Wundern & Wissen

Schlau dank Blau

Erst mit einer durchdachten Beleuchtung geht Schülern beim Lernen ein Licht auf. Die richtige Stärke und Farbe des Lichtes kann beruhigen und bei der Konzentration helfen


Seitdem moderne LEDs das Schulzentrum am Trierer Mäusheckerweg beleuchten, ist es ins Licht der Öffentlichkeit gerückt. Als leuchtendes Beispiel ging die Schule schon im Jahr 2012 voran: Das erklärte Ziel eines Modellprojekts damals war, LED-Technik im öffentlichen Bereich zu realisieren und auf Alltagstauglichkeit zu prüfen. Zum bundesweiten Wettbewerb „Kommunen in neuem Licht“ hatte das Ministerium für Bildung und Forschung aufgerufen. Trier schaffte es, dank seines überzeugenden Konzepts, unter die ersten Zehn.

Lernen und Licht – können LEDs Schulleistungen verbessern? Eine Studie, die die Umrüstung auf Leuchtdioden an 33 Schulen wissenschaftlich begleitet hat, kommt zu dem Ergebnis: ja. Das Schüler- und Lehrerecho auf die installierten Leuchtdioden war durch die Bank positiv: Sie stellten dem neuen Lernklima ein ausnahmslos gutes Zeugnis aus, während sie das Licht im unsanierten Zustand lediglich als „befriedigend“ bewerteten. Der Charakter der Schulräume sei tendenziell wärmer, gemütlicher und heiterer geworden.

Es ist die Natur, die uns die Parameter für eine stimmige Beleuchtung vorgibt

Dass gutes Sehen für das Lernen von Bedeutung ist, leuchtet ein – ganz egal, ob nun LEDs oder herkömmliche Leuchtstofflampen die Räume erhellen. Etwa 80 Prozent der Informationen werden vom Auge aufgenommen. „Der Maßstab ist das Tageslicht, da liegt die Farbwiedergabe bei 100 Prozent“, sagt Dr. Steffen Franke, Physiker am Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie in Greifswald. Es ist die Natur, die uns die Parameter für eine stimmige Beleuchtung vorgibt. Der Himmel dient als Vorbild: Er sorgt von oben und von vorn für einen gleichmäßigen Lichteinfall in unsere Augen und verhindert, dass große Unterschiede in der Leuchtintensität unser Sehorgan ermüden. Sollen die grauen Zellen auf Trab gebracht werden, gilt es, die aus dem gestreuten Sonnenlicht resultierende bläuliche Färbung des Himmels mit künstlichem Licht zu imitieren.

„Helles Licht bringt bessere Schulleistung“, sagt Professor Michael Schulte-Markwort von der Hamburger Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik. „Bläulich aktiviert und konzentriert, etwas rötlicher und dunkler wirkt das Licht motorisch beruhigend.“ Dies wiesen neben der von ihm betreuten Langzeitstudie an drei Schulen der Hansestadt bereits mehrere Bildungsstätten des Landes nach. Die wissenschaftlichen Ergebnisse belegen, dass Konzentrationsfähigkeit und Geschwindigkeit beim Lesen und Rechnen unter hellem und bläulichem Licht signifikant besser sind als bei Vergleichsgruppen mit Standardbeleuchtung. Unerwünschter Hyperaktivität kann hingegen mit rotanteiligem und weniger starkem Licht erfolgreich begegnet werden.

Die Hormone, unser unsichtbares Regiment, werden durch Lichtstärke und -farbe maßgeblich bestimmt

Dies liegt daran, dass die Hormone als unsichtbares Regiment des Menschen durch Lichtstärke und -farbe maßgeblich bestimmt werden. Erst 2002 wurden in der Netzhaut auch Fotorezeptoren nachgewiesen, bei denen es nicht ums Sehen geht. Spezielle Ganglienzellen haben eine direkte Verbindung zum Gehirn, takten unseren Biorhythmus und sorgen dafür, dass Hormone produziert oder blockiert werden. Was aber braucht ein wacher Geist? Leistungsfähigkeit erfordert eine gewisse Dosis des aktivierenden Stresshormons Cortisol sowie des stimmungsaufhellenden und motivierenden Serotonins. Die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin wirkt kontraproduktiv und kann mithilfe von Licht unterdrückt werden.

Auch im Kinderzimmer zu Hause können sich Eltern die Wirkung des richtigen Lichtes zunutze machen und eine lernfreundliche Atmosphäre schaffen. Es ist sinnvoll, sich zumindest grob mit den neuen Maßeinheiten vertraut zu machen. Lux, Lumen, Kelvin . . . Hat sich Otto Normalverbraucher bis vor Jahren bestens mit Watt zurechtgefunden, versteht er heutzutage am Baumarktregal teilweise noch nur Bahnhof. Kelvin drückt die Farbtemperatur aus. Je höher der tageslichtähnliche Blauanteil, desto höher der Wert. 6000 Kelvin entsprechen dabei dem natürlichen Tageslicht. In Lumen wird die Lichtstärke eines Leuchtmittels angegeben; Lux sagt aus, wie viel Licht auf eine bestimmte Fläche trifft.

Eine tageslichtweiße Schreibtischleuchte mit 6000 Kelvin empfiehlt der Greifswalder Physiker Steffen Franke für den Schreibtisch – falls dieser nicht ohnehin in der Nähe eines Fensters platziert sei, was natürlich ideal wäre. Franke warnt aber auch: „Am Abend sollte die Lampe nicht mehr eingeschaltet werden.“ Sonst werde die Ausschüttung des Schlafhormons behindert – Einschlafprobleme wären die Folge. Künstlich hergestelltes Tageslicht ist also für Kinder optimal, die ihren Hausaufgaben am Nachmittag nachkommen. Packen Sprösslinge ihre aufgetragenen Aufgaben erst am Abend an, dürfen Werte um die 2700 Kelvin nicht überschritten werden.

„Überall im Raum sollte etwas Licht angebracht sein“ – auf diese einfache Formel bricht der unabhängige Lichtplaner Dipl.-Ing. Robert Busch-Maas die Beleuchtung im Kinderzimmer herunter. Und auch die DIN-Norm für Arbeitsplätze unterstreicht die Wichtigkeit, Wand- und Deckenflächen gleichmäßig aufzuhellen. Ist nur ein zentraler Deckenauslass im Raum vorhanden, rät der Experte zu schwenkbaren Mehrfachspots oder zu ergänzenden Lichtquellen wie Deckenflutern und an Möbel anklippbaren Lampen.

Durch lediglich einen Lichtstrahl kommt es zum unerwünschten ‚Höhleneffekt‘

Zwei Lichtquellen im gesamten Raum sind das absolute Minimum. Durch lediglich einen Lichtstrahl kommt es zum unerwünschten „Höhleneffekt“. Er wirkt auf den Menschen psychisch einengend, die Augen werden durch den ständigen Ausgleich von hell und dunkel rasch müde, und Kopfschmerzen drohen. Am Schreibtisch ist eine nach unten abstrahlende Leuchte ein Muss. Kommt das Licht bei Rechtshändern von links und bei Linkshändern von rechts, wirft die Schreibhand so auch keine störenden Schatten. Farben sollten möglichst authentisch wiedergegeben werden, wofür ein Blick auf die Leuchtmittelverpackung lohnt: Anzustreben ist ein sogenannter RA-Index von 80 und mehr.

Die Marschrichtung an Schulen und in den eigenen vier Wänden heißt klar: Es werde Licht! Um die Konzentration anzukurbeln, empfiehlt das Institut für Ressourceneffizienz und Energiestrategien (IREES) sogar regelrechte „Lichtduschen“. Im Handel gibt es dafür eigens „Energylights“, die mit Leuchtstärken bis zu 10 000 Lux operieren.

LED oder konventionelle Leuchtkörper im Kinderzimmer? Das ist Geschmackssache – und eine Geldfrage. Wird die Leuchtdiode von manch einem als Allroundtalent in den Himmel gelobt, stören sich Kritiker an
ihrer Grelle. So oder so profitiert von der segensreichen Wirkung des perfekten Lichts auf den Hormonhaushalt nur, wer es richtig zu handhaben versteht.



Unsere Themen im Überblick

Kommentieren