Herr Littger, können Schüler heute besser Englisch als frühere Generationen?
Vermutlich ja. Ich gehe mal von meinen Kindern aus. Sie und ihre Freunde sind informierter und gebildeter als ich es in ihrem Alter war. Das gilt auch für ihr Englisch. Das verdanken sie bestimmt auch dem Umgang mit Rechnern oder Smartphones – selbst wenn darin andere Probleme liegen.
Und doch brauchen viele Schüler Nachhilfe. Nach Mathematik ist Englisch das Fach, mit dem sie die meisten Probleme haben.
Bekanntermaßen sind das Englische und das Deutsche sehr verwandt. Im Plattdeutschen sagt man heute noch „he“ für „er“. Für einen vom Mars wären Deutsch und Englisch kaum zu unterscheiden. Die schlechte Nachricht lautet: Trotzdem erfordert Englisch einigen Lernaufwand.
Haben Sie einen grundsätzlichen Rat für Eltern, die ihre Kinder unterstützen möchten, auch wenn sie selbst nicht so toll Englisch sprechen?
Dank langer Schachtelsätze sind wir Deutschen in der Lage, vieles auf einmal zu sagen. Engländer bevorzugen dagegen kurze Hauptsätze. Mein kleiner Rat: Reden Sie daheim also öfter mal in kurzen und klaren Sätzen. Eine grammatikalisch simple Frage wäre beispielsweise: Warum ist der Konflikt so vertrackt? Der Vorteil ist, solche Sätze lassen sich leicht übersetzen: Why is this conflict so difficult?
Hilft es Schülern, ihre Lieblingsserien im englischsprachigen Original anzuschauen?
Unbedingt. Ich selbst bin fasziniert von „Games of Thrones“, auch wenn ich sie nur älteren Jugendlichen empfehlen möchte. Von der äußerst wortgewaltigen Figur des Tyrion Lannister können wir sehr viel lernen. Sein Vokabular ist grandios. So sprich er von
clout (Einfluss, Schlagkraft),
dash (Energie, Elan),
edge (Kante, Schnitt, Saum, Vorsprung, Vorteil),
ploy (Trick, Masche),
qualm (gespochen: quahm, Skrupel, Zweifel),
scum (Schlamm, Abschaum),
smear (Verleumdung).
Wäre ich Lehrer, ich würde mit den Schülern solche Wortzwerge sammeln: Sie sind originell, und ihre Aussprache bereitet nicht die geringste Mühe. Wer controversy nicht verständlich über die Lippen bringt, könnte es spielend durch spat, row oder feud ersetzen.
Dabei kommt man im Englischen doch eigentlich mit nur wenigen Vokabeln aus, don’t you think?
Von George W. Bush wird behauptet, er habe seine zwei Amtszeiten mit rund 100 Wörtern absolviert. Und tatsächlich, mit Begriffen wie put (legen, setzen, stellen), get (bekommen) und take (nehmen) kommt man recht weit. Aber es ist doch sehr langweilig, immer nur dieselben Wörter zu verwenden.
Was ist eigentlich mit unseren Scheinanglizismen wie „Handy“ oder „Basecap“? Werden sie im englischsprachigen Ausland verstanden?
Meistens nicht. Aber wir Deutschen lieben es, Englisch zu sprechen, das gar keines ist. Mein Lieblingsbeispiel ist „Shakehands“. Man hört das Wort überall. Im Fernsehen zum Beispiel ist oft die Rede von „Shakehands mit der Kanzlerin“, „Shakehands vor der Filmpremiere“, „Shakehands im Backstage-Bereich“. Dabei gibt es das Wort im Englischen gar nicht. Ein gewöhnlicher Handschlag ist ein handshake. Was Schüler unbedingt wissen sollten: Eine „Basecap“ ist ein skurriler Fantasiename. Engländer und Amerikaner sprechen von baseball cap. In jeder Schule wird vermutlich ein „Beamer“ benutzt. Zumindest bei der Präsentation auf Englisch aber sollte man nicht nach dem Beamer fragen, sondern nach dem projector. Letztes Beispiel: Wir haben uns das zusammengeschriebene Wort „roundabout“ ausgedacht, das wir so klingen lassen und benutzen wie den englischen Kreisverkehr oder das Kirmeskarussell. Ein großer Brüller!
Mit welchen Wörtern kann man als Schüler richtig Eindruck schinden?
Mit den seltenen, wenn wir sie wohldosiert und in einem verständlichen Zusammenhang verwenden. Leider ist die Versuchung groß, es mit den Begriffen zu versuchen, die wir im Deutschen als etwas hochgestochene Fremdwörter kennen. Dann stechen wir gelegentlich hoch daneben: Pathetic heißt nicht pathetisch. Es bedeutet armselig und beschreibt eher einen Mix aus Ekel und Traurigkeit. Stupendous bedeutet nicht stupide, sondern enorm, gewaltig, umwerfend. Virtuous bedeutet nicht virtuos, sondern brav, tugendhaft, rechtschaffen. Auch das Wort genial versteht der Engländer nicht wie wir. Geniale Menschen sind für ihn freundlich, warmherzig oder zumindest angenehm.
