Kennen & Können

Die 21 gefährlichsten Lernlücken – Teil 1: Sprachen

Mancher Schulstoff holt einen im Laufe der Jahre immer wieder ein. Wenn diese Grundlagen nicht sitzen, bleiben sie für immer Stolpersteine und Notenbremsen. Wir zeigen, welche Themen Ihr Kind wirklich beherrschen muss


Der Stoff wirkt einfach und unbedeutend. Kein Grund, besonders aufzupassen – ein bisschen Auswendiglernen vor der Klassenarbeit tut’s auch. So denken viele Schülerinnen und Schüler – ein folgenschwerer Fehler!  Schon im nächsten Schuljahr holt sie das mangelnde Verständnis ein wie ein Bumerang. Möglicherweise schaden solche Lernlücken ihnen auch noch in einer anderen Disziplin.

In jedem Fach gibt es Grundwissen, ohne das man im Unterricht nur schwer wirklich mitkommen kann. Wir haben Nachhilfelehrkräfte für die sieben wichtigsten Schulfächer gefragt, welche Lernlücken ihnen immer wieder begegnen. 21 Stoffgebiete haben sie für uns zusammengetragen, bei denen jede Schülerin und jeder Schüler wissen sollte: Die müssen wirklich sitzen. Und wenn die Lücke längst da ist? Unbedingt nachholen!

Lesen Sie in diesem Teil die gefährlichsten Lernlücken für Deutsch und die Fremdsprachen Endlisch, Latein und Französisch. Die Fächer Mathematik, Chemie und Physik folgen im zweiten Teil im nächsten Magazin SCHULE.

 

Lernlücken Englisch

Lernlücken Englisch – Magazin SCHULE online

Unsere Expertin: Die gebürtige Amerikanerin Laurie Castro Camargo ist Kids Director Quality & Training bei Berlitz und unterrichtet seit über 20 Jahren in Lerncamps (berlitz.de).

 

1. Present perfect or simple past?

5./6. Klasse
Notenfaktor: ★★  Häufigkeit: ★★

We met last year and have been texting quite regularly ever since.

„Same, same, but different“, würden Thailänder sagen: Die Formen der englischen Zeiten ähneln den deutschen sehr – aber sie werden anders verwendet. Am häufigsten verwechseln Lernende das present perfect (welches ähnlich wie das deutsche Perfekt gebildet wird) und das simple past (welches dem deutschen Präteritum bzw. Imperfekt entspricht). Mündlich verwenden wir Deutsche fast ausschließlich das Perfekt, und auch im Schriftlichen haben die beiden Zeiten nicht so streng getrennte Aufgaben. Die Engländer unterscheiden hingegen klar: Sobald ein Vorgang abgeschlossen ist und eine eindeutige Zeitangabe dabei steht, verwenden sie simple past. Das present perfect beschreibt vor allem Vorgänge, die sich in die Gegenwart hinein auswirken: We cooked yesterday evening, and I have just finished the washing-up.

Diesen Unterschied nehmen Schülerinnen und Schüler anfangs oft nicht wahr oder nicht ernst – und werden noch in der Oberstufe mit Punktabzug bestraft. Je länger sich der Fehler einschleifen kann, umso schwieriger ist er auszutreiben. Deshalb: möglichst früh über fremdsprachige Medien (Hörspiele, Kino, Videos, Sprach-Lernspiele …) in die Sprache eintauchen, damit man intuitiv die richtige Zeitform für die jeweilige Situation benutzt. Auch Sprachferien oder ein Schüleraustausch wirken.

TIPP
Vorsicht vor US-Filmen und -Serien: Das amerikanische Englisch trennt zwischen den beiden Zeiten nicht so strikt und verwendet häufiger das simple past!

 

2. Satzbau

5. Klasse
Notenfaktor: ★★  Häufigkeit: ★★

Falsch: What make we today …?
Richtig: What do we do today?

Unterschätztes Anfängerproblem: Vor allem im ersten Lernjahr bauen viele Kinder englische Sätze wie im Deutschen auf. Mit Fragen und Verneinungen haben viele sogar noch deutlich länger Schwierigkeiten.

Auch wenn sich das Problem bei fast allen Kindern mit der Zeit legt, lohnt es sich, früh korrekten Satzbau zu üben: „Die Kinder profitieren dann von einer Art Lawineneffekt“, erklärt Laurie Castro Camargo von Berlitz Deutschland. „Sind diese Basics begriffen, lernt sich alles Weitere viel leichter und schneller.“

TIPP
Online-Portale wie www.ego4u.de bieten neben Erklärungen auch Übungen zur Grammatik an.

