Zeitfresser. Warum sollte ich nach einer Dreiviertelstunde meine Arbeit unterbrechen, wenn ich gerade richtig drin bin? Wenn ich einen richtig langen Lernblock vor mir habe, dehnt der sich durch die ständigen Pausen über den ganzen Nachmittag, und ich habe keine Freizeit mehr. Da ist es doch viel besser, so lange durchzuziehen, wie es geht. Wenn, dann sollte man höchstens nach Fächern oder Aufgaben sortieren, aber nicht nach einem starren Zeitplan. Außerdem muss man spätestens in der Oberstufe in Klausuren auch drei, vier Stunden am Stück konzentriert sein, daran gewöhnt man sich besser früh.
Sie selbst haben sich das Lernen gern auf den Sonntag gelegt. Wieso?
Für mich war das immer der Tag, an dem ich wenig anderes vorhatte und an dem ich mal richtig ins Lernen reinkommen konnte. Das geht unter der Woche nicht so einfach. Mir ist es jedenfalls schwergefallen, nach einem langen Schultag und vielleicht noch zwei Stunden im Verein abends noch einen kreativen Aufsatz zu schreiben oder schwere Matheaufgaben zu lösen. Am Sonntag dagegen ist man frisch und ist dann auch schneller damit fertig. Außerdem war das für mich ein idealer Schiebe-Mechanismus: So musste ich mir keine Sorgen machen, wenn ich unter der Woche mal keinen Bock auf eine unangenehme Aufgabe hatte, weil ich mich darauf verlassen konnte, dass ich sie am Sonntag nachhole.
Das klingt ganz schön diszipliniert. Überhaupt geht es in Ihrem Buch viel um Lernpläne. Ich wäre als Schüler viel zu faul gewesen, mir so einen Plan zu machen.
Irgendwann habe ich einmal in einem Buch den Satz gelesen: Eine Minute Planung erspart zehn Minuten Arbeiten. Das habe ich ausprobiert – und es stimmt tatsächlich! Bei mir war es vorher so, dass ich mir beim Arbeiten ständig überlegt habe, ob das, was ich gerade tue, sinnvoll ist. Dann sind mir weitere Sachen eingefallen, die ja auch dringend wären, und ich habe in einem anderen Heft gewühlt. So war ich nie wirklich frei und habe ewig gebraucht, eine Aufgabe zu bearbeiten. Deswegen habe ich angefangen, erst einmal alle Aufgaben aufzuschreiben und nacheinander abzuarbeiten. So konnte ich mich schon mal viel besser auf eine Aufgabe konzentrieren. Und dann habe ich die Aufgaben auch noch priorisiert und mir daraus Tages- und Wochenpläne gemacht. Und siehe da: So habe ich viel effektiver und gleichzeitig entspannter gelernt.
Fanden Ihre Mitschüler das nicht ein bisschen spießig?
Na ja, das war jetzt nicht mein größtes Pausenhofthema. Eigentlich habe ich da kaum drüber geredet, außer mit einem Mitschüler, von dem ich mir viel Lerntechnik abgeschaut habe. Der saß zum Glück mit mir in allen Leistungskursen.
Der „Co-Pilot“ ist eine wichtige Figur in Tobias Brandts Lernstrategie. Dabei handelt es sich um einen Mitschüler, der in wichtigen Fächern deutlich besser als man selbst ist und den man daher bei Fragen um Hilfe bitten kann. Brandt empfiehlt sogar, sich im Unterricht neben seinen Co-Piloten zu setzen, um zur Not etwas nachfragen zu können – und um sich von ihm abzuschauen, wie er arbeitet und lernt.
So ein Co-Pilot ist sicher eine nützliche Sache. Aber kommt der sich nicht irgendwann ausgenutzt vor?
Ausnutzen wäre es nur, wenn ich ständig bei ihm abschreiben würde, Hausaufgaben etwa oder in Prüfungen. Aber davon rate ich absolut ab. Ich habe meinen Co-Piloten, der übrigens ein guter Freund von mir war und immer noch ist, vor allem gefragt, was er nun genau lernt und wie er das macht. So fühlte er sich eher gefragt als ausgenutzt. Außerdem muss man schon auch was zurückgeben. Als ich langsam besser wurde, konnte ich zum Beispiel ihm mal meine Hausaufgaben schicken, die er dadurch dann einfacher bearbeiten konnte. So wurde das mit der Zeit ein Geben und Nehmen.
Würden Sie sich selbst auch als Co-Pilot schnappen lassen?
Auf jeden Fall. Ich war sicher für einige Mitschüler der Co-Pilot, wenn auch nicht in allen Fächern. Das ist ja kein Vertrag, aus dem man nicht mehr rauskommt. Und letztlich hilft es einem selbst ja auch, wenn man etwas noch mal erklärt.
Inwiefern hilft das?
Ich habe oft jemanden gebeten, mir zu einem Thema Fragen zu stellen. Andere Leute kommen einfach mal auf andere Aspekte als man selbst. Ich denke, jeder kennt das, dass man in einem Buch einen Fachtext liest und hinterher gar nicht weiß, was man da überhaupt gelesen hat. Deswegen sollte man sich solche Dinge nicht nur durchlesen und dann meinen, man hätte was gelernt – spätestens am nächsten Tag weiß man dann meistens nichts mehr davon.
„Aktives Lernen“ nennt Brandt es, wenn man Inhalte nicht nur aufnimmt, sondern noch einmal wiedergibt – für ihn eine sehr effektive Lernmethode. Schon das reine Sortieren von Material hilft ihm zufolge, den Lernstoff im Kopf zu strukturieren und sich ihn besser einzuprägen. Danach rät er, für sich Dinge zusammenzufassen, Skizzen anzufertigen oder jemand anderem den Lernstoff zu erklären, der davon gar keine Ahnung hat – den Eltern etwa oder dem Hund.
Ein weiterer ungewöhnlicher Tipp in Ihrem Buch ist, sich auf seine starken Fächer zu konzentrieren, anstatt an seinen Schwächen zu arbeiten. Ist das nicht gefährlich?
Es ist tatsächlich eine Grundeinstellung von mir, dass Menschen vor allem ihre Stärken verbessern sollten. Natürlich muss man das Einmaleins kennen und ein bisschen mit Zahlen umgehen können. Aber wenn einem ansonsten Mathe nicht liegt, muss man sich nicht totschuften, um da ein bisschen besser zu werden. Stellen Sie sich vor, auf einer Skala von minus zehn bis plus zehn sind Sie in Mathe eine minus Sieben. Dann strengen Sie sich total an, um besser zu werden – und sind am Ende doch nur eine Null. Das ist doch demotivierend! Da stecke ich meine Kraft lieber in etwas, wo ich schon eine Sieben bin, um eine Zehn zu werden.
In der Schule bekommt man allerdings auch Noten in Fächern, die einem nicht so liegen.
Klar, das ist in der Schule sogar schwieriger als im späteren Leben. Trotzdem bin ich überzeugt, dass es auch als Schüler besser ist, sich um seine Stärken zu kümmern. Dann kann man sich in seinen guten Fächern Bestnoten abholen, die dann auch das eine oder andere schwächere Fach ausgleichen.
Gerade für schwächere Fächer rät Brandt Schülern dazu, mit mündlicher Mitarbeit zu punkten. Für ihn ist das die einfachste Möglichkeit, ohne große Peilung an gute Noten zu kommen. In seinem Buch gibt er sogar Geheimtipps, wie man vermeiden kann, zu Beginn der Stunde ausgefragt zu werden, wenn man die Hausaufgabe nicht gemacht hat. Wer sich ungern meldet, dem rät Brandt, sich mit einer Strichliste selbst zu disziplinieren, sich in jeder Stunde mindestens drei-, viermal zu melden.
Um sich auch in schwächeren Fächern gute Noten abzuholen, raten Sie, vor allem auf den Stundenanfang zu setzen. Warum?
Der grobe Stundenablauf ist ja so: Erst wird wiederholt, dann kommen die neuen Inhalte, und dann wird geübt. In der Übungsphase kann man natürlich noch Fragen stellen, aber das bringt für die Note nicht viel. Außerdem haben einige Lehrer immer Schwierigkeiten, mit ihrem Stoff durchzukommen. Gegen Ende der Stunde machen die dann nur noch Lehrervortrag, da kommt man als Schüler nicht mehr dazwischen. Also muss ich sehen, dass ich mir meine Note vorher abhole. Und bei der Wiederholung ist es natürlich einfacher zu punkten als später, wenn ich nicht weiß, was mich erwartet. Außerdem habe ich es dann hinter mir.
Insgesamt habe ich den Eindruck, dass aus Ihnen kein Perfektionist mehr wird, ist das richtig?
Das stimmt. Es gibt diesen schönen Spruch: Besser unperfekt starten als perfekt zu warten. Daran halte ich mich. Viele Leute meinen, dass Dinge nach einem Mal abgeschlossen sind. Ich glaube aber, dass man in den meisten Fällen die Möglichkeit hat, es noch ein weiteres Mal besser zu machen. Aber wenn ich aus meinen Fehlern lernen will, muss ich erst einmal anfangen.