Adjektive. Nicht nur Schüler haben Probleme damit …
Stimmt. Es ist nicht leicht, sie sich zu merken, dafür ist es oft schwer, sie auszusprechen. Ein praktischer Tipp: Mit der Endung -ish lassen sich ganz leicht eigene Attribute zusammenbauen, wie beispielsweise:
The wall is yellowish. (Die Wand ist ein bisschen gelb.)
Her present was smallish. (Ihr Geschenk war ein wenig klein.)
We’ll drop by at eight-ish. (Wir kommen gegen acht vorbei.)
Ein anderes Ärgernis sind die Präpositionen. Gibt es da auch irgendeinen Trick?
Leider nein. On oder off, at oder by lauern in jedem Satz und ändern mit bestimmten Verben ihre Bedeutung. Nehmen wir etwa off:
The bomb goes off. (Die Bombe explodiert.)
The cheese goes off. (Der Käse vergammelt).
He finished him off. (Er machte ihn kalt, tötete ihn.)
Wer andere nicht unfreiwillig erheitern will, sollte seine Präpositionen im Griff haben. Jan, eine deutscher Kollege, beispielsweise hat einmal vor seinen amerikanischen Gästen mit seiner Tischdame vom Vorabend prahlen wollen: „Last night, Frau Merkel was on my table.“ Aber statt
Bewunderung erntete er nur wieherndes Gelächter für sein „Frau Merkel war auf meinem Tisch“. Richtig wäre gewesen: „Last night, Frau Merkel was at my table.“ So sagen wir es schließlich auch. Ich kann mir deshalb gar nicht erklären, warum Deutsche so oft „on the table“ sagen.
Kapiert: Den Gebrauch von Präpositionen muss man lernen. Aber irgendeine Regel muss es doch geben?
Eine der wenigen lautet: In England fährt man grundsätzlich auf dem Bus, auf dem Zug oder fliegt auf dem Flugzeug. Gesessen wird allerdings schon wieder in the car.
Egal wie man an seinen Ferienort kommt – welchen Fehler sollte man dort vermeiden, wenn man auf Englisch ein Eis bestellt?
Einmal habe ich gehört, wie eine deutsche Touristin an einer Eisbude stand und fragte: „Can I have two ice balls, please.“ Der Verkäufer grinste und antwortete: „My balls are not for sale, Ma’am!“
VITA & Buchtipp
Peter Littger, 42, verdankt sein englischsprachiges Know-how zunächst dem Besuch eines englischen Internats. Weitere Etappen auf dem Weg zum Expertentum: Studium an der London School of Economics, Beauftragter des Auswärtigen Amts für deutsch-britische Jugendbeziehungen und Vorsitz der King Edward VII British-German-Foundation. Für Spiegel Online schreibt er die Kolumne „Fluent English“. Was Englischlehrer
Peter Littger am meisten neiden werden: seinen Smalltalk mit der Queen im Jahr 2000.Das Buch von Peter Littger (KiWi 9,99 Euro) ist Oberstufenschülern zu empfehlen – und ebenso allen Müttern und Vätern, die etwas Nachholbedarf haben. „The devil lies in the detail“ ist lehrreich und wahnsinnig komisch.
Wie drückt sich aus, wer eine zweideutige Anspielung vermeiden will?
„Two scoops of ice-cream“, zwei Kugeln Eis. Wer sein Eis in der Waffel mag, bestellt „a cornet, please“. Wer Becher bevorzugt, ordert „a sundae“ – ausgesprochen wie der Sonntag: sann-däy.
Königsdisziplin ist die Konversation. Was sind hierbei die populärsten Fallstricke?
Deutsche Weisheiten und Redewendungen sind nicht eins zu eins zu übersetzen: In England käme niemand auf die Idee, die „church in the village“ zu lassen. Man würde das Gegenüber eher auffordern, das Träumen einzustellen: „Quit dreaming!“. Ganz grundsätzlich beobachte ich, dass wir Deutschen dazu neigen, es kompliziert zu machen: So antworten wir ausführlich auf die Frage „How are you?“, obwohl für den Anfang niemand mehr als ein einfaches „Thanks, fine“ erwartet. Neben der Marotte, mit ausgesprochen vielen Details beeindrucken zu wollen, gibt es noch weitere. Besonders Schüler ahmen gern irgendeinen coolen Slang nach und fragen vielleicht „Do you want to fuck me?“ – obwohl die Frage „Willst du mich verarschen?“ unbedingt mit „Are you fucking with me?“ gestellt werden muss!
Welche Fehler sind Ihrer Meinung nach die verzeihlichsten?
Fehler in der Aussprache, ein starker deutscher Akzent. Viele Schüler haben Schwierigkeiten, das „Th“ auszusprechen. Wenn es wie ein Z klingt, dann verrät das unsere Herkunft – na und?