 

3. Aussprache

ab 5. Klasse
Notenfaktor: ★  Häufigkeit: ★★

Radio, Werbung, Smartphone-Apps: Jedes Kind hört regelmäßig englische Laute. Trotzdem ist es ungewohnt und schwierig, die fremde Sprache richtig auszusprechen. Vielen ist es anfangs auch peinlich.

Das Problem: Je älter ein Kind ist, umso schwerer fällt es ihm, neue Laute zu erlernen. Und wer noch in der Mittelstufe kein englisches „r“ und „th“ herausbekommt, hält sich mit Wortmeldungen zurück – mit negativen Folgen für die Englischnote.

TIPP
Sprechen lernt man durch sprechen: beim lauten Mitsingen von Popsongs, beim Bestellen im Urlaub, beim Schüleraustausch, mit englisch­sprachigen Freunden

 

Lernlücken Deutsch

Lernlücken Deutsch – Magazin SCHULE online

Unsere Expertin: Swantje Goldbach ist pädagogische Leiterin und Gründerin der Berliner Reformnachhilfeschule Lernwerk (www.lernwerk.de). Über ihr Lernkonzept hat sie ein Buch geschrieben: „Anders Rechtschreiben lernen“, LernImpuls Verlag, 17,90 Euro.

1. dass/das

5. Klasse
Notenfaktor: ★  Häufigkeit: ★★★

Es ärgerte ihn, dass er immer wieder den gleichen Fehler machte.
In dem Diktat, das das Mädchen geschrieben hatte, wimmelte es von Fehlern.

Es ist ein Klassiker unter den Rechtschreibfehlern: die Unterscheidung zwischen „dass“ und „das“ nach einem Komma. Dabei haben die beiden Wörter völlig unterschiedliche Bedeutungen: „Dass“ ist eine Konjunktion, also ein Bindewort wie „und“ oder „deshalb“. „Das“ ist ein Pronomen wie „der“ oder „jene“.

Wer dieses Prinzip nicht begreift, kann sein Leben lang nur raten. In der Schulzeit bedeutet das Minuspunkte überall, wo Rechtschreibung zählt. Und von der Bewerbung bis zur Dienst-E-Mail macht man damit garantiert einen schlechten Eindruck. Auch Rechtschreibprogramme korrigieren „dass/das“-Fehler nicht zuverlässig.

Also aufgepasst, wenn in der Grundschule die ersten Diktate geschrieben werden: Hier gewöhnen sich viele Kinder daran, nach einem Komma automatisch „dass“ zu schreiben. Tatsächlich aber ist „das“ nach einem Komma häufiger. Zum Glück ist es nie zu spät, sich folgende einfache Regel einzuprägen:

TIPP
„Das“ kann man durch „welches“ „dieses“ oder „jenes“ ersetzen, ohne dass der Satz seinen Sinn verliert. Geht das nicht, verwendet man „dass“.

 

2. Interpretation

ab 8. Klasse
Notenfaktor: ★★★  Häufigkeit: ★★★

Was will uns der Autor damit sagen? Diese Frage gehört zum festen Schulrepertoire. Und das nicht nur in Deutsch, sondern auch in Fremdsprachen, Geschichte, Religion, Kunst, Musik …

Die besten Lerntipps für Deutsch – Magazin SCHULE
Besser lesen, schneller lesen, Fehlerliste führen: 9 weitere Lerntipps für Deutsch haben wir hier zusammengestellt

Das Problem: Wer nicht weiß, was der Autor SAGT, kann nicht erahnen, was dieser aussagen WILL. „Viele Schülerinnen und Schüler haben eine furchtbar schlechte Lesetechnik, sie können schlicht nicht sinnentnehmend lesen“, sagt Swantje Goldbach, Gründerin der Berliner Reformnachhilfeschule Lernwerk. Das äußere sich dann auch an ganz anderer Stelle, etwa wenn die Lernenden Aufgaben in Klassenarbeiten nicht richtig verstehen.

Kinder sollten sich spätestens bei den ersten Interpretationen angewöhnen, mit längeren Texten aktiv zu arbeiten. Das bedeutet: zu unterstreichen, sich Notizen am Rand zu machen, Wichtiges einzukringeln, dabei unterschiedliche Farben zu verwenden. Dabei darf jeder durch Ausprobieren seine eigene Technik entwickeln – Hauptsache, sie funktioniert.

TIPP
Swantje Goldbach rät ihren Schülern, den Inhalt eines Textes während des Lesens auf einem gesonderten Blatt in Form einer Mindmap zu visualisieren.

