Studieren ist heute nichts Besonderes mehr. Noch Ende der 1980er-Jahre hatten weniger als 30 Prozent eines Jahrgangs nach der Schulzeit eine Hochschulzugangsberechtigung in der Tasche – inzwischen ist es seit Jahren mehr als die Hälfte. In Bundesländern wie Schleswig-Holstein oder Hamburg dürfen sogar zwei Drittel der Schülerinnen und Schüler mit ihrem Abschluss eine Hochschule besuchen. Der Weg an die Uni ist von der Nebenstraße zur Autobahn geworden. Kein Wunder also, dass sich dort vieles geändert hat – vom Angebot an Studiengängen über den Zugang dorthin, den Ablauf an den Unis bis hin zu den möglichen und nötigen Abschlüssen. So geht das also heute mit dem Studieren: Tipps für Eltern von künftigen Schulabgängern.
Studieren-Tipps für Eltern: Was gibt es so im Angebot?
Die Qual der Wahl: Es gibt fast 20 000 unterschiedliche Studiengänge
Das Erste, was Eltern heute auffällt, wenn sie sich mit dem Studium beschäftigen, ist die schiere Masse an Angeboten. Fast 20 000 unterschiedliche Studiengänge gibt es inzwischen, und jedes Jahr kommen ein paar Hundert neue hinzu. Manche Experten sprechen inzwischen von einem Wildwuchs, der vor allem Marketinggründe habe – aber so kann, wer möchte, heute „Culinary Arts and Food Management“ an der Hochschule für Kunst, Design und Populäre Musik Freiburg studieren. Die 220 000-Einwohner-Stadt hat übrigens allein sechs Hochschulen und steht damit für einen weiteren Trend: Auch die Zahl solcher Einrichtungen hat sich seit 1990 verdreifacht. Mehr als die Hälfte aller Kreise in Deutschland hat heute eine Hochschule, und sei es eine kleine Fachhochschule.
Für Schülerinnen und Schüler – und deren Eltern, die fast immer die wichtigsten, ersten Gesprächspartner bei der Berufsorientierung sind – bedeutet das: nicht erschlagen lassen! Zum einen sind fast die Hälfte davon Master- also Aufbaustudiengänge (dazu später mehr). Zum anderen fallen viele weitere weg, sobald die Jugendlichen ihre Interessen und Fähigkeiten mit den einzelnen, grundsätzlichen Studienrichtungen abgleichen: Wer kein Interesse an Physik hat, wird auch mit biomedizinischer Technik nicht glücklich.
Fast die Hälfte aller Studiengänge sind Aufbaustudiengänge
Überhaupt sollten Schüler und Eltern sich nicht von komplizierten Studienbezeichnungen verwirren lassen, sondern sich die Inhalte ansehen, die tatsächlich vermittelt werden. Den Überblick erleichtern dabei Portale wie hochschulkompass.de, ein Angebot der Hochschulrektorenkonferenz. Viele neue Studiengänge vereinen Elemente aus verwandten Bereichen. Das ist grundsätzlich sinnvoll, weil Studierende danach mehr Möglichkeiten für einen Aufbaustudiengang haben und breiter nach Praktika und Jobs suchen können. Je spezialisierter ein Studium, umso größer ist die Gefahr, in einer wenig zukunftsträchtigen Nische zu landen.
Bei Unklarheiten lohnt sich ein Schnupperstudium
Für alle, die bezüglich der Studienwahl noch unsicher sind, empfiehlt sich ein Schnupperstudium, das heute die meisten Unis anbieten. Auch toll: das Projekt oneweekexperience.de, das Schülern die Möglichkeit bietet, eine Woche lang Student zu sein. Erste Anlaufstation für Fragen ist die Zentrale Studienberatung der Universität, in der sich auch Schüler informieren können. Wer noch gar keinen Plan hat, was er heutzutage studieren kann, ist allerdings bei der Berufsberatung der Bundesagentur für Arbeit erst mal besser aufgehoben.
Was die Wahl der Universität angeht, sind Rankings und Auszeichnungen dafür nur bedingt zu empfehlen. Der Elite-Status sagt mehr über die Forschung als über die Lehre aus, und Rankings kommen oft sehr intransparent zustande. Besser: die Fachschaft kontaktieren, mit den darin organisierten Studenten reden, einen Blick ins Vorlesungsverzeichnis werfen und die Schwerpunkte der Uni mit den eigenen Vorstellungen abgleichen.
Wie kommt mein Kind dorthin?
Vorsicht, jetzt kommt ein Tipp, den Sie Ihrem Kind NICHT geben sollten: Der einfachste Weg, die Studienauswahl zu vereinfachen, ist Faulheit. Denn auch heutzutage haben viele Fächer einen Numerus clausus (NC), sind also zulassungsbeschränkt. Das heißt, dass nur die besten Abiturienten auf Anhieb einen Platz bekommen – wer zu schlecht ist, hat also von vornherein viel weniger Auswahl.
Der Start ins Studium
Die Zulassung zu 1 700 grundständigen (also zum ersten Hochschulabschluss führenden) Studiengängen wie etwa BWL oder Jura wird für alle deutschen Bundesländer über das Portal hochschulstart.de koordiniert. Für Human-, Tier- und Zahnmedizin werden die Plätze sogar nur hier zentral vergeben. Für die anderen Studiengänge vergeben die Hochschulen die Studienplätze selbst – oft nach einem speziellen Schlüssel mit Quoten für die besten Noten, Wartesemester und andere Qualifikationen. Diese Kriterien variieren auch stark nach Standort: So sind in Berlin 80 Prozent der Studiengänge im Bereich Sprach- und Kulturwissenschaft zulassungsbeschränkt, in Thüringen und Hessen nur acht Prozent. Um sich über Zugangsvoraussetzungen und die Höhe des NC für einzelne Studiengänge zu informieren, sind neben hochschulkompass.de auch Portale wie abitur-und-studium.de oder auswahlgrenzen.de nützlich.
Die Zugangsvoraussetzungen variieren je nach Standort
Wenn es so weit ist, müssen Bewerber die Fristen beachten. Stichtag für die Bewerbung über hochschulstart.de ist der 15. Januar (Sommersemester) bzw. 15. Juli (Wintersemester). Achtung: Viele Studiengänge fangen nur im Wintersemester an. Viel einfacher ist das Prozedere, wenn ein Studiengang nicht zulassungsbeschränkt ist: In diesem Fall schreibt man sich einfach zu einem vorgegebenen Termin (steht auf der Website der Hochschule) in das Fach ein, immatrikuliert sich also.
Wartesemester bedeutet nicht nichts tun
Wenn der Studienwunsch klar ist, der Abischnitt aber nicht auf Anhieb reicht: Wartesemester einplanen. Als solches gilt jedes Halbjahr, das man nach dem Abitur nicht an einer Hochschule eingeschrieben ist, ergo nicht studiert. Sinnvoll nutzen kann man die Zeit für Praktika, Auslandsaufenthalte, eine Ausbildung, Bundesfreiwilligendienst oder ein Freiwilliges Soziales, Kulturelles oder Ökologisches Jahr. In manchen Fällen sind vorgeschaltete Praktika sogar vorgeschrieben (z. B. Lehramt) oder können während des Studiums vorgesehene ersetzen.
Was Schülerinnen und Schüler vor dem Abschluss sonst noch tun können, um sich den Einstieg ins künftige Studium zu erleichtern: Wer weiß, dass für das Wunschfach bestimmte Sprachkenntnisse erforderlich sind, sollte rechtzeitig das Latinum oder Graecum ablegen. Zwar bieten Hochschulen die Möglichkeit, das nachzuholen – doch solche Dinge vorher zu erledigen spart im Studium viel Zeit und Nerven.
Wie funktioniert das vor Ort?
Eingeschrieben? Spätestens von da werden aus Studieren-Tipps für Eltern eigentlich Tipps für Studenten – denn nun ist von den jungen Leuten Eigeninitiative gefragt. Im Studium läuft nämlich so ziemlich alles anders als in der Schule. Für Stundenpläne, Prüfungsleistungen und Fristen ist man auf einmal selbst zuständig. Und auch um Finanzfragen sollte man sich rechtzeitig kümmern – auch wenn dabei die Eltern noch helfen können.
Alle mal aufgepasst: Möglichkeiten der Studienfinanzierung
Zwar sind die allgemeinen Studiengebühren mittlerweile bundesweit abgeschafft, trotzdem ist Studieren alles andere als billig, nicht nur wegen des obligatorischen Semesterbeitrags. Als Unterstützung können Studierende beim Staat BAföG beantragen – ob jemand Anspruch darauf hat und wie viel Geld sie oder er letztlich bekommt, lässt sich mittels bafoeg-rechner.de herausfinden. Alternativ kann man einen Studienkredit aufnehmen, sich auf stipendienlotse.de nach einem Stipendium umsehen oder ganz klassisch jobben. Wer dabei gleich was fürs Studium tun will, kann sich als studentische Hilfskraft, kurz HiWi, am Lehrstuhl bewerben. Je besser die Noten, desto größer die Chance auf einen solchen Job.
Die Bologna-Reform kurz erklärt
Bei den Abschlüssen dominieren seit der Bologna-Reform Bachelor (BA) und Master (MA). Sie ersetzen die bisherigen Magister- und Diplomstudiengänge. Mediziner, Pharmazeuten, Juristen und zum Teil auch Lehrer schließen allerdings weiter mit dem Staatsexamen ab. Die neuen Abschlüsse haben einige Besonderheiten, etwa ihre Gliederung in Module: Ein Modul besteht meist aus einer Vorlesung, einem Seminar und einem Tutorium. Mit jedem bestandenen Modul sammelt man ECTS-Punkte, auch Credit Points oder Leistungspunkte genannt. ECTS steht für „European Credit Transfer and Accumulation System“ und soll Studienleistungen international vergleichbar machen, um Studierenden den Wechsel in ein anderes Land der EU zu erleichtern – das war schließlich ein Hauptziel der Bologna-Reform.
Credit Points haben nichts mit Noten zu tun, sondern geben den Studienaufwand an. Ein Credit Point entspricht dabei etwa 30 Lernstunden, pro Semester sammeln Studierende rund 30 Credit Points ein. Für einen sechssemestrigen Bachelor-Abschluss müssen sie meist 180 Punkte sammeln, im Master sind es zusätzlich 120. Normalerweise kann man die Punkte in der Regelstudienzeit problemlos zusammenbekommen. Beim Bachelor beträgt diese meist sechs Semester, also drei Jahre. Beim Master sind es zwischen zwei und vier Semester, also maximal zwei Jahre.
Blick in die Ferne: Ein Auslandssemester
Eng kann es allerdings für alle werden, die es in die Ferne zieht: Zwar gibt es Studiengänge, die ein Semester im Ausland sogar vorschreiben. Doch meist muss man sich um ein Auslandssemester selbst kümmern. Weil es heutzutage mit der internationalen Abstimmung am Ende eben doch oft hapert, verlängert sich das Studieren mitunter um ein bis zwei Semester. Unterstützung bei der Organisation und Finanzierung von Auslandssemestern, aber auch Praktika inner- und außerhalb Europas bietet das EU-Programm Erasmus+, mit dem allein im Jahr 2015 rund 28 000 Studierende unterwegs waren.
Mit einem Praktikum eigene Schwerpunkte setzen
Mittlerweile fester Bestandteil vieler Studienstundenpläne: Praktika, die mit Credit Points honoriert werden. Diese als lästige Pflicht abzutun wäre der falsche Ansatz: Gerade im relativ verschulten Bachelor-System sind Praktika eine gute Gelegenheit, das eigene Profil zu schärfen und an die Berufswelt anzuknüpfen. Denn wenn der Stundenplan schon für alle gleich aussieht, kann man wenigstens mit der Wahl der Praktika eigene Schwerpunkte setzen.
Lohnt sich Studieren heute wirklich?
Der Nutzen einer Weiterbildung
Master, Promotion, Karriere: Wer sein Studium erfolgreich abschließt, hat heute wie vor 20 Jahren beste Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Manche Akademiker bleiben auch immer noch lieber gleich in der Wissenschaft. So weit nichts Neues. Was sich verändert hat, ist der Takt, in dem der Abschluss näher rückt: Dank der Bachelor-Abschlüsse war man gerade noch „Ersti“, und flotte drei Jahre später hält man schon sein Abschlusszeugnis in den Händen. Bei den meisten Fächern bietet es sich an, noch einen Master draufzusetzen. Die Berufsaussichten für Bachelor-Absolventen sind in vielen Bereichen wenig rosig – auch weil die jungen Leute bei ihrem Abschluss oft gerade mal 21 oder 22 Jahre alt sind. Eine Möglichkeit sind inzwischen allerdings z. B. Traineeprogramme, die vor allem größere Firmen in Bereichen wie Verwaltung, Marketing oder Vertrieb anbieten. Trotzdem ist der Master weiterhin der beliebteste Weg, das im Bachelor erworbene Wissen zu vertiefen, neue Schwerpunkte zu setzen und einen Abschluss zu machen, der neue Möglichkeiten wie zum Beispiel eine Promotion eröffnet.
Unsere Tipps auf einen Blick
Infos über Studiengänge und Zulassungsverfahren bieten die Seiten hochschulkompass.de
abitur-und-studium.de
auswahlgrenzen.de
hochschulstart.deNoch unentschlossen bei der Studienwahl? Ein Schnupperstudium (Projekt: oneweekexperience.de) und die Berufsberatung der Agentur für Arbeit kann weiterhelfen
Muss ein Wartesemester eingelegt werden, weil der Abischnitt nicht auf Anhieb zum Traumstudium reicht, kann dieses sinnvoll genutzt werden. Zum Beispiel mit einem Praktikum, Bundesfreiwilligendienst, Auslandsaufenthalt und einem Freiwilligen Sozialen, Kulturellen oder Ökologischen Jahr
Für die Finanzierung eines Studiums gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie Stipendien, Bafög, Studienkredite und Nebenjobs, auch als studentische Hilfskraft. Infos dazu und zum Wohnen bietet Ihnen das Deutsche Studentenwerk
Infos und Hilfe bei der Organisation und Finanzierung eines Auslandssemesters bietet Erasmus+
Nicht nur der Master ist eine Möglichkeit zur Vertiefung von Wissen und um neue Schwerpunkte zu setzen, auch Traineeprogramme bieten Weiterbildung
Baut der Master inhaltlich direkt auf den Bachelor auf, spricht man von einem konsekutiven Studium – das ist bei der Mehrzahl aller heutigen Studiengänge der Fall. Es gibt aber auch nicht konsekutive Master, mit denen ein Germanist sich betriebswirtschaftliche Kenntnisse aneignen oder ein Physiker journalistisches Schreiben lernen kann. Man kann also völlig andere Wege gehen als im Bachelor-Studium und sich fachlich neu orientieren. Das hält eine Reihe interessanter Kombinationen bereit, die auf dem Arbeitsmarkt sehr nützlich sein können.
Wie und wozu der Doktortitel?
Wer im Bachelor-Studium kein Auslandssemester gemacht hat, kann für den Master ins Ausland gehen. Das ist sicherlich eine gute Erfahrung, erhöht zudem die Chancen auf dem Jobmarkt und ist vor allem in großen Konzernen gern gesehen. Ein Master oder ein Staatsexamen ist außerdem Voraussetzung für eine Promotion, also den Erwerb eines Doktortitels.
Wer eine Karriere in der Wissenschaft anpeilt, kommt um diesen nicht herum. Und auch für bestimmte Fächer ist der Titel ratsam – ein Arzt ohne Doktor ist zum Beispiel nur schwer vorstellbar. Überhaupt gehört der Titel in den Naturwissenschaften oft einfach dazu. Für Juristen, Ökonomen oder Techniker kann er sich zumindest sehr positiv auf das spätere Gehalt auswirken. Das sollte er auch – immerhin kann eine Promotion gut drei bis fünf Jahre dauern.
Bildung hilft gegen Arbeitslosigkeit
Zu den Berufsaussichten: Die Formel „gute Bildung = gute Chancen“ hat nach wie vor Gültigkeit. Eine Studie des HIS-Instituts für Hochschulforschung zeigt: Zehn Jahre nach dem Abschluss steht heutzutage nur ein Prozent der Akademiker ohne Job da. Studieren gilt als beste Versicherung gegen Arbeitslosigkeit und als Garant für überdurchschnittliches Einkommen und Zufriedenheit im Beruf.
Gute Bildung bedeutet gute Chancen
Langfristig sind die Berufsaussichten sehr gut. Während der Anteil der regulär Beschäftigten kurz nach dem Studium nur bei einem Drittel liegt, ist er vier Jahre danach bereits bei 85 Prozent. Das ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass für viele Absolventen, insbesondere aus den Geistes- und Sozialwissenschaften, der Einstieg ins Berufsleben immer noch durchaus holprig verlaufen kann.
Studieren: Tipps für Eltern – Magazin SCHULE – Fotos: freepik (2), Unsplash
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