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Katja von Garnier über Gefühl und „Ostwind“

In ihrem Abenteuerfilm „Ostwind 2“ beschwört Regisseurin Katja von Garnier die Schönheit von Freiheit, Respekt und Vertrauen – Werte, die sie sich auch im deutschen Schulbetrieb wünscht


Wenn man Ihren neuen Film „Ostwind 2“ sieht, hat man das Gefühl: Was ein junges Mädchen braucht, sind Pferde, Freiheit, eine Herausforderung – aber definitiv keine Eltern, oder?
Na ja, die Geschichte ist natürlich ein Ferienabenteuer. Ich glaube, gerade für Heranwachsende sind Mutter und Vater sogar wahnsinnig wichtig als sichere Basis, von der aus man aufbrechen kann, um sich selbst und die Welt zu entdecken. Außerdem haben die Eltern der Hauptfigur Mika schon viel gelernt im Vergleich zum ersten Film. Sie haben Verständnis für das eigentliche Talent ihrer Tochter – Pferde zu verstehen – entwickelt. Und das war für diese kopflastigen Wissenschaftler-Eltern gar nicht einfach.

Waren Sie in Ihrer Jugend selbst ein richtiges Pferdemädchen?
Ja, Pferde waren für mich in meiner Teenagerzeit ungeheuer wichtig: ein Rückzugsort, ein Ort des Trostes, und auch des Abenteuers. Ich habe damals viel voltigiert, bin Turniere geritten. Heute ist es mir wichtiger, mit meinen Pferden einfach zusammen zu sein. Viele Jahre hatte ich keine eigenen Pferde, jetzt habe ich zwei, die mir wahnsinnig viel bedeuten. Die haben für mich richtig heilende Effekte. Das Leben ist immer ein bisschen schöner, wenn ich dort war. Das ist eine Art Seelenurlaub. Eines der beiden spielt auch in „Ostwind 2“ mit.

Also so richtig Ihr Ding, nicht wegen der Kinder …
Absolut. Meine Kinder haben dafür Verständnis, dass das mir das sehr wichtig ist. Meine Tochter geht auch gern mit zu den Pferden, mein Sohn hat jetzt mit 13 natürlich andere Interessen. Was wir als Familie alle gemeinsam haben, ist eine wahnsinnige Liebe zu Tieren. Die beiden Pferde, unser Hund und unsere Katze haben einen riesigen Stellenwert.

VITA & Filmtipp

  • Katja von Garnier, 48, wurde in
    Wiesbaden als Tochter des renommierten Farbdesigners Friedrich Ernst von Garnier
    geboren. Sie studierte in Frankfurt Kunstgeschichte, Germanistik und Theaterwissenschaft, später Regie an der Filmhochschule in München. Bekannt wurde sie mit den Filmen „Abgeschminkt“ und „Bandits“. Mit ihrem Mann, dem Regisseur Markus Goller, und ihren Kindern Merlin, 13, und Faye, 6, lebt sie in der Nähe von Berlin und gelegentlich in Kalifornien.

  • „Ostwind 2“, die Fortsetzung des erfolgreichen Pferde-Abenteuers von 2013, ist ab 5.11. auf DVD und Blu-ray erhältlich (ab 14,99 Euro)

Auch Musik scheint Ihnen wichtig zu sein. Sie haben nach „Bandits“ mit dem Film über die Scorpions jetzt noch einen zweiten Musikfilm gedreht. Teilt die Familie auch diese Leidenschaft?
Musik spielt eine große Rolle bei uns, ohne dass wir jetzt alle abends gemeinsam Hausmusik machen oder so. Wir hören alle gern Musik. Musik kann helfen, eine Stimmung zum Ausdruck zu bringen, die sich vielleicht schwer in Worte fassen lässt. Wenn ich über einen Film nachdenke, suche ich erst die Musik dazu und denke mir dabei dann die passenden Bilder aus. Meine Tochter singt den ganzen Tag, mein Sohn spielt gern Klavier.

Sie leben in Kalifornien und Berlin. Wie geht das mit zwei Schulkindern?
Das ist kein permanentes Wechselspiel. Beide Kinder sind in den USA geboren, aber wir reden zu Hause ja nur Deutsch. Als mein Sohn die erste Klasse beendet hatte, sind wir nach zehn Jahren zurück nach Deutschland gezogen. Seine fünfte Klasse haben wir wieder dort verbracht, seitdem nur die Schulferien. Das geht nur, wenn Sie zwei feste Welten haben, die die Kinder gut kennen. Außerdem besuchen beide hier eine bilinguale Schule. Mein Sohn vermisst seine Freunde in den USA natürlich sehr, aber dank der sozialen Medien kann er den Kontakt ganz gut halten. Die Wechsel waren für ihn kein Problem. Für seine Freunde war das, als wäre er überhaupt nicht weg gewesen. Meine Tochter war noch sehr klein und hat das nicht so mitbekommen. Ich denke, es ist für die Kinder bereichernd – wie Wechselstrom. Wir gehen sicher noch einmal für ein Jahr nach Kalifornien. Ich habe mir immer gewünscht, besser Englisch zu sprechen, und habe es in der Schule nicht richtig gelernt. Das will ich meinen Kindern als Geschenk mitgeben.

Welche amerikanischen, welche deutschen Seiten möchten Sie Ihren Kindern in der Erziehung mitgeben?
Also, ich bin vom Herzen her natürlich Europäer, meine Wurzeln sind hier. Das persönliche Miteinander – gerade auch beim Filmemachen – empfinde ich hier oft näher. Andererseits macht das Klima in Kalifornien Familien natürlich das Leben leichter. Und damit meine ich nicht nur die Wärme: Auch dieses Gefühl, dass alles möglich ist, das wünsche ich meinen Kindern. Speziell mit kleinen Kindern und Grundschülern gehen die Amerikaner ganz toll um – sehr positiv, liebevoll, kreativ und bestärkend. Für Teenager, gerade weibliche, ist es allerdings in Europa besser! In den USA ist die Begegnung mit der ersten Liebe sehr krampfig.

Und wo haben es Eltern leichter?
In Deutschland wird man organisatorisch wohl mehr unterstützt. In den USA ist immer die Frage, was man sich leisten kann: Hat man Geld, ist das super, hat man keins, nicht so. Auch dass man Kinder mal laufen lassen kann, genieße ich hier, dass sie mit dem Fahrrad allein zur Eisdiele fahren können zum Beispiel.

Wie erleben Sie Schule mit Ihren Kindern?
Leider ein bisschen so, wie ich selbst sie erlebt habe. Wir haben 50-mal den Zweiten Weltkrieg durchgenommen, aber kaum über Moral geredet oder darüber, wie wichtig Gefühle sind. Ich hatte immer das Gefühl, dass Schule mich nicht richtig aufs Leben vorbereitet. Darüber spreche ich gerade viel mit meinem Sohn, denn er hat ein ähnliches Gefühl, obwohl er auf eine sehr progressive Schule geht. Aber menschliche Zusammenhänge sind im Unterricht völlig unterrepräsentiert: Wie gehen wir miteinander um? Wie zeigen wir Respekt, Liebe, Vertrauen, Mitgefühl? Die Welt besteht doch aus viel mehr als 1 + 1 = 2.

Wird das in amerikanischen Schulen vermittelt?
Zum Teil schon. In der Grundschule meines Sohnes stand zum Beispiel jeder Monat unter einem anderen Motto wie zum Beispiel Respekt. In der Morgenversammlung wurde über dieses Thema dann erst mal gesprochen. Hier war ich dann schockiert zu sehen, dass manche Lehrer nicht eingreifen, wenn Kinder ausgelacht werden.

Jugendliche haben das Gefühl, dass zu wenig auf sie eingegangen wird

Gefühlswelt schön und gut, aber fachliche Inhalte sind doch auch wichtig.
Natürlich, aber man müsste über diese Inhalte ganz grundsätzlich nachdenken. Ich hatte zum Beispiel komischerweise Mathe und Chemie als Leistungskurse. Das lag mir irgendwie, obwohl ich später nie auch nur eine Sekunde daran gedacht habe, etwas beruflich in die Richtung zu machen. Aber wie viele Details wir da gelernt haben, die wir später nie wieder gebraucht haben! Da wird so viel Zeit darauf verwendet. Das ist tendenziell immer noch so. Das Schulsystem gehört wirklich reformiert. Die Gefühlswelt der Kinder findet da gar nicht statt.

Kinder werden hierzulande nicht in erster Hinsicht als Menschen betrachtet, sondern als Schüler?
Genau. Ich kenne zwei Familien, die ihre Teenager ins Ausland geschickt haben, weil sie das Gefühl hatten, dass dieser Leistungsdruck ihre Kinder fertig macht. Da muss man doch sagen: Irgendwas läuft hier falsch! Gerade die Jugendlichen haben das Gefühl, dass zu wenig auf sie eingegangen wird. Die Lehrer kommunizieren immer noch eher von oben herab, nicht auf Augenhöhe. Dabei haben die Schüler doch selbst so viel anzubieten, aber das nimmt die Schule gar nicht wahr. Das ist übrigens auch ein Grund, meiner Meinung nach, warum Mädchen sich im Teenageralter so zu Pferden hingezogen fühlen. Weil sie sich dort in ihrer Seele wahrgenommen fühlen.



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