 

3. Dopplung und Dehnung

2.–4. Klasse
Notenfaktor: ★  Häufigkeit: ★★★

Heller oder Hehler? Was schon gesprochen ähnlich klingt, bereitet fast allen Kindern anfangs Probleme beim Schreiben. Im Deutschen werden Konsonanten nach kurzen Vokalen in der Regel verdoppelt und nach langen manchmal gedehnt. Unmittelbar logisch finden die meisten Kinder das nicht, zumal es eine Fülle von Ausnahmen gibt, wie die Beispiele „Saal“, „Mahl“ und „Wal“ zeigen. Lehrkräfte empfehlen daher meist: üben, üben, üben – und immer an die Regel denken.

Doch das ist nicht immer der richtige Weg. Viele Kinder hören den Unterschied zwischen kurzen und langen Vokalen schlicht nicht. Macht ein Kind fortwährend Dopplungs- oder Dehnungsfehler, sollten Eltern unbedingt klären, ob es den Unterschied zwischen kurzen Vokalen (wie das „a“ in Wall) und langen (wie das „a“ in Wahl) verstanden hat und auch hören kann!

TIPP
Lange und kurze Vokale lassen sich mit den Fingerspitzen „ertasten“ (der Mund öffnet sich bei langen deutlicher) oder im Spiegel bzw. bei Mama und Papa mit dem Auge unterscheiden.

Lernlücken Latein

Lernlücken Latein – Magazin SCHULE online

Unser Experte: Dieter Schmidt-Burkhardt ist nach 40 Jahren im Schuldienst jetzt pensionierter Lehrer.

 

1. Keine Übersetzungstechnik

ab 1. Lernjahr
Notenfaktor: ★★★  Häufigkeit: ★★

Wenn Lateinschülerinnen und -schüler beim Übersetzen in Schwierigkeiten kommen, liegt es oft weniger an mangelnden Grammatikkenntnissen. Selbst schwierige Grammatikkonstruktionen verstehen die meisten früher oder später – aber sie finden sie in den Texten nicht wieder.

„Latein ist in besonderer Weise ein Augenfach“, erklärt der pensionierte Lehrer Dieter Schmidt-Burkhardt. Mehr als in anderen Fremdsprachen komme es darauf an, genau hinzuschauen und die Bestandteile eines Textes präzise zu erfassen. Die Arbeit am und mit dem Text (die „Texterschließung“) sei die wesentliche Vorarbeit, das Übersetzen am Ende „nur der krönende Abschluss“.

Schmidt-Burkhardts Ratschlag: konsequent mit Farbe arbeiten. Er rät, zunächst alle Verben grün zu markieren – am besten die Prädikatsverben fett (Textmarker), andere Verbformen wie z. B. Infinitive einfach grün unterstreichen. Dann gilt es, die Einleitungswörter von Nebensätzen (Relativpronomen, Subjunktionen wie quod, si, postquam) gelb hervorzuheben. „Mit dieser optischen Hilfe finden wir die Nebensätze, um letztlich darüber den Hauptsatz zu identifizieren“, so der Lehrer. Zum Schluss empfiehlt er, logische („und-“)Verknüpfer wie et, ac, atque, -que etc. rot hervorzuheben.

TIPP
Auch wenn die ersten Sätze noch einfach sind, sollten Lernende Texte von Anfang an strukturiert erschließen. Latein-Übersetzungsblätter müssen bearbeitet aussehen!

 

2. Unterschätzte Fachbegriffe

ab 1. Lernjahr
Notenfaktor: ★★  Häufigkeit: ★★

Latein-Coach Nikolaus Haeusgen - Magazin SCHULE
Noch nicht genug Latein-Lerntipps? Wir haben mehr davon: „Latein ist so einfach!“, behauptet Nikolaus Haeusgen im Interview mit dem Magazin SCHULE online

Lateinschüler lernen anfangs eigentlich zwei Sprachen: jene der alten Römer – und die der Grammatik. Viele der Fachbegriffe, mit denen man im Lateinunterricht erklärt und argumentiert, kennen die meisten Kinder nur oberflächlich. Es ist aber wichtig, auch diese Fachsprache zu erlernen. Wer Begriffe wie Subjunktion oder Partizip nur auswendig lernt, kann seiner Lehrkraft spätestens im zweiten Lernjahr nicht mehr wirklich folgen.

TIPP
Alte Weisheit: Nur was man selbst erklären kann, hat man auch verstanden. Was ist eigentlich dieser komische ablativus absolutus? Woran erkennt man ein participium coniunctum? Eltern sollten sich das von den Kindern erklären lassen.

 

3. Konjunktiv

2./3. Lernjahr
Notenfaktor: ★  Häufigkeit: ★★

Der Konjunktiv ist ein sprachlicher Stolperstein, das gilt für alle Fremdsprachen. Allerdings wird diese Form im Lateinischen ganz besonders vielfältig eingesetzt. Deswegen sollten sich Lernende früh abgewöhnen, einen lateinischen Konjunktiv automatisch in einen deutschen zu übersetzen – das geht fast immer schief.

Die wichtigste Faustregel für die ersten zwei bis drei Lateinjahre: Ein Konjunktiv im lateinischen Hauptsatz wird mithilfe von „wollen, sollen, mögen, können“ übersetzt. Konjunktive im Nebensatz werden zunächst NICHT konjunktivisch, sondern indikativisch übersetzt:

ut … possimus (Konjunktiv)
= ut … possumus (Indikativ)
= damit wir … können.

TIPP
Wer selbst kein Latein hatte, wird seinem Kind kaum beim Konjunktiv helfen können. Sinken die Noten, sollte man daher rasch das Gespräch mit der Lehrkraft suchen – und ggf. externe Hilfe in Anspruch nehmen.

 

Lernlücken Französisch

Lernlücken Französisch – Magazin SCHULE online

Unsere Expertin: Die Französin Véronique Bastide unterrichtet in deutschen Unternehmen Erwachsene. Für das Institut Abacus gibt sie auch Kindern und Jugendlichen Nachhilfe.

 

1. Vergangenheit

ab 2. Lernjahr
Notenfaktor: ★★  Häufigkeit: ★★

Im Französischen sind die Zeiten nicht unproblematisch. Das gilt besonders für die Unterscheidung zwischen passé composé und imparfait. Während die deutschen Entsprechungen dieser Zeiten, das Perfekt und das Präteritum, keine strikt definierten Aufgaben haben und wir mündlich fast nur Perfekt verwenden, unterscheiden die Franzosen hier genauso klar wie etwa die Engländer (s. erste Lernlücke Englisch). Allerdings sind die Rollen andere.

So beschreibt das passé composé vor allem Handlungen mit Anfang und Ende in der Vergangenheit, das imparfait hingegen Zustände und Gewohnheiten sowie unabgeschlossene Handlungen. Ein Beispiel:

„Quand j‘étais petit, je regardais beaucoup la télé.“
– Als ich jung war, habe ich viel ferngesehen.
„Quand j‘étais petit, j‘ai regardé la télé le jour où Armstrong a mis le pied sur la lune.“
 – Als ich jung war, habe ich an dem Tag ferngesehen, als Armstrong seinen Fuß auf den Mond gesetzt hat.

TIPP
Manchmal hilft es, einen Zeitstrahl zu zeichnen. Längerer Strich mit Anfang und Ende in der Vergangenheit? Imparfait! Kurzes Ereignis oder ein Strich bis in die Gegenwart? Passé composé!

 

2. „ö!“

ab 1. Lernjahr
Notenfaktor: ★  Häufigkeit: ★★★je t'aime – Magazin SCHULE

Schön, aber komisch: Die Aussprache des Französischen fällt fast allen Lernenden schwer. Doch beim Bemühen um die richtigen Laute geht es um mehr als einen guten Akzent: Man kann sonst auch missverstanden werden.

Wichtig ist zum Beispiel das „e“, welches auf Französisch eher wie ein „ö“ klingen muss. Spricht man es deutsch aus, verändert das in vielen Fällen den Sinn des Wortes. Sagt zum Beispiel jemand „mö“, verstehen Franzosen „mich“. „Me“ hingegen klingt für französische Ohren eher wie „meine“.

TIPP
Auch hier gilt: keine Hemmungen, s‘il te plaît! Lieber fehlerhaft sprechen als gar nichts sagen. Nur beim Üben macht man Fortschritte. Was unterstützen kann: französische Musik, Hörbücher, Audiokurse, Urlaub in Frankreich …

 

3. Die Verben

ab 1. Lernjahr
Notenfaktor: ★★★  Häufigkeit: ★★★

Im Französischen gibt es drei Arten von Verben. Die erste Gruppe endet auf -er, die zweite auf -ir, beide werden regelmäßig konjugiert. Die dritte Gruppe kann unterschiedliche Endungen haben und enthält die unregelmäßigen Verben. Leider ist diese Gruppe riesig. Die Wahrheit ist: Diese Verben muss man auswendig lernen. Alle. Mit allen Formen, in allen Zeiten. Und dann üben, üben, üben …

TIPP
Viele Kinder (gerade Jungs) lernen gern am Computer. Sprach-Lernprogramme und Apps sind dann eine sinnvolle Anschaffung

 

Mehr gefährliche Lernlücken für Mathematik, Chemie und Physik finden Sie hier.

 

Die 21 gefährlichsten Lernlücken in Deutsch und Fremdsprachen – Dieser Artikel wurde am 28.9.2016 erstellt und wird seitdem fortlaufend aktualisiert. Das Datum oben bezieht sich auf die jüngste Aktualisierung.



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