Normalerweise verschwinden Hygieneartikel für Frauen diskret im Badezimmerschrank. Du aber hast eine ganze Stadt mit beschrifteten Binden plakatiert. Wie kommt man auf so eine Idee?
Ich war Anfang des Jahres in einem Club in Berlin Kreuzberg, und an einem der Fenster klebten Binden. Später kam mir der Gedanke, dass es doch spannend wäre, feministische Botschaften darauf zu schreiben – gerade, weil Binden mit Ekel und Scham assoziiert werden. Einer der Sprüche lautet deshalb auch: „Stell dir vor, Männer wären genauso angeekelt von Vergewaltigungen wie wir von der Periode.“ Ich habe also angefangen zu basteln und habe die Binden dann gemeinsam mit meiner kleinen Schwester am Weltfrauentag in der Stadt verteilt.
Und bald wusste die ganze Welt von der Aktion . . .
Das kann ich immer noch nicht ganz begreifen, es war völlig verrückt. Die Leute haben die Aktion online verbreitet, und zwei Tage später ist mein Internet förmlich explodiert. Instagram, Tumblr, Facebook – auf einmal hatte ich unzählige Follower und so viele Nachrichten, dass ich bis heute gar nicht alle lesen konnte. Viele Menschen haben gefragt, ob sie die Aktion auch in ihrem Land machen dürfen. Das hat mich natürlich gefreut. Je mehr Aufmerksamkeit das Thema bekommt, desto besser.
Für mich bedeutet Feminismus, dass man für einen gleichberechtigten Umgang miteinander kämpftElona Kastrati
Die meisten 19-Jährigen interessieren sich für andere Themen. Wie kommt es, dass dir Feminismus so wichtig ist?
Weil es einfach unglaublich ist, dass wir noch immer keine echte Gleichberechtigung haben. Wie kann man sich darüber nicht aufregen, wo das Problem doch allgegenwärtig ist? Im Fernsehen wird mit halbnackten Frauen für Produkte geworben, Männer bekommen nach wie vor höhere Löhne, und wenn eine Frau vergewaltigt wird, kommen ernsthaft Kommentare wie „Der Rock war aber auch zu kurz“.
Was genau bedeutet Feminismus für dich?
Auf jeden Fall nicht Männerhass. Es ist ja auch nicht fair, dass Männer als schwach stigmatisiert werden, wenn sie Gefühle zeigen. Für mich bedeutet Feminismus, dass man für einen respektvollen und gleichberechtigten Umgang miteinander kämpft. Ganz egal, ob es um Frauen, Männer, Homosexuelle oder Transgender geht. Alle sollten die gleichen Rechte haben und fair behandelt werden. Natürlich hat sich da im Vergleich zu früheren Generationen schon viel getan, aber am Ziel sind wir noch lange nicht.
Die Resonanz im Internet war ja wirklich enorm. Aber wie kam die Aktion denn in deinem direkten Umfeld an?
Überwiegend positiv. Mein Klassenlehrer ist so stolz, dass er alle Artikel über die Aktion kopiert und im Lehrerzimmer verteilt hat. Mit der Klasse haben wir einen Fernsehauftritt von mir geschaut und danach über das Thema Gleichberechtigung diskutiert.
Bei ein, zwei Mitschülern kommt das nicht gut an, aber die meisten bestärken mich in meinem Engagement und finden die Aktion toll. Auch mein Freund und meine Familie unterstützen mich. Meine Großmutter hat sogar aus dem Kosovo angerufen, weil sie mich im Fernsehen gesehen hat. Sie war total stolz und hat schließlich auch Anteil an der Aktion.
Inwiefern?
Ich bin in Deutschland groß geworden, aber meine Eltern kommen aus dem Kosovo, deshalb habe ich dort viel Zeit verbracht. Mit Frauenrechten sieht es da viel düsterer aus als in Deutschland. Wenn Frauen Binden kaufen, schicken sie zum Beispiel aus Scham ihre Kinder vor oder transportieren diese Einkäufe in mehreren Lagen Plastiktüten versteckt nach Hause.
Wenn man als Mädchen allein auf der Straße ist, wird man oft richtig ekelhaft angemacht. Die Männer machen Kussgeräusche, geben einem Kosenamen und sagen hässliche Sachen. Das habe ich selbst oft erlebt, und es hat sicher dafür gesorgt, dass ich eine gewisse Sensibilität für das Thema entwickelt habe.
VITA
Elona Kastrati, 19, stammt aus dem Kosovo. Mit ihren Eltern und drei Geschwistern lebt sie in Karlsruhe, wo sie gerade ihr Fachabitur macht. Ihre Aktion „Pads against sexism“ hat sie quasi über Nacht berühmt gemacht: Millionen Menschen teilten ihre Fotos von mit feministischen Botschaften beschrifteten Damenbinden im Internet. Elona engagiert sich im Kulturzentrum Art Canrobert für Menschenrechte und sexuelle Gleichberechtigung.
Sensibilität ist ein gutes Stichwort. Viele Frauen halten all das vielleicht gar nicht für so ein gravierendes Problem wie du, oder?
Stimmt. Ich habe zum Beispiel viele Nachrichten von Frauen bekommen, die meine Aktion überhaupt nicht verstehen können. Nach dem Motto: Ist doch alles gut hier, ich habe noch nie Probleme mit Männern gehabt, mein Mann darf mich gern Schatz nennen . . . Ich finde, die haben null Problembewusstsein und die Sache nicht verstanden. Das ärgert mich fast mehr als die Anfeindungen.
Welche Anfeindungen?
Im anonymen Internet haben sich viele leider nicht so im Griff. Ein Typ hat mich als „sexistische Hure“ bezeichnet – was immer das sein soll –, und ein anderer drohte mir sogar mit „Vergewaltigung bis zum Tod“. So richtig unter der Gürtellinie. Aber das zeigt mir nur, wie akut das Problem ist und bestärkt mich in der Sache. Außerdem haben die positiven Zuschriften überwogen. Ein muslimischer Junge aus Indien zum Beispiel hat die Aktion in seiner Schule durchgeführt, obwohl er dafür Ärger bekommen hat. Und ein Mädchen aus England, das selbst vergewaltigt wurde, hat mir geschrieben, wie viel Kraft ihr meine Aktion gibt. Allein dafür hat es sich doch schon gelohnt.