Hunde sind Monster. Kira, 7, und Nina, 11, können Monster nicht leiden. Die beiden Schwestern meiden sie, wo es geht. Eine Freundin besuchen, die einen Hund hat? „Nö, keine Lust.“ An einem Hund vorbeigehen, der einem auf dem Bürgersteig entgegenkommt? „Wir gehen einen anderen Weg.“ Einen ganz, ganz lieben Hund streicheln? „Auf keinen Fall.“
Immer weniger Kinder wissen, wie man mit Hunden umgeht.Stefanie Eckardt, Hundetrainerin
Verzagt sitzen die beiden Mädchen in einem parkenden Auto am Englischen Garten in München. Draußen scheint die Sonne, drinnen ist die Stimmung düster. Auf Wunsch ihrer Mutter werden die Schwestern eine Frau treffen, die ihnen die Panik vor Hunden nehmen soll. Kann das funktionieren? Kira und Nina sind skeptisch und lassen sich versichern, dass sie hier zu nichts gezwungen werden.
Bei der Begrüßung geht es nicht um Hunde, sondern um Spinnen. Stefanie Eckhardt, die Leiterin von „Stadtgebell“, der „Schule für Sie und Ihren Hund“, spricht nämlich erst mal über ihre eigene Feigheit. Die Mädchen, die sich trotz einiger Hunde in Sichtweite mittlerweile aus dem Auto getraut haben, hören ihr gebannt zu. Die Frau, die Hunden und Herrchen sagt, wie’s geht, bekommt Herzrasen, wenn sie eine kleine Spinne sieht? Spannend!
Seinen Ängsten muss man sich stellen. Deshalb fotografiert die Hunde-Expertin Spinnennetze und liest Bücher über ihre persönlichen Bangemacher. „Wissen“, erklärt Stefanie Eckhardt den Kindern, „ist Macht.“ Wichtige Monster-Fakten über Hunde schüttelt sie aus dem Ärmel: Die wenigsten Vierbeiner sind böse, aber alle sehr neugierig. Das Problem: Ängstliche Menschen sind für Hunde besonders interessant, weil sie sich ungewöhnlich verhalten, sie atmen schneller, schreien oder erstarren.
Hundephobie überwinden
Die Angst des Kindes ernst nehmen. Verständnis zeigen, aber keine Vermeidungsstrategien fördern.
Sich für Hunde interessieren. Mit dem Kind Bücher und Filme über Hunde anschauen.
Gemeinsam Hunde aus sicherer Entfernung beobachten.
Familien mit gut erzogenen Hunden besuchen.
Das Kind einen folgsamen Hund unter Aufsicht an der Leine führen lassen.
Das Kind ermutigen, einen Hund zu streicheln.
Erste Regel bei Hundekontakt: bewusst ruhig atmen und sich auf etwas anderes konzentrieren. Man könnte beispielsweise einfach woanders hingucken. Zweite Regel: nicht mit den Armen wedeln oder schreien. Wegrennen, schärft Expertin Eckhardt ihren kleinen Schülerinnen als dritte Regel ein, würde die Tiere nur zum Fangenspielen animieren.
Nach dem kleinen Grundkurs käme nun idealerweise der Programmpunkt „Hundeverhalten in der Theorie beobachten“, man könnte also gemeinsam einen passenden Film ansehen. Die Mädchen fühlen sich bei der Hundefrau aber bereits sehr sicher und sind einverstanden, dass sie drei Hunde aus ihrem Auto holt. Die Tiere, das verspricht Stefanie Eckhardt, gehorchen ihr aufs Wort und werden nicht auf die Kinder zulaufen.
Tatsächlich benehmen sich Beagle Lisl, der Rhodesian Ridgeback Jackie und Doodle-Hündin Lima vorbildlich. Auf Stefanies Kommando bleiben sie in einem Abstand von anderthalb Metern vor den Kindern sitzen. Die Mädchen staunen: „Die sind aber brav.“
Ein Wunder: Eben noch mochten die Mädchen keinen Fuß aus dem Auto setzen, nun haben sie sich dem Feind auf wenige Zentimeter genähert. Sie finden die „Monster“ sogar recht interessant. Was, Hunde haben zwölf Brustwarzen? Muss man mal sehen. Die Pfote des Rhodesian Ridgeback ist so groß wie eine Mädchenhand? Stimmt. Hunde kann man anhalten, wenn man eine abwehrende Stopp-Geste mit der Hand macht? Funktioniert!
Hunde verstehen
Hunde fühlen sich bedroht, wenn man sie anstarrt.
Hysterisches, lautes Schreien („Sie tun jetzt sofort die Bestie weg!“) beunruhigt sie.
Gegen Schläge oder Tritte könnte sich selbst ein friedfertiges Tier wehren.
Es animiert zum Fangenspielen, wenn jemand wegrennt.
Hochgerissene Hände missdeuten Hunde oft als „Futter-und-Tob-Spielchen“. Sie springen dann an einem hoch.
Die Tiere verlieren ihre Neugier, wenn Menschen ruhig bleiben, weitergehen, sich mit etwas anderem beschäftigen.
Hunde mögen eine freundliche und ruhige Ansprache. Wer sich traut, hält nicht aggressiven Hunden eine Hand hin, die sie beschnuppern können.
Nachdem man sich ein Weilchen beschnuppert hat, geht es zum Gassi. Nach einer halben Stunde übernehmen die Kinder die Leine, streicheln die Tiere, geben ihnen auf der flachen Hand Leckerlis. Hunde finden sie plötzlich „richtig cool“. Die Mutter der Mädchen ist begeistert. Und hat eine neue Sorge: Sie wird doch jetzt keinen Hundewunsch geweckt haben?
Fotos: Thomas Linkel für Magazin SCHULE