Wer schöne Mitschüler hat, bekommt schlechtere Noten – Magazin SCHULE
Wundern & Wissen

Ihr Kind hat hübsche Mitschüler? Warum das eine schlechte Nachricht ist

Schönheitsdruck schadet Kindern – gerade auch in der Schule. Das gilt erstaunlicherweise besonders für Jungs, haben Forschende herausgefunden: Bei ihnen leiden sogar die Noten, wenn sie schöne Mitschüler haben. Woran das liegt – und was Eltern tun können, um ihr Kind zu stärken


Schulklassen können sehr unterschiedlich sein. Lehrkräfte kennen das: Die 10 a ist total nett, während die 10 b einfach den Mund nicht aufkriegt. Und die 10 c macht nur Blödsinn, dort passen nicht mal die Guten im Unterricht auf. So etwas ist einfache Statistik, die Lieben und die Lauten sind halt nicht immer gleich verteilt.

Und dann kommt noch eine bemerkenswerte Eigendynamik hinzu: In der einen Klasse ist es normal, im Unterricht mitzumachen, also machen das alle (oder man stört einander jedenfalls nicht dabei). In der anderen Klasse hingegen ist man mit so einem Lerneifer gleich als Streber verschrieen, weil es dort angesagt ist, Mist zu machen; also machen alle Mist. Die so genannte Peergroup, also die soziale Bezugsgruppe eines jungen Menschen, hat vor allem bei Teenagern einen enormen Einfluss – im Guten wie im Schlechten.

Schönheitsdruck wirkt. Leider negativ.

Jetzt haben Forschende einen weiteren solchen Effekt gefunden, der auf den ersten Blick ziemlich skurril wirkt: Wer besonders attraktive Mitschüler in seiner Peergroup hat, bekommt durchschnittlich schlechtere Noten. Und noch seltsamer: Das gilt nur für die Jungs.

Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des ZEW Mannheim und der Universität Cardiff Daten aus einer US-amerikanischen Langzeituntersuchung an über 3000 Schülerinnen und Schülern der Klassen sieben bis zwölf analysiert (hier der Link zur Studie). Das Besondere an dieser „National Longitudinal Survey of Adolescent Health“, kurz „Add Health„, genannten Umfrage ist nicht nur, dass sie die Leistungen und Erfolge der jungen Menschen über viele Jahre hinweg bis in deren Berufstätigkeit hinein nachzeichnet, sondern auch, dass die Interviewführenden dabei zwei Maßstäbe von Schönheit notieren: die körperliche Attraktivität („physical attractiveness“) und die charakterliche („personality attractiveness“).

Menschen beurteilen Menschen niemals nur nach ihrer Leistung

Dass körperliche Attraktivität allgemein ein Erfolgsfaktor ist, haben andere Studien bereits gezeigt. Schöne Kinder lernen erfolgreicher, schöne Studierende studieren erfolgreicher, schöne Berufstätige verdienen erfolgreicher Geld. All diese Beobachtungen kann man mit Recht beklagen, und sie zeigen vor allem eines: Wo Menschen andere Menschen beurteilen, ist Leistung niemals der einzige Bewertungsfaktor – auch dann nicht, wenn er es sein sollte. (Weshalb klar ist: Gerechte Noten gibt es nicht.)

Aber die Ergebnisse der obigen Studie gehen über diese Beobachtungen hinaus. Denn darin geht es nicht nur um die Frage, ob eine Prüferin oder ein Prüfer attraktive Prüflinge bevorteilt. Sondern die schiere Anwesenheit attraktiverer Mitschüler benachteiligt die weniger Schönen. Und zwar direkt.

Wer sich selbst unattraktiv fühlt, lernt schlechter

Der Grund dafür liegt den Forschenden zufolge im Selbstbewusstsein der äußerlich Benachteiligten. Besonders dann, wenn sie selbst körperlich noch weniger weit entwickelt sind als ihre Peers, schätzen die Jugendlichen ihre Fähigkeiten allgemein geringer ein – und erbringen dann tatsächlich auch schwächere Leistungen. Der äußere Schönheitsdruck führt also zu negativen Emotionen. Und die schaden bekanntlich dem Lernen.

Mädchen müssen nicht nur schön, sondern sympathisch sein

Allerdings gilt das der Studie zufolge erstaunlicherweise nur für die Jungs. Den Mädchen hingegen schadet es nicht, wenn um sie herum andere schöner sind als sie selbst. Aber im Gegenzug hilft ihnen auch die eigene Attraktivität nicht bei den Noten – zumindest, was die körperliche Schönheit betrifft. Denn eine Schülerin ist tendenziell dann erfolgreicher in Schule, wenn sie charakterlich attraktiv ist, also als sympathisch eingeschätzt wird. Ob sie körperlich schön und ob ihre Peers besonders hübsch oder sympathisch sind, spielt hingegen keine Rolle.

Jungs leiden also zumindest in dieser Hinsicht noch mehr unter Schönheitsdruck als Mädchen. Was bedeutet das für uns Eltern? Wohl nicht, dass wir für unseren Sohn eine Schule mit möglichst hässlichen Mitschülern suchen sollten. Der Schlüssel liegt eher im Selbstbewusstsein: Je deutlicher wir unserem Kind machen, dass es genau so in Ordnung ist, wie es ist, umso besser kann es an sich selbst glauben. Und das hilft ihm in der Schule, im Studium, im Job – und nicht zuletzt auch im Umgang mit schönen Mitmenschen.

„Schöne Mitschüler, schlechte Noten“ – Foto: Freepik



Unsere Themen im Überblick

Kommentieren