„Assalamu aleykom“, das sind die ersten Worte von Lehrerin Amina Ben Halima zu Beginn der Stunde. Ein schönes Motto für den Islamunterricht im Modellversuch einer 6. Klasse der bayerischen Mittelschule Ridlerstraße in München – diese Worte bedeuten nämlich „Der Friede Allahs sei mit dir“. „Wa aleikum assalam – Gott sei mit dir“, antworten die Schüler der 6. Klasse ihrer tunesischstämmigen Lehrerin, die nun auf Deutsch antwortet: „Friede sei mit euch.“
Mit diesem festen Ritual beginnt Ben Halima ihren Unterricht. Die Schüler, beziehungsweise deren Eltern, stammen aus der Türkei, Bosnien, Albanien, Afghanistan, Tunesien und anderen muslimisch geprägten Ländern. An der Wand des Klassenzimmers hängen Fahnen und Poster zu islamischen Festen, Feiertagen und Regeln. „Wir haben an unserer Schule einen Migrationsanteil von mehr als 90 Prozent“, erzählt die Münchner Direktorin Eva Gaßner. Der größte Anteil der Schüler der Mittelschule geht in den Ethikunterricht, gefolgt vom Islamunterricht. Erst an dritter Stelle kommt katholische Religion.
Wir wollen einen modernen IslamunterrichtUlrich Seiser, Bayer. Kultusministerium
Der Islamunterricht soll eine Alternative zu der religiösen Unterweisung durch Imame in islamischen Gemeinden sein. In Bayern nehmen laut Kultusministerium rund 10 000 Kinder und Jugendliche an 260 Schulen am Modellversuch Islamunterricht teil – das Angebot soll weiter ausgebaut werden. „Wir wollen einen modernen Islamunterricht, der auch interreligiöse Inhalte und Staatsbürgerkunde beinhaltet und keine Indoktrination“, sagt Ulrich Seiser vom Bayerischen Kultusministerium in München. Aus diesem Grund sollen auch Lehrer diese Aufgabe übernehmen, „keine Islamwissenschaftler oder Imame“.
Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), hält es ebenfalls für richtig, dass das Angebot in deutscher Sprache und unter deutscher Schulaufsicht stattfindet: „Der Islamunterricht ist wichtig für die Identitätsbildung der Jugendlichen, für Integration und gegenseitige Toleranz.“ Auch Direktorin Gaßner betont die Bedeutung von Offenheit: Es solle „ein vernünftiges Bild vom Islam“ vermittelt werden. „Das Angebot steht und fällt mit der Lehrkraft.“
Islamunterricht ist wichtig für die IntegrationUdo Beckmann, Verband Bildung und Erziehung
Koransure 13, Vers 11: Lehrkraft Ben Halima rezitiert gerade eine Sure auf Arabisch. Die Klasse liest aus dem Religionsschulbuch mit dem Namen „Saphir“. Emre liest die deutsche Übersetzung vor: „Vor sich und hinter sich hat er (der Mensch) Begleiter, die ihn nach Gottes Weisung beschützen.“ „Wer könnten diese Begleiter sein?“, fragt die Lehrerin. „Schutzengel“, ruft Monika. „Die sitzen auf der Schulter und schützen uns“, meint Emre. „Der Koran spricht an mehreren Stellen von der Existenz von Engeln“, erklärt Ben Halima. „Engel sind Geschöpfe Gottes. Aber du bist auch ein Engel. Kennt ihr das? Das sagt man oft zu Kindern. Ihr seid alle Engel, auch wenn ihr mal was Schlechtes macht.“ Die Kinder knoten aus bunten Chiffontüchern Engel und erzählen, wie sie sich diese Wesen vorstellen. „Mein Engel ist grün und hat Flügel“, sagt ein Junge, der jeden Samstag in die Moschee geht, „grün ist die Farbe des Propheten.“ „Welche Propheten kennen wir?“ „Mohammed“, rufen die Kinder. Die Lehrerin ergänzt: „Ja, es gibt aber noch weitere, im Koran werden 25 Propheten genannt, auch Jesus gehört dazu.“
Amina Ben Halima, die in Tunesien Lehramt studiert und in Deutschland eine Weiterbildung zur Islamlehrerin absolviert hat, trägt übrigens kein Kopftuch, sondern ein graumeliertes Kostüm, schwarze Stiefel und Make-up. „Ab und an bekomme ich kritische Fragen von Eltern, die wissen wollen, warum ich kein Kopftuch trage“, erzählt die 51-Jährige, die an mehreren Münchner Schulen unterrichtet. „Ich bin ein gläubiger Mensch, aber ich lege keinen Wert auf Äußerlichkeiten – das ist eine Sache zwischen Gott und mir.“ Auch diese Haltung kann dazu beitragen, Schülern Toleranz und Respekt zu vermitteln.
An den meisten bayerischen Schulen gibt es bisher kein Angebot für muslimische Kinder. „Für einen Modellversuch profitieren verhältnismäßig viele Kinder vom Unterricht“, findet Ulrich Seiser vom Bayerischen Kultusministerium. „Das reicht bei Weitem nicht aus“, hält Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), dagegen: „Angesichts der zunehmenden Zahl von Flüchtlingen ist es notwendig, dass Islamunterricht zum Regelangebot wird.“
In anderen Bundesländern ist das Angebot laut Udo Beckmann vom VBE ähnlich unzureichend: „Bereits 1984 hatte die Kultusministerkonferenz die Notwendigkeit eines Islamunterrichts anerkannt, 30 Jahre später gibt es ihn immer noch nur in einigen Ländern.“ In Nordrhein-Westfalen befinden sich zwar 349 000 muslimische Schüler, aber nur 13 700 besuchen in diesem Schuljahr den islamischen Religionsunterricht. Beckmann: „In anderen Ländern sind die Quoten ähnlich, da ist noch viel Luft nach oben.“
Islamunterricht an deutschen Schulen
Angebote: In einigen Bundesländern (z. B. in Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen) gibt es islamischen Religionsunterricht, in anderen Bundesländern (z. B. Berlin und Brandenburg) dagegen gar kein Angebot für muslimische Schüler. In Hessen wiederum wird – in Kooperation mit Religionsgemeinschaften – „bekenntnisorientierter islamischer Religionsunterricht“ ange-boten. Lehrerverbände sehen noch
„viel Luft nach oben“.Inhalte: Themen sind religiöse Werte und Traditionen, Feste und Feiertage, aber auch Gemeinsamkeiten mit anderen Religionen. Im Schulbuch „Saphir“ geht es zum Beispiel um „Das Gebet – mit Gott sprechen“, „Mohammed in Medina“ und „In Deutschland leben“.
Relevanz: Der islamische Religions-unterricht ist laut Experten ein wichtiges Zeichen der Anerkennung und Gleichberechtigung. Zudem leistet er einen Beitrag zur Integration und Identitätsbildung der muslimischen Kinder.
Während es in Baden-Württemberg und Niedersachsen islamischen Religionsunterricht gibt, ist in Berlin und Brandenburg Religion an öffentlichen Schulen überhaupt kein ordentliches Lehrfach. In Hamburg wiederum wird Religionsunterricht nicht nach Konfessionen getrennt erteilt, sondern als „Religionsunterricht für alle“, so die Kultusministerkonferenz. In Hessen gibt es dagegen – in Kooperation mit zwei Religionsgemeinschaften – „bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht“.
An der Mittelschule Ridlerstraße in München hält man auch interreligiöse Andachten für wichtig, um ein tolerantes Miteinander zu fördern. Zu Beginn jedes Schuljahrs lädt die Schule dazu ein – mal in einer Kirche, mal in einer Moschee. Einige von Ben Halimas Schülern aus dem islamischen Religionsunterricht waren noch nie in einer Moschee, andere gehen dagegen ein-, zweimal pro Woche in den Koranunterricht oder zum Freitagsgebet.
Ab und an bringen Kinder auch radikale Meinungen mit. Ben Halima: „Einmal hat mir ein Schüler erzählt, dass der Imam zu ihm sagte, seine Mutter werde in die Hölle kommen, weil sie Christin sei. Da spreche ich natürlich mit dem Kind, frage, in welche Moschee es geht, versuche, Kontakt mit den Eltern aufzubauen. So was macht mich wütend – das geht gar nicht.“
Fotos: Simon Katzer für Magazin SCHULE
Wenn die Lehrer sich doch bloß auch soviel Mühe mit den MINT-Fächer geben würden wie mit Religion.
Ich bin zwiegespalten. Ich finde, es müsste zunächst einmal in Hessen geklärt werden, mit welcher Befugnis zwei streng konservative Vereine in den islamischen Religionsuterricht eingreifen? Es bereitet vielen Bürgern große Sorgen, dass Inhalte direkt von diesen Vereinen vorgegeben werden. Ich las neulich einen Bericht, in dem dies sogar von einem islamischen Theologen kritisiert wurde. Der neue Religionsunterricht muss von Lehrern umgesetzt werden, die nicht den strengen Vereinen nahe stehen. Ich finde es sehr schwierig gute Lösungen zu finden. Aber es ist sicher falsch, sich den Regeln von Islamverbänden unterzuordnen. Das einzusehen wäre wichtig.
Ich wäre für islamischen Unterricht, wenn im Gegenzug in islamischen Ländern die selbe Toleranz praktiziert würde. Wenn Kirchen gebaut werden dürften, statt abgebrannt. Wenn Christen ihren Glauben offen leben dürften statt verfolgt zu werden. Wer den Koran liest, weiß, dass der Islam leider keine friedliche Religion ist. Ich bin skeptisch!
Islamunterricht gehört nicht an deutsche Schulen.
Eine Integration findet dadurch statt, dass man sich den Gegebenheiten des Landes anpasst in welches man einwandert.
Und die deutsche Kultur hat seit Jahrhunderten nichts mit dem Islam zu tun.
Wenn Deutsche auswandern passen sie sich auch der Kultur des jeweiligen Landes an und fordern keinen Religionsunterricht in evangelischer Religion. Das würde es in arabischen Ländern niemals geben.
Wir haben ein reiches Kulturgut – und das sollte auch den Einwanderern vermittelt werden, ebenso wie die Sprache, welche Voraussetzung ist zum Leben in einem anderen Land.
Und das gilt egal für welchen Auswanderer, egal in welches Land. Anpassung ist unbedingte Voraussetzung.
Hallo liebe Katrin,
ich bin auch der Meinung, dass zuerst die deutsche Sprache vermittelt wird, jedoch ist dies meiner Ansicht nach kein Hindernis für einen Islamunterricht. Findest du es besser, dass Islamische Unterweisung nur in Vereinen gemacht wird? Letztendlich gibt es laut Verfassung das Recht sich zu versammeln und das wird auch weiterhin auch in Moscheen der Fall sein. Jedoch finde ich es wichtig, dass SuS einen nach Lehrplan orientierten Völkerverbindenden und Dialogsfördernden Islamischen Unterricht erhalten, in welchem, wie du schon betonst, auch Inländisches Kulturgut, vermittelt wird. Es fällt den in Deutschland lebenden SuS nicht einfach Religion und Europäisches Leben zu vereinbaren. Islamlehrer könnten eine Hilfestellung sein. Interkulturalität statt Volkstumskunde und Kulturkunde.