Elterngespräch: Tipps für den Elternabend
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Elterngespräch: Wir müssen reden! – Tipps für den Elternabend

Wenn Lehrkraft und Eltern sich unterhalten wollen, sollen oder müssen, fühlen sich oft beide Seiten nicht wohl. Das kennt unsere Autorin nur zu gut – als Lehrerin und als Mutter. Dabei können Elterngespräche sehr fruchtbar sein: wenn alle an einem Strang ziehen und richtig kommunizieren


Anton, einer meiner Fünftklässler, hat in der ersten Mathearbeit eine Fünf erhalten, und nun muss ich ihm auch noch eine Sechs unter die nächste Klassenarbeit schreiben. Im Zwischenzeugnis reicht das nur für ein „mangelhaft“ – ein schlechter Start an der weiterführenden ­Schule und Anlass genug für ein Elterngespräch mit der Mutter oder dem Vater.

Während ich mich gedanklich auf das Gespräch vorbereite und im Geiste Zielsetzungen für das Fach Mathematik formuliere, fällt mir auf: Wenn ich mich auf das Elterngespräch vorbereite, sollten der Schüler und die Eltern dies auch können. Und meine Ziele müssen ja nicht zwangsweise die ­Ziele der Eltern und des Kindes sein. Doch nur gemeinsame Ziele kann man auch gemeinsam angehen. Also ­schreibe ich Anton neben das Zwischenzeugnis:

„Liebe Eltern, ich möchte mit Ihnen zusammen Anton helfen, seine Probleme in Mathe zu lösen. Bitte setzen Sie sich mit mir in Verbindung, um einen ­Gesprächstermin zu vereinbaren.“

Im Elterngespräch gilt: Gemeinsame Ziele kann man nur gemeinsam angehen

Zwei Tage später sitzen wir an einem Tisch: Anton, seine Mutter und ich. ­­Warum denn Anton auch dabei sein ­solle, wundert sich seine Mutter, das kenne sie so nicht. Ich ­erkläre, dass es schließlich darum ginge, Antons Schwierigkeiten in Mathe zu erkennen und Abhilfe zu schaffen, und dazu bräuchten wir zwingend Antons Hilfe.

Der eben noch in sich gesunkene Junge schaut verwundert auf: Er soll helfen? Er hatte eigentlich Schimpf und Tadel erwartet. Stattdessen beschreibt er seine Schwierigkeiten, beim Lerntempo in der Schule mitzukommen, und die Probleme, die er bereits in der ­Grundschule hatte.

Der Junge ist erleichtert: Wir haben ihm nicht das Fußballtraining gestrichen

Die Mutter ergänzt, dass es zu Hause mit den drei kleinen Geschwistern oft recht laut sei und sie nicht immer die Zeit finde, mit ­Anton täglich zu üben. Anschließend biete ich den beiden verschiedene Fördermöglichkeiten wie Schülernachhilfe und eine von Pä­­dagogen geleitete Hausaufgabenbetreuung in der Schule an. Wir einigen uns auf Hausaufgabenbetreuung an drei Tagen und einmal wöchentlich zu Hause Nachhilfe, weil dies am besten zu Antons Freizeitprogramm passt.

Am Ende schauen wir Anwesenden uns ein wenig überrascht an, und ich kann die Gedanken der Mutter lesen: „Die Hagemann ist ja doch gar nicht so übel.“ Anton ist ­seine Erleichterung ins Gesicht geschrieben, weil wir nicht, wie vorab von ihm befürchtet, sein Fußballtraining gestrichen
haben.

In diesem Gespräch wurden nicht die üblichen ­gegenseitigen Anschuldigungen gemacht: „Kein Wunder, dass mein Sohn so schlecht ist, Ihr Unterricht ist es auch!“ Oder: „Ihr Kind stört die ganze Zeit – und macht keine Hausaufgaben. Das muss anders werden. Sonst sehe ich am Ende des Schuljahrs schwarz für Ihren Jungen.“ Aus der Fünf im Zwischenzeugnis wurde übrigens im ­Endzeugnis eine glatte Vier.

Offenheit und gute Kommunikation sollten selbstverständlich sein. Eigentlich

Zugegeben, dieser Fall lief ziemlich glatt. Denn alle – Eltern, Lehrerin und Schüler – haben an einem Strang gezogen. Und die Chance tatsächlich genutzt, das Elterngespräch zum Zwischenzeugnis als Startpunkt für eine gemeinsame Stra­tegie zu sehen. Ist das ungewöhnlich? Eigentlich sollten Offenheit und die richtige Kommunikation doch selbstverständlich sein. Aber das ist bei einem Zusammentreffen zwischen Eltern und Lehrern leider selten der Fall.

Verdammt, hört dieses mulmige Gefühl denn nie auf?

Zum Beispiel heute Morgen: „Frau Hage­mann, meine Eltern wollen mit ­Ihnen reden!“ Schluck. Elterngespräch. Schon wieder ist sie da – meine Unruhe im Bauch. Hat sich Lena daheim beschwert, dass sie nicht mehr neben ihrer besten Freundin sitzen darf? Ich musste die beiden einfach trennen, weil sie die ganze Zeit gequatscht haben. Oder wollen die Eltern die Aufgaben der letzten Mathearbeit ­infrage stellen? Wir haben das ­alles im Unterricht geübt! Verdammt, hört das denn nie auf mit diesem mulmigen Gefühl und den Rechtfertigungen, sobald sich Eltern und Lehrer unterhalten sollen oder wollen oder müssen – wegen des Zwischenzeugnisses oder wegen schlechten Benehmens?

Man könnte fast meinen, dass mir Gespräche mit ­Erwachsenen schwerfallen. Doch im Alltag bereitet mir so etwas keine Sorgen, mein Mann würde sogar das Gegenteil behaupten: Ich ­plaudere freundlich mit der ­Supermarktkassiererin, halte Small Talk mit dem Brief­träger, und im Kreise meiner Freundinnen bin ich nicht zu bremsen. Da sollte es doch möglich sein, mit den Eltern meiner Schüler ganz normal ins Gespräch zu kommen.

Praxistipps für eine gute Gesprächsführung

  • 1. Keine Vorwürfe:

    In der Regel möchte die Lehrkraft Ihr Kind beim Lernen unterstützen und begleiten. Bei schlechten Noten helfen keine Vorwürfe an die Lehrkraft (selbst wenn sie berechtigt scheinen), sondern Überlegungen, wie alle zusammen für bessere Leistungen sorgen können.

  • 2. Was ist wirklich wichtig?

    Nicht jede schlechte Note und jeder Streit unter Mitschülern müssen sofort mit der Lehrkraft besprochen werden. Ändert sich aber an den Leistungen nichts oder belastet Ihr Kind eine ­Situation in der Klasse auf Dauer, so sollten Sie den Kontakt zu den Lehrern suchen (manchmal kommen diese Ihnen auch zuvor). Die meisten Schulen veröffentlichen dazu auf Ihrer Homepage Mailadressen der Lehrkräfte, oder Sie vereinbaren über das Sekretariat/Ihr Kind einen Termin.

  • 3. Erst mit der Fachlehrkraft sprechen

    ­Wenden Sie sich an die Fachlehrkraft, wenn Ihr Kind Schwierigkeiten mit einem Fach oder einer Lehrkraft hat. Umwege über die Klassenlehrkraft oder die Schulleitung helfen wenig, in der Regel verweisen diese Personen Sie wieder an die Fachlehrkraft. Diese ist dann nicht sonderlich erfreut, übergangen worden zu sein, und damit – verständlicherweise – weniger offen für ein konstruk­tives Gespräch.

  • 4. Richtig vorbereiten

    Werden Sie zu einem Gespräch gebeten (zum Beispiel durch eine ergänzende Nachricht auf der Einladung zum Elternsprechtag), fragen Sie vorab nach dem Grund und der Länge des Gesprächs. So können Sie sich vorbereiten und ausreichend Zeit einplanen. Fragen Sie auch Ihr Kind zu der Situation, oftmals traut es sich in der Schule nicht, dem Lehrer alles zu ­erzählen, beispielsweise aus Sorge, einen Mitschüler zu verpetzen. Wenn Sie und Ihr Kind es wünschen, bitten Sie die Lehrkraft, ob Sie gemeinsam zu dem ­Termin kommen können. Wenn der Lehrer auch mit Ihnen allein reden möchte, reicht es manchmal, wenn der Schüler für den Moment des ­Erwachsenengesprächs vor der Tür ­wartet.

  • 5. Den richtigen Moment finden

    Überfallen Sie die Lehrkraft nicht mit Ihrem Anliegen auf dem Schulhof, an der Lehrerzimmertür oder am Telefon. Auch Sie möchten beim Abholen des Kindes nicht so nebenbei im Flur über die Missetaten Ihres Kindes informiert werden. Bitten Sie um einen Gesprächstermin und nennen Sie den Anlass, damit sich die Lehrkraft vorbereiten kann.

  • 6. Dranbleiben­

    Fragen Sie ein bis zwei Monate nach dem Gespräch beim Lehrer nach, ob und wie sich die Lage verbessert hat. Das zeigt Ihr Interes­se und Bemühen und kann auch dazu die­nen, getroffene Maßnahmen nachzujustieren (z. B. Nachhilfe doch zweimal pro Woche statt einmal).

  • 7. Was, wenn das Gespräch nicht gut war?

    Und wenn das Gespräch doch nicht wie ­erhofft verlaufen ist: Überlegen Sie, woran es gelegen hat, und vereinbaren Sie gegebenenfalls einen neuen Termin. Vielleicht hilft es, wenn der andere Elternteil ebenfalls anwesend ist oder die Klassenleitung dazu­gebeten wird. In schwierigen Fällen haben viele Schulen auch ausgebildete Kolleginnen, die bei den Gesprächen unterstützend eingreifen können (Vertrauenslehrerinnen, Mediatoren, Schulsozialarbeiter und so weiter).

Auch für Eltern ist es nicht einfach, mit den Lehrkräften zu kommunizieren. Was macht man nun zum Beispiel, wenn das Kind zum Halbjahreszeugnis eine Fünf nach ­Hause bringt? Ruhe bewahren? Mit dem Kind schimpfen? Sofort ein Elterngespräch beim Lehrer buchen?

Schimpfen bringt nichts: weder beim Kind noch bei der Lehrkraft

Die wichtigste Regel ist einfach, aber erfolgreich: Tadeln bringt nichts. Weder beim Kind, das dann nur noch frustrierter ist, noch bei den Lehrkräften, die anschließend vermutlich wenig Interesse verspüren dürften, am Unterricht etwas zu ändern. Oft ist das Gegenteil besser: Ein Lob für das, was geleistet wurde, beispielsweise die guten Ergebnisse in Englisch oder im Lernverhalten, motiviert mehr als der ständige Blick auf die Defizite. Ein Lob sollte dabei ernst gemeint sein und die individuelle Leistung – und Anstrengung! – wertschätzen. Ein halbherziges „Gut gemacht!“ empfinden Kinder auch genau so.

Eine mühsam erkämpfte Vier ist mehr wert als manche übliche Eins

Einige meiner Schülerinnen und Schüler erhalten für Ihr (Zwischen-)Zeugnis Geld, eine Eins ist Oma und Opa manchmal zehn Euro wert, eine Zwei noch fünf Euro, danach gibt es nichts. Mir erscheint dieses Belohnungssystem sehr ungerecht, eine mühsam erkämpfte Vier in Mathematik, wo letztes Jahr noch eine Fünf stand, hat so manch ­einen Schüler mehr Anstrengung gekostet als die übliche Eins des Mathegenies.

Lernen ist ein Entwicklungsprozess, ­Anerkennung gebührt dabei vor allem den Fortschritten, nicht nur dem Ziel. Schöner als die „Geld für gute Noten“-­Variante finde ich persönlich die Idee, gemeinsam mit dem Kind nach der Zeugnisausgabe essen zu gehen: als Zeichen der Würdigung des Geleisteten und für manch einen eben als Trost, dass nicht alle Noten so sind wie erhofft. Die dann hoffentlich entspannte Stimmung beim Lieblings­essen kann dazu genutzt werden, sich über gemeinsame Ziele für das nächste Halbjahr zu unterhalten.

Lehrkräfte sind für Lob durchaus empfänglich

Sieht es in einem Fach bedrohlich aus, ist es sinnvoll – wie im Fall von Anton –, dass sich alle an einen Tisch setzen. An fast allen Schulen ist daher zum Halbjahreszeugnis ein Elternsprechtag üblich. Aber wie soll man eine Lehrerin mit ins Boot holen? Auch hier gilt: Lehrkräfte sind für Lob durchaus empfänglich – das weiß ich aus eigener Erfahrung!

Ich fuhr meine Krallen ein und notierte: Knobelheft erstellen

In einem Elterngespräch erklärte mir eine Mutter, ihr Sohn würde nur deshalb in meinem Matheunterricht stören, weil es für ihn oft langweilig sei. Ich begann gerade, meine Krallen ein wenig auszufahren, als sie fortfuhr: „Aber von der Stunde, in der Sie Aufgaben mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden und auch was zum Knobeln angeboten haben, da war er ganz begeistert und hat uns Eltern zu Hause auch tüfteln lassen.“ Sofort fuhr ich meine Krallen wieder ein und notierte in meinem Ordner: „mehr differenzierte Aufgaben auswählen“, „Knobelheft erstellen“.

Letztendlich ist die Basis einer erfolgreichen Zusammenarbeit also simpler, als die Beteiligten denken: Man muss vor allem das Feindbild „nervige Eltern/Schüler“ bzw. „ungerechte Lehrkräfte“ begraben und zu einem kooperativen, wertschätzenden Austausch übergehen – und dann miteinander sprechen!

 

„Elterngespräch: Wir müssen reden! – Tipps für den Elternabend“ – Foto: gpointstudio auf Freepik



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