Wundern & Wissen

E-Shisha auf dem Schulhof

Jugendliche, die freiwillig keine Zigarette anrühren würden, dampfen plötzlich E-Shishas und tabakfreie Wasserpfeifen. Eltern und Lehrer sind alarmiert: Wie gefährlich sind die bunten Sticks wirklich?


Die E-Shisha glüht, dampft und schmeckt irgendwie muffig nach Kokos. Der neueste Trend auf Schulhöfen ist bunt bedruckt und frei erhältlich an Tankstellen und im Internet, in Geschmacksrichtungen wie Schoko und Gummibärchen – 500 Züge ab fünf Euro. „Wir sehen plötzlich Zehnjährige, die mit Shisha dastehen und eine stinkende Rauchwolke vor sich herschieben“, berichtet Schulleiter Bernhard Quell aus dem hessischen Hünfeld besorgt. Suchtberater Jörg Hügel aus dem baden-württembergischen Rottweil schätzt, dass in einer achten Klasse von 25 Schülern nur vier noch keine E-Shisha probiert haben.

Dabei schien die Raucherecke auf Schulhöfen endlich passé zu sein. Die Zahl jugendlicher Raucher habe sich seit dem Jahr 2001 von 28 auf 12 Prozent halbiert, meldet die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Das Rauchverbot, Nichtraucherkampagnen und die Tabaksteuererhöhung zeitigen Wirkung: Unter Jugendlichen gilt der Griff zum Glimmstängel heute als uncool und ungesund. Nicht einmal die elektrische Zigarette lockt Schüler noch. Vier von fünf haben zwar schon einmal von E-Zigaretten gehört, doch nicht einmal ein Prozent rauchen sie.

In die schöne neue Nichtraucher-Welt bricht die E-Shisha ein wie ein längst tot geglaubtes Virus. Viele Eltern ahnen nicht einmal, womit ihre Kinder da hantieren, erzählt der 16-jährige Felix aus Overath in Nordrhein-Westfalen: „Meine Mutter hat vor ein paar Monaten eine E-Shisha in meiner Jackentasche gefunden und fragte, warum ich Silvesterknaller mit mir herumschleppe.“ Lehrer hielten die bunten Sticks im Federmäppchen meist für Kugelschreiber. Aber auch Jugendliche scheinen bisweilen nicht zu wissen, was sie da in den Händen halten. Martina Pötschke-Langer vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) beobachtet, dass E-Shishas vor allem von sehr jungen Schülern benutzt werden, die freiwillig keine Zigarette anrühren. Sie halten das Lifestyle-Produkt für eine Art Süßigkeit, ähnlich wie Candy-Sprays, die ebenfalls aromatisiertes Aerosol in den Mund pumpen. Abwegig ist der Gedanke nicht: E-Shishas liegen an Kiosken meist neben Schokoriegeln und Kaugummis. Zufall? Keineswegs, sagt Martina Pötschke-Langer: „Hersteller und Verkäufer suggerieren eine Harmlosigkeit, die nicht vorhanden ist, denn die Produkte sind insbesondere für Nichtraucher gesundheitlich bedenklich.“

86% der 14- bis 15-Jährigen haben schon einmal eine elektronische Shisha probiertJörg Hügel, Suchtberater

Die vermeintliche Süßigkeit ist in Wahrheit nichts anderes als eine E-Shisha (siehe Infokasten). Warum aber dampfen Jugendliche, die E-Zigaretten uncool finden, begeistert elektronische Shishas? Das Geheimnis steckt im Mundstück, das an orientalische Wasserpfeifen erinnert. „E-Sishas vermitteln ein lässiges Gefühl“, findet Felix. Dieses Feeling, das sich einstellt, wenn eine verschnörkelte goldene Shisha die Runde macht: „Es ist gemütlich und gesellig.“ Das Pendant zum Chillen, ein Gegengewicht zum Schulstress. Ein bisschen verrucht ist es auch – das macht es für Jugendliche spannend. Gelegentlich lassen Felix und seine Freunde auch die traditionelle Wasserpfeife kreisen – ohne Tabak: „Die sind für Jugendliche verboten, deswegen benutzen wir diese Steine.“ „Diese Steine“, das sind sogenannte aromatisierte Shiazo-Mineralien, die beim Shisha-Rauchen anstelle des Tabaks verwendet werden. Zigaretten dagegen würde Felix nie anrühren: „Viel schädlicher als Wasserpfeifen und E-Shishas.“

Stimmt sogar. So bedrohlich der neue Trend auf Eltern und Pädagogen wirkt – Nikotin und Teer enthalten E-Shishas und Shiazo-Steine nicht, weshalb beide ganz legal an Kinder und Jugendliche verkauft werden dürfen. Sie gar nicht zu dampfen wäre allerdings klüger. Welche gesundheitlichen Folgen die Chemiebomben haben, weiß noch niemand. Chinesische Hersteller verzichten auf Qualitätskontrollen und deklarieren die Inhaltsstoffe nicht. Kein Forscher hat bislang untersucht, welche Substanzen mit dem Dampf in die Lunge gelangen. So viel scheint sicher: Auf „unbedenklichem japanischem Öl“, wie viele Händler werben, basieren die Liquids nicht.

„Bei E-Shishas werden die gleichen Flüssigkeiten wie bei E-Zigaretten verdampft“, so Expertin Pötschke-Langer, „die Produkte unterscheiden sich nur durch das Mundstück. Deshalb ist anzunehmen, dass sie ähnliche Inhaltsstoffe enthalten.“ Die wären: Propylenglycol, das für Disco-Nebel verwendet wird, zahlreiche allergieauslösende Aromen sowie krebserregende Stoffe wie Formaldehyd, Nickel und Chrom. Ohne diese Substanzen kämen auch Shiazo-Steine nicht aus: „Die gesundheitlichen Folgen einer Chemikalieninhalation auf die Atemwege von Heranwachsenden sind nicht abzuschätzen.“ Der süße Dampf mache Shishas außerdem zur perfekten Einstiegsdroge für Tabak-Shishas und Zigaretten. Experten raten deshalb: Finger weg von E-Shishas und Shiazo-Wasserpfeifen!

Aber wie, wenn die Versuchung so groß ist? Weil der Gesetzgeber partout nicht mit einem Verbot zur Hilfe eilt, machen Schulleiter immer öfter von ihrem Hausrecht Gebrauch, um die dubiosen Sticks vom Schulgelände zu verbannen. Wie Michael Bramhoff, Direktor eines Gymnasiums im nordrhein-westfälischen Leverkusen: Anfang des Jahres hatten Lehrer Schüler der siebten und achten Klasse mit E-Shishas auf der Schultoilette erwischt. Bramhoff fackelte nicht lange. In einem Brief an alle Eltern schrieb er: „Ich verbiete ab sofort für die Schulgemeinde den Gebrauch und das Mitbringen von E-Shishas auf dem gesamten Schulgelände.“ Verstöße werde er mit „disziplinarischen Maßnahmen nach dem Schulgesetz“ ahnden.

Gelöst ist das Problem damit allerdings nicht – die Jugendlichen dampfen ihre E-Shishas eben nach der Schule. Immerhin: Bundesgesundheitsminister Christian Schmidt will sich jetzt für ein Abgabeverbot an Minderjährige einsetzen.

Riskanter Dampf

  • „E-Shisha“ oder „Shishas2Go“
    sind nikotinfreie Varianten der E-Zigarette. In Deutschland unterliegen die bunt bedruckten Sticks keiner gesetzlichen Regelung. Ob sie zum Beispiel in Schulen gedampft werden dürfen, ist unklar.
    E-Shishas bestehen aus einem Mundstück, einer Kartusche mit aromatisierter Flüssigkeit (Liquid), einer Heizspirale sowie einer Batterie. Zieht man am Mundstück, verdampft der Heizdraht das umgebende Liquid. Der Dampf wird inhaliert. Händler verkaufen die Lifestyle-Produkte zum Taschengeldpreis ab fünf Euro direkt neben Süßigkeiten.
    Vermutlich enthält die E-Shisha krebserzeugende und allergieauslösende Substanzen. Kritiker warnen, dass der süße Dampf den Einstieg in die Raucherkarriere fördern könnte.

  • Shisha
    Die orientalische Wasserpfeife haben auch Jugendliche für sich entdeckt. Die Tabakvariante fällt unter das Rauchverbot. Eine Shisha besteht aus einem mit Wasser gefüllten Glasbehälter, an dem Schlauch und Mundstück angebracht sind, einer Rauchsäule und einem Tabakkopf. Darin wird aromatisierter Tabak mit Kohle erhitzt. Zieht man am Mundstück, zieht der Rauch ins Wasser und dann in den Schlauch. Der Suchtstoff Nikotin bewirkt, dass die meisten Shisha-Raucher später Zigaretten rauchen. Zunehmend wird die Wasserpfeife aber auch ohne Tabak geraucht.
    Statt des Tabaks werden dann nikotinfreie Shiazo-Steine verdampft.
    Shiazo-Shishas gelten als Einstiegsdroge für Tabak-Shishas und Zigaretten.

  • E-Joints
    Die konisch geformte E-Zigarette ist neu auf dem Markt und enthält im Gegensatz zum Original weder Nikotin noch das Rauschmittel THC. Deshalb darf der E-Joint auch an Kinder und Jugendliche verkauft werden. Die nächste Generation des E-Tütchens soll allerdings wiederbefüllbar sein – etwa mit flüssigem Cannabis-Konzentrat.


Das nächste Lifestyle-Produkt
mit Suchtpotenzial drängt derweil schon auf den Markt. Pfiffige Unternehmer aus Holland haben den längst fälligen E-Joint entwickelt. Die konisch geformte E-Zigarette, an deren Spitze ein grünes Hanfblatt aufleuchtet, wenn man am Mundstück zieht, ist seit Kurzem auch im Internet erhältlich und enthält weder Nikotin noch Cannabis. Das schreibt zumindest der Hersteller. Deshalb – wir ahnen es – dürfen die E-Joints auch an Minderjährige verkauft werden. Harmlos sind sie trotzdem nicht: In Kürze will der Hersteller eine aufladbare Variante anbieten, die getrocknete Kräuter – auch Cannabis – verdampft.

Ob Verbote die Flut neuer Rauch- und Dampfmaschinen eindämmen? Der Münchner Kinder- und Jugendarzt Josef Kriesmair ist skeptisch: „Das hat Jugendliche nie daran gehindert, mit Drogen zu experimentieren.“ Besorgten Eltern rät er, mit ihren Kindern im Gespräch zu bleiben, um sie wertfrei über gesundheitliche Risiken aufklären und vor allem ihr Selbstbewusstsein stärken zu können. Oft seien es der Gruppendruck und der Wunsch nach Selbstinszenierung, die Jugendliche zu Alltagsdrogen greifen ließen: „Wer sich traut, Nein zu sagen und zu riskieren, auch mal nur dabeizustehen, wird nicht süchtig.“

Politiker verfügen über ein mächtiges Instrument, um Heranwachsende von den verführerischen Sticks fernzuhalten: eine saftige Preiserhöhung. Bei Zigaretten habe das Wunder gewirkt, weiß Martina Pötschke-Langer: „Je teurer das Produkt wird, desto weniger wird es von Jugendlichen geraucht. Diesen Effekt haben wir schon einmal bei der Steuererhöhung für Alkopops erlebt – nach der Erhöhung brach der Jugendmarkt zusammen.